SPD-Spitze, AfD und Dienstpflicht: Neues Balancekonzept
Die Sozialdemokraten entscheiden sich in der Vorsitzfrage für ein Gleichgewicht: Es balanciert zwischen Links–Links, West–West, Basis–Basis.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die SPD legt die Verkündung ihrer neuen Vorsitzenden auf die Sekunde genau auf den Start der Bundesliga in der „Sportschau“.
Und was wird besser in dieser?
Neuer SPD-Claim „Arbeiterpartei war gestern“.
Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind nun die neue Doppelspitze der SPD. Sind Sie überrascht von der Wahl?
Viele tauften noch in der Nacht ihre Neugeborenen Norbertwalter. Das Modell „Doppelspitze“, bei den Grünen entwickelt, diente der Balance. Links – Rechts, Ost – West, Promi – Basis, Mann – Frau. Die SPD versucht’s erst mal mit Links – Links, West – West, Basis – Basis. Wenn sie es sehr geschickt anstellen, machen sie eine Außen-Balance draus. Zwischen dieser neuen Parteiführung und den Etablierten. Also Scholz und Dreyer mit Esken und Walter-Borjans. Macht einen Vierer ohne Steuermann. Das kann hübsch scheitern, denn für ein Gelingen spricht derzeit nur gemeinsamer Horror vor Neuwahlen. „Die SPD schafft sich ab“ und „staatspolitische Verantwortung ist nicht erkennbar“, näselt die FAZ wie über ihren unartigen Hund. „Das Ergebnis bestätigt meine Skepsis“, ergänzt der Berufsehemalige Gerhard Schröder. Da fühlen sich doch mal die Richtigen angegriffen. Kevin Kühnert könnte den Schwung seiner Protegees mitnehmen und auf einem Parteivizeposten für die Ära nach der Ära parken.
Auch die AfD hat neben Jörg Meuthen einen neuen Parteivorsitzenden: Tino Chrupalla. Was kommt da auf uns zu?
Ausländer? Dem Namen nach ein italienisch-schlesischer Bastard, das macht einen leicht untervölkischen Eindruck. Chrupalla hat Vorstrafen bei der „Jungen Union“ sowie einemrechtsextremistischen YouTube-Kanal, er beleidigte Journalisten als „getarnte Zersetzungsagenten“. Der Neue hatte bei der Bundestagswahl Sachsens Ministerpräsident Kretschmer im Wahlkreis geschlagen und steht inhaltlich für hm, tja, Dingens. Die Perspektive seines Mentors Gauland: Eines Tages werde die AfD die einzige Koalitionsoption für die CDU sein. Parole Kreidespeise, die AfD will nach „bürgerlicher Mitte“ aussehen und klingen.
Während am Freitag alle mit den weltweiten Klimaprotesten beschäftigt waren, wurde im Bundestag über den Haushalt fürs kommende Jahr abgestimmt. Was haben wir da verpasst?
Die siebte schwarze Null. Gut möglich: die letzte. Die Groko gab im „Black Friday“-Groove ordentlich Geld aus. In Österreich wurden gleich zwei Haushalte beschlossen, als die Regierung ihr Zerbröseln absah.
Eine schwedische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen die besseren Chefs sind. Wer ist Ihre Lieblingschefin?
Die Studie fragte nicht nach Geschlechtern, sondern nach Führungseigenschaften. Wollen MitarbeiterInnen lieber „autoritäre“ und „kämpferische“ Führung oder „umsichtige“ und „teamfähige“? Überraschung: Letzteres. Diese Eigenschaften wurden dann den Geschlechtern zugeordnet. Und schon wieder Überraschung: das Bossige den Jungs, das Soziale den Mädchen – und plumps fertig. Nachdem wir noch nie an so vielen Kriegseinsätzen beteiligt waren wie unter Merkel, AKK und von der Leyen, sehe ich die Feminismusdividende für uns Jungs behutsamer. Als Chef bin ich selbst weder dies noch das so richtig, sondern sitze autistisch im Büro, schreibe die Kolumne fertig, krieg nix mit und freu mich, wie schlau meine Chefkollegin die Themen wegräumt.
Angela Merkel hat bei einer Debatte im Bundestag wütend auf den medialen Eiertanz um die scheinbar eingeschränkte Meinungsfreiheit reagiert. Sie sagt, die Meinungsfreiheit sei in Deutschland gegeben, aber man müsse eben mit Widerspruch leben. Die Bundeskanzlerin hat es also verstanden, wo liegt bei den anderen das Problem?
Es liegt am ersten Satz der Unabhängigkeitserklärung: Alle Menschen sind ab Geburt beleidigt.
In einem Werkstattgespräch hat die CDU über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht diskutiert. Annegret Kramp-Karrenbauer sucht darin nach dem „Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält“. Wird sie den da finden?
Ja. Mit der Wehrpflicht wurde der Zivildienst ausgesetzt – eine heillos unterschätzte Errungenschaft, die Millionen junger Männer eine Idee gab von Gemeinwohl. Und einigen einen Einstieg in einen bis dahin „weiblichen“ Beruf. AKKs Konzept zielt zeitgemäß auf Männer und Frauen und heimlich auch auf die Unzufriedenen in der Union, die der Wehrpflicht nachtrauern. Darin liegt die Krux: Über die Wehrpflicht lässt das Grundgesetz nur die Einberufung von Männern zu, und als sonstigen Zwangsdienst erlaubt es ausschließlich „herkömmliche, allgemeine, für alle gleiche Dienstpflichten“. Und „herkömmlich“ wäre ein Pflichtjahr nicht. Karitative Institutionen wie „Bethel“ oder, nun ja, Roland Koch, forderten den Dienst schon früher, doch ohne Grundgesetzänderung wird’s nicht gehen.
„Respektrente“ ist das Wort des Jahres 2019. Warum?
Weil „Starke Familien-“, „Gute Kita-“, „Terminservice- und Versorgungs-“Gesetz noch fadenscheinigerer Neusprech sind.
Und was machen die Borussen?
Retten vorerst den Trainer. Fragen: hdl
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