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SPD macht auf SchönwetterGabriels Ehe mit Steinbrück

Um zu retten, was zu retten ist, verordnet die SPD sich auf ihrem kleinen Parteitag Harmonie. Aber nach all dem Zwist und Tränen fehlt immer noch der Wahlkampfmodus.

Zwei wie Pech und Schwefel: Gabriel (l.) und Steinbrück. Bild: dpa

BERLIN taz | Andrea Nahles strahlt. „Es war schwül, dann kam das Gewitter“, sagt die SPD-Generalsekretärin am Montag vor Journalisten. Soll heißen: Jetzt ist die Luft wieder rein. Die Wetter-Metaphorik meint den Zustand der SPD, genauer das Verhältnis von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Zwischen den beiden gab es atmosphärische Störungen. Mal sagte Steinbrück, dass er auf Flutkatastrophentourismus verzichte, während Gabriel in Magdeburg das Hochwasser besichtigen wollte. Das war eher schlecht synchronisiert. Es gab noch mehr kleine Kollisionen, wie Gabriels Forderung nach einem Tempolimit auf Autobahnen, aber keinen Machtkampf oder gar schrille Illoyalität des SPD-Chefs.

Dann kam die Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag, die wie ein Katalysator wirkte. Bei der Debatte, ob die SPD-Fraktion Angela Merkels europäische Bankenunion mittrage, fühlte sich Steinbrück offenbar von Gabriel zu wenig unterstützt. Außerdem kritisierte der Parteichef, dass die SPD noch „nicht im Wahlkampfmodus“ sei. Eine angesichts bescheidener Umfragewerte nicht völlig entlegene Feststellung.

Fraktionsvize Ulrich Kelber kann daran noch immer nichts Schlimmes finden: „Das war ein allgemeiner Appell von Sigmar Gabriel, keine Kritik an jemandem“, sagt er der taz. Juso-Chef Sascha Vogt wünscht sich „von allen Seiten, dass sie ihr Vorgehen miteinander abstimmen“.

„Da war nichts Dramatisches“

Dennoch, am Dienstag informierten SPD-Abgeordnete Journalisten. Ihr Tenor: Gabriel greift Steinbrück an. Allerdings lag das stark im Auge des Betrachters. Ist es nicht der Job eines Parteichefs, die Abgeordneten anzufeuern? Die SPD-Linke Hilde Mattheis sagt: „Man muss auch mal offen diskutieren können und unterschiedliche Meinungen haben.“ Ulrich Kelber urteilt über die Fraktionssitzung: „Da war nichts Dramatisches.“

Trotzdem sah der Kanzlerkandidat sich im Zugzwang. Oder, wie Andrea Nahles es munter im Willy-Brandt-Haus formulierte: „Wir wussten, dass ein großes Magazin an der Geschichte (der Fraktionssitzung; A. d. R) dran ist. Da mussten wir reagieren“. So kam es zu dem Steinbrück-Zitat im Spiegel „Ich erwarte, dass sich alle – auch der Parteivorsitzende – in den nächsten 100 Tagen konstruktiv und loyal hinter den Spitzenkandidaten und die Kampagne stellen.“

Eine öffentliche Zurechtweisung, als letzte Drohung in einem eskalierenden Machtkampf verstanden? Eher eine Art Nach-vorne-Verteidigung Steinbrücks, um in dem Spiegel-Artikel nicht als schwach zu erscheinen. So nervös ist man in der SPD: Man lässt sich von kommenden Zeitungstexten den Takt diktieren. Kein gutes Zeichen.

„Reibungen“ mit dem Polit-Gatten

Am Wochenende beim SPD-Konvent waren alle mächtig um Harmonie bemüht. Klaus Wiesehügel, Parteilinker in Steinbrücks Kompetenzteam, sagt, man habe Sonntag gar sehen können, „mit welcher gegenseitigen Zuwendung und Vernunft der Parteivorsitzende und der Kanzlerkandidat miteinander umgegangen sind“. Sigmar Gabriel hatte in seiner Eröffnungsrede von einer „politischen Ehe“ zwischen sich und Steinbrück gesprochen, in der es schon mal zu „Reibungen“ kommen könne.

Dass der Kanzlerkandidat vor den Augen der Öffentlichkeit um Fassung rang, als seine Ehefrau Gertrud ihn vor kritischer Berichterstattung in Schutz nahm, brachte eine besonders emotionale Note in den Konflikt. „Politiker sind keine Maschinen. Das Geschäft nimmt auch einen Peer Steinbrück mit“, sagt Juso-Chef Vogt. Er meint, dass derlei Momente dem Kandidaten nützen. Auch aus dem Willy-Brandt-Haus ist zu hören, dass Steinbrücks Tränen selbst seine Kritiker rührten. In der Politik sei es wichtig, etwas von seiner Person preiszugeben, so Hilde Mattheis – das Ganze „sollte aber nicht überbewertet werden“.

Klar ist, die Genossen müssen bis zur Bundestagswahl stärker ihre Themen herausstellen. Am besten auf Feldern, auf die nicht einmal eine sozialdemokratisierte Kanzlerin Merkel folgen wird. Die SPD-Linke hat auch schon etwas im Sinn – nämlich die Forderung nach doppelter Staatsangehörigkeit und nach Abschaffung des Ehegattensplittings offensiv nach vorne zu schieben.

Juso-Chef Sascha Vogt meint, dass „die Kanzlerin nur so tut, als sei sie die bessere Sozialdemokratin“. Es sei endlich an der Zeit, „Merkel anzugreifen“. Das allerdings wird mit diesem Kanzlerkandidaten nicht einfach. Steinbrück hat schon vor Monaten erklärt, dass er Merkel nicht direkt attackieren will.

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13 Kommentare

 / 
  • OP
    Otto Pardey

    Durch RTL-Nachtjournal wurde vor Monaten Sigmar

    Gabriel SPD unter einblenden seines Fotos vorgeworfen,

    das er in das Rotlicht-Milieu verbandelt sei.

    Hier in Hannover sind das keine Einzelfälle und

    prägt zurecht die Bezeichnung:

    Hannoveraner-Mafia/Connection indem die SPD und

    ihren Verbandelungen zur org. Kriminalität gut unter-

    wegs ist,zum Leidwesen der Bürger.

  • LK
    Langweiligkeit kommt auf

    Könnte man mit diesem Steinbrück, seinen Tränen, der SPD aufhören, das wird langsam echt langweilig.

  • I
    Irmi

    Wenn Steinbrück Partei intern Gegenwind nicht ertragen kann und zu weinen beginnt, weil man ihm den großen Meister kritisiert, was käme wenn er dann Kanzler WÄRE und von allen Seiten Kritik kommt. Ertrinkt dann der Bundestag im Tal der Tränen von Hr. Steinbrück?

     

    Wie putzig, wenn er weint dann stehen alle auf und klatschen Beifall weil er von seinen Gefühlen übermannt wurde. Hat er Angst, dass ihn seine Frau verläßt, sollte er tatsächlich Kanzler werden. Da haben seine Kollegen Mitgefühl, wie wäre es Mitgefühl zu zeigen für die hungernden Rentner und entsprechende Änderungen gegen Altersarmut zu erbringen ?

     

    Ist sein Tränendrama wirklich die fehlende absolute Loyalität von Gabriel, oder fühlt er sich gemobbt ? Gut, dann weis er wie es dem einfachen Volk seit Jahren geht und die Regierenden Mobbing anzuklagen so schwierig gemacht haben. Weil Politiker Mobbing und die daraus resultierenden seel. Folgen absolut nicht ernst nehmen.

     

    Er soll es lieber lassen und mit seiner Gattin scrabbeln, sie möchte eh nicht das er das macht, zwecks Mangel an privater Zweisamkeit. Kann es sein seine Gattin kennt ihn nicht wirklich, das er Geld und Macht geil sein könnte ????? Oder ist er überfordert durch seine vielen und gut gezahlten Nebenjobs. Wollte sie mit ihm lieber das viele Geld verprassen als Rentnerin, während die „normalen“ Rentner hungern ? Wo bleibt da ihr Mitgefühl ?

  • A
    anke

    Ehrlich? "Die Kanzlerin [tut] nur so [...], als sei sie die bessere Sozialdemokratin"? Meine Güte! Wer hätte das gedacht?! Aber, he!, das passt ja prima! Peer Steinbrück möchte schließlich auch, dass seine potentiellen Wähler glauben, er täte nur so, als sei er der bessere Unions-Kandidat. Dass der Mann keine Lust hat, Frau "Merkel anzugreifen", verstehe ich jedenfalls gut. Er will doch ab Herbst unter ihr den Außenminister geben, oder? Und wie sieht das denn aus für unsere Freunde und Feinde, wenn sich das (politische) Paar erst verbal bekriegt und kurz darauf schon wieder kuschelt miteinander? Gab es da nicht früher einmal einen Spruch, der in Zeiten zweistelliger Scheidungsraten aktueller ist als je zuvor? "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich", hieß es damals. Und wer mag sich schon von einem "Pack" regieren lassen? Zumal in einer wirtschaftlichen Krise, wo man vor lauter Chaos nie so ganz genau zu wissen glaubt, wer wer ist?

  • H
    Harro

    Juso-Chef Sascha Vogt spricht so, als ob klar sei, was die SPD, die Sozialdemokratie eigentlich sei/ist.

    Dass dem wohl nicht so ist, erkennt man an der Verwirrung der Wähler. Die können weder die SPD, noch derebn Kandidaten klar erkennen. Andersherum vielleicht auch: Vielleicht ist Peer Steinbrück zu sehr CDU und FDP, zu wenig SPD(vor 2003)? Ich glaube, die SPD wird im September mit Eiswasser abgeduscht, aber da hilft auch nicht Harmonie oder liebe Worte der Steinbrück-Frau. Im Übrigen tat sich die SPD in der Opposition auch schwer, die CDU und Merkel effektiv anzugreifen.

  • KK
    Kein Kunde

    Dass diese SPD so offensichtlich nicht regieren will, ich kann's nicht verstehen.

    Und da macht man immer Witze über das "demokratische" 2 mal die gleiche Partei Parteiensystem der USA.

    Von welcher Position aus bitte?!?

  • V
    vic

    Auf Flutkatastrophentourismus zu verzichten ist ebenso richtig, wie ein Tempolimit auf Autobahnen.

    Bei der SPD sind das Fehler. Schade.

  • S
    Stratege

    Wenn die SPD es vermasselt, und Merkel die Wahl gewinnt, dann wird eine neue Partei in der Mitte gegündet.

     

    Ohne seltsame Profesoren und "Euro-Experten", sondern nah bei den Herzen und Köpfen!

     

    Zur Europawahl und zu den nächsten Landtagswahlen kommr eine neue, wirklich starke neue Partei.

     

    Genug ist genug ... die Bastelei muß beendet werden!

  • J
    JürgenG

    Aus der mittelamerikanische Ferne beobachte ich etwas verblüfft: Die SPD ist ein Top-Thema. Weshalb denn das? Weil sie möglicherweise ein Koalitionspartner sein könnte, wenn nicht die FDP oder die Grünen? Wobei man die alle ohnedies nur noch unterm Mikroskop voneinander unterscheiden kann, während die "Politik" schon lange in den DAX-Chefetagen gemacht wird?

    Na, dann diskutiert mal noch fein über die selbstmitleidigen Schluchzer des Herrn Dings und schlaft ansonsten weiter. Tazzen war mal wacher, sorry.

  • S
    Sabine

    Was fpür ein Mainstream - Quatsch.

     

    Kanzlerin Merkel ist NICHT "sozialdemokratisiert". Die SPD ist eine neoliberale Partei. Seit 1998.

     

    Die SPD ist längst nicht mehr sozialdemokratisch oder gar links. Auch die grünen sind seit 1998 nicht mehr links, sondern neoliberal.

     

    Die CDU ist die CDU. Sie kopiert zum Teil die nicht mehr sozialdemokratischen Themen der SPD.

     

    Sozialdemokratische Politik vertritt heute höchstens noch die Linkspartei auf Bundesebene.

     

     

    Zitat taz: "Klar ist, die Genossen müssen bis zur Bundestagswahl stärker ihre Themen herausstellen. Am besten auf Feldern, auf die nicht einmal eine sozialdemokratisierte Kanzlerin Merkel folgen wird."

  • M
    Minos

    Kein Wunder dass Steinbrück und Gabriel gebührenfreie Kitas fordern... die SPD ist schließlich selbst der allergrößte Kindergarten.

  • H
    Hektor

    Der "kleine Parteitag" war ein Schmierentheater mit drittklassigen Schauspielaspiranten. Unglaubwürdigkeit hat einen Namen........

  • K
    keetenheuve

    Es doch so: Bettina Böttinger fragte: Warum tut er sich das an? Und dann kommt das Schluchzen. Und sonst gar nichts. Bis der Saal sich erhebt und den Kandidaten mit einem rauschenden Beifall abholt.

    Wenn der Kandidat an der Stelle keine Antwort weiß (und die hat der nach dem Schluchzen auch nicht gebracht), dann ist das für alle Noch-SPD-Wähler alarmierend. Warum sollen sie ihn überhaupt wählen, wenn er doch selber gar nicht weiß, warum.