SPD bremst beim Mietendeckel: Genossen gegen das Absenken
SPD-Senatoren stellen sich bei Mietendeckel gegen den Entwurf von Lompscher. Ein Wochenkommentar.
Eine ungewohnte Situation war das, Anfang des Jahres: Ein neuer, radikaler Vorschlag zur Lösung der Berliner Mietenkrise lag auf dem Tisch – eingebracht nicht von einer Mieterinitiative, nicht von Andrej Holm und auch nicht von der Linkspartei, sondern von der SPD. Die Bundestagsabgeordnete Eva Högl und zwei Parteigenossen greifen im Tagesspiegel einen Artikel aus der juristischen Fachpresse auf und fordern: die Einführung eines landesweit geltenden Mietendeckels.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) reagierte zunächst zurückhaltend auf den Vorschlag, in einem ersten taz-Interview meldet sie weitreichende rechtliche Bedenken an. In diesen Wochen schien es fast so, als wäre man in der Linkspartei verärgert darüber, dass es nun ausgerechnet der SPD gelingt, sich als Partei der Mieter:innen hervorzutun – eine politische Position, die die Linke gern für sich gepachtet wissen möchte.
Neun Monate später wird sich darüber niemand aus der Linken mehr Sorgen machen müssen. Lompscher hat den Mietendeckel längst für sich entdeckt, und der Frontverlauf scheint wieder der gewohnte: Hier eine Linken-Senatorin, die das Mietenproblem tatsächlich angehen will. Und dort eine SPD, der das gute Verhältnis zur Immobilienwirtschaft offenbar wichtiger ist als ihre eigenen Wähler:innen.
Anders lässt sich das SPD-Manöver der letzten Wochen jedenfalls schwerlich erklären. Rückblick: Nach dem ersten Entwurf für das Deckelgesetz sollten alle Menschen, die in einer Wohnung mit Mieten über den im Mietendeckel festgelegten Obergrenzen wohnen, ihre Mieten senken können. Die SPD sorgte dann dafür, dass dieser Kreis auf jene begrenzt wurde, deren Miete mehr als 30 Prozent des Einkommens verschlingt. Ein nicht nur politisch, sondern auch rechtlich bedenkliches Manöver: Das Mietrecht ist ein Preisrecht und Preise werden gemeinhin nicht nach Einkommen gestaffelt. Genau deswegen melden der Mieterverein und andere Organisationen schon seit Wochen Zweifel an, ob diese Kopplung rechtlich machbar ist, und fordern stattdessen: Absenkung für alle.
Wenn nun also der Regierende und jetzt auch die SPD-Senatoren die Absenkungsmöglichkeit mit Verweis auf genau diese rechtlichen Zweifel ganz streichen wollen, so bleibt nur noch die Frage: Ist das Inkompetenz oder bewusste Sabotage?
Dass die Kopplung ans Einkommen rechtlich bedenklich ist, hätte die SPD wissen müssen, bevor sie diese Änderung einbrachte. Dass bei einer Absenkung für alle die rechtlichen Bedenken entfielen, weiß sie jetzt. Die kurzen Wochen, in denen sich die SPD als Mieter:innenpartei hervortat – kaum zu glauben, dass das erst dieses Jahr war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken