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SPD in Sachsen vor der LandtagswahlDas große Zittern

Laut einer Umfrage strauchelt die SPD in Sachsen gewaltig. An den Ergebnissen gibt es Kritik, trotzdem reagiert Spitzenkandidatin Köpping kämpferisch.

Will mit konstruktiver und sozialer Politik überzeugen: Petra Köpping (SPD) Foto: Sebastian Willnow/dpa

Berlin taz | Einen Landtag ohne SPD? Das gab es in Deutschland noch nie. Bisher hat sie immer die Fünfprozenthürde geschafft. Doch derzeit sorgt eine umstrittene Umfrage der Sächsischen Zeitung und des Forschungsinstituts Civey für Aufsehen, laut der sich das ändern könnte. Dort gaben nur 3 Prozent an, für die So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen stimmen zu wollen. Im September stehen die Landtagswahlen in Sachsen an.

Auf das Ergebnis angesprochen, führt Petra Köpping, Spitzenkandidatin der SPD, die aktuell schlechten Umfragewerte ihrer Partei in Sachsen auf die Stimmung gegenüber der Bundesregierung zurück. Dort hätten SPD, FDP und Grüne „die Erwartungen vieler Menschen enttäuscht – gerade hier im Osten“, sagte sie der Berliner Zeitung Tagesspiegel.

Köpping ist seit 2019 als Sozialministerin Teil der in Sachsen regierenden Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Trotz ihrer Kritik an der Bundesregierung rät sie davon ab, der an allem die Schuld zu geben, was in Sachsen nicht gut läuft. Das mache zwar derzeit der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), doch das schwäche das „Vertrauen der Menschen in die Politik insgesamt“, sagte sie der Leipziger Volkszeitung.

Der Generalsekretär der sächsischen CDU, Alexander Dierks, sagt zu diesem Vorwurf: „Ende 2023 hatten in einer Forsa-Umfrage nur noch 11 Prozent der Ostdeutschen Vertrauen in die Bundesregierung.“ Sie solle unter anderem für bezahlbare Energie, und mehr Freiheit arbeiten und ihr Handeln selbstkritisch hinterfragen.

Civey-Umfrage in der Kritik

Im Wahlkampf wolle sie mit konstruktiver und sozialer Politik überzeugen. „Vor jeder Klasse ein Lehrer, für eine starke Wirtschaft durch starke, gut bezahlte Arbeitnehmer, für eine zuverlässige gesundheitliche Versorgung in Stadt und Land.“ Außerdem befürworte sie, die Möglichkeit eines AfD-Verbots zu prüfen. Die kommt laut Civey-Umfrage auf derzeit 37 Prozent.

Allerdings: Andere Umfrageinstitute und Po­li­ti­ke­r*in­nen stellen infrage, wie aussagekräftig die Umfrage ist. In einem Rechtsstreit zwischen dem Institut Forsa und Civey urteilte das Landgericht Hamburg zuletzt, weil die Daten nur online erhoben werden, sei der Rahmen zu unverbindlich, um als repräsentativ zu gelten. Civey ist dagegen in Berufung gegangen und betont auf Anfrage der taz, die Daten seien zuverlässig – aber es handle sich um keine Prognose: „Bis zur Wahl im Herbst ist es noch ein weiter Weg.“

Der Statistiker Stephan Poppe von der Universität Leipzig kennt die Kritik an Civey, sagt aber, ohne vollkommen offenen Erhebungsprozess sei die Qualität von Wahlumfragen immer schwer einzuschätzen. Er gibt zudem zu bedenken, dass es einen Unterschied macht, „ob Sie Meinungen abfragen oder eine Handlung.“ Wenn Menschen am Wahltag an der Urne stehen, „kann es sein, dass sie sich wieder an ihre traditionelle Parteibindung erinnern“.

Seit der Wende war die SPD auf der Landesebene in Sachsen nie sonderlich stark und ihre Wahlergebnisse blieben immer unter 20 Prozent. Bei der letzten Wahl 2019 erreichte sie einen Tiefpunkt: Mit 7,7 Prozent bekam sie ihr bisher niedrigstes Ergebnis. Damit ist die SPD-Fraktion in Sachsen derzeit die kleinste in einem deutschen Landtag.

Aber nicht nur in Sachsen kritisieren Spit­zen­po­li­ti­ke­r*in­nen der SPD die Bundesregierung. In Brandenburg, wo ebenfalls im September der Landtag neugewählt wird, kritisiert die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Finanzministerin, Katrin Lange, die Bundesregierung. Vor allem die Grünen seien Ursache für die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung – besonders in Ostdeutschland.

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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die SPD ist nicht erst mit der Ampel auf dem Weg in die Niederrungen der Bedeutungslosigkeit aufgebrochen.



    Schröders Wirtschaftspolitik, Hartz IV und die zunehmende Bedeutungslosigkeit von Gewerkschaften und Tarifverträgen ließen die SPD unglaubwürdig werden. Die Ampel ist nur die letzte Konsequenz aus dem Gesichtsverlust mit der Großen Koalition.



    Mit dem Finger auf andere zu zeigen ist mittlerweile der typisch deutsche Ansatz.



    Anstatt die Menschen mitzunehmen, Mut zu haben und Positives aufzuzeigen verdrängt man die Probleme indem man die Schuldfrage stellt.



    In der Zukunft wird es nur darum gehen Probleme anzugehen und im Sinne der Menschen zu lösen. Dann wird es auch egal sein was draufsteht.

  • Soso, jetz stimmt auch noch die SPD in das von rechter Seite geradezu systematisch betriebene Grünen-Bashing ein - peinlich, peinlich, so einer billigen Stimmungsmache aufzusitzen, statt sich auf die Verteidigung fortschrittlicher Politik zu konzentrieren - ob das mal Erfolg haben soll ? Nun ja, die SPD handelt ja wohl immer öfter nach dem Motto: Hauptsache in der Regierung und ist dafür auch bereit, übelste Kröten zu schlucken, etwa hier in Hessen, wo man einen Koalitionsvertrag unterschrieb, in der von einer "christlich-sozialen Politik" der Landesregierung ie Rede ist, von anderen schlimmen DIngen ganz abgesehen ... eiwei !

    • @StromerBodo:

      Ja, die SPD betreibt eine verantwortungsbewusste Selbstverzwergung. In Sachsen zeigt der Trend so steil abwärts, dabei haben die äußerst etablierte Politiker wie z.B. auch Martin Dulig. Aber äußerst etabliert ist noch nicht äußerst gut und bedeutet noch nicht dass diese als Macher wahrgenommen werden.



      Warum geht die SPD jede große Koalition als Juniorpartner ein, die ihr angetragen wird? Warum führt sie auf Bundesebene die erste 3-Parteien-Koalition der bundesdeutschen Geschichte, bei der doch rein strukturell absehbar ist, dass die schwieriger ist als andere zuvor? Die Partei geht mit solchn fahrlässigen Entscheidungen zu Recht baden.

  • Die SPD wird immer mehr an Bedeutung verlieren, solange sie sich nicht aus der Umklammerung dieser GRÜNEN "Polit-Sekte" befreit und sich wieder auf die Werte besinnt, für die Sozialdemokraten wie Kurt Schumacher, Willy Brandt und Helmut Schmidt standen, nämlich Frieden, Freiheit und SOZIALE Demokratie für die Benachteiligten in dieser gar nicht so sozialen Gesellschaft!

    • @justus*:

      "Grüne Polit-Sekte", "Frieden, Freiheit und SOZIALE Demokratie für die Benachteiligten"

      Das könnte auch von der AfD kommen. So eine SPD würde ich auch nicht haben wollen. Dann lieber keine.

    • @justus*:

      Ich würde mal sagen, die SPD war nie eine Partei der Minderheiten. Aber: die "Arbeiterklasse" gibt's nicht mehr oder ist zur Minderheit verkommen.

      Da geht das Dilemma los. Man sucht verzweifelt seine Zielgruppe, Trial and Error.

      Es ist nicht schade um die SPD. Sie geht dahin wie alles andere auch, die Sonne geht trotzdem morgen auf.

    • @justus*:

      “… Frieden, Freiheit und SOZIALE Demokratie …”.



      Schön in’s (sozialdemokratische) Horn gestoßen, @Justus*. Aber ist ja auch nicht falsch, wer könnte sich nicht damit identifizieren.



      Aus meiner Sicht käme programmatisch noch “ökologischer Umbau der Industriegesellschaft” dazu, dann wird’s noch richtiger. Und ich kann mir nicht helfen, aber ich habe den Eindruck, die SPD war in dieser Frage schon in den 1980er Jahren weiter, zumindest aufgeschlossener als heutzutage.



      Und jetzt kommen Sie und erzählen, die gute alte Tante solle sich aus der Umklammerung der grünen “Polit-Sekte” befreien. Na, wenn das jetzt die sozialdemokratische Mehrheitspisition ist, dann gute Reise! Da kann man sich ja gleich den Wagenknechten anschließen.