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SPD-Parteitag und Rot-Rot-GrünGewinnen oder gönnen?

Nur 65 Prozent bekam Michael Müller bei seiner Wiederwahl als SPD-Chef. Was bedeutet dieser Denkzettel für den Anspruch der SPD in der Koalition mit Linken und Grünen?

Michael Müller schaut, wann die nächste Senatssitzung ansteht Foto: dpa

Seit der Senatssitzung vom vergangenen Dienstag steht das M-Wort im Raum. Mickymaus-Themen würden Linke und Grüne setzen, statt sich mit den wirklichen Problemen der Stadt auseinanderzusetzen.

Wahrscheinlich wollte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit dem Mickymaus-Wort auch ein Machtwort sprechen – und den eigenen Genossen by the way klar machen, dass eine starke SPD in der rot-rot-grünen Koalition auch einen starken SPD-Landesvorsitzenden braucht.

Das ist nun gründlich danebengegangen. Nur 64,9 Prozent der Delegierten stimmten für die Wiederwahl Müllers als Landeschef. Was heißt das nun im Gegenzug für Rot-Rot-Grün?

Zunächst einmal, dass sich R2G in der Hauptstadt keine Sorgen machen muss. Nach wie vor bei knapp 60 Prozent liegen Linke, Grüne und SPD nach den jüngsten Umfragen. Nur zwischen den Koalitionspartnern haben sich die Gewichte verschoben. Nicht mehr die SPD liegt nun vorne, sondern die Linke.

Käme es zu Neuwahlen, wäre eine Fortsetzung des Bündnisses das wahrscheinlichste Szenario. Zwar würde Müller kaum als Juniorpartner in einen Senat von Linken-Frontmann Klaus Lederer eintreten – seine Partei aber wohl. Eine Alternative ist schließlich nicht in Sicht. Müller wäre zwar raus, aber sein Widersacher Raed Saleh wieder im Spiel.

Linke und Grüne müssten Neuwahlen also nicht fürchten. Vielleicht hört man deshalb aus der SPD inzwischen versöhnlichere Töne. Kein M-Wort, sondern das G-Wort. Warum soll immer nur die SPD Grünen und Linken Erfolge gönnen, warum nicht auch mal die beiden anderen der SPD. Zum Beispiel bei der Videoüberwachung? Gerade mal an zehn Orten will Innensenator Andreas Geisel (SPD) Kameras aufstellen. Darf er das, könnte er von sich behaupten, er verstehe die Sorgen der Menschen.

Linke und Grüne aber könnten auch das ­G-Wort anders interpretieren. Gewinnen statt gönnen. Sie haben die Wahl.

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1 Kommentar

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  • Die Linke hat in Berlin deswegen viel mehr gemacht bei Initiativen, weil die bestehenden Mietverhältnisse für Berliner viel wichtiger sind als Neubau.

     

    Aber es gibt weitere Themen, wo SPD sowohl Bundesweit als auch in den einzelnen Bundesländern wie Berlin punkten kann; dafür muss man handeln und neue Wege gehen bzw. bis jetzt unerwartete Lösungen herbeiführen.

     

    Seit der Einführung von Agenda 2010 hat sich die Kinderarmut hierzulande verdoppelt. Das ist ein sehr hoher Preis für die Verringerung der Arbeitslosigkeit, den das Deutsche Volk zahlen muss. Und das ist nicht der einzige negative Effekt.

    Etwa 40 Prozent der Klagen gegen Sanktionen bei HARTZ IV und Sozialhilfe haben für Kläger (Arbeitslose Menschen) Erfolg. Dann stimmt bei dieser Praxis etwas nicht. Hier riecht es sehr stark nach Steuergelderverschwendung. Denn zusätzlich zu den Rechtsberatungs-, Anwalts- und Gerichtskosten, müssen Mitarbeiter in den Jobcentern mehr Arbeitszeit für solche Sachverhalte aufwenden.

     

    Es gibt sehr viele Initiativen und Organisationen, die Gegen HARTZ IV sich engagieren und Betroffenen helfen. Durchaus kann demnächst sowohl auf lokaler Ebene (Bundesländer) als auch Deutschlandweit eine Bewegung/ein Bündnis/ eine Vernetzung entstehen, wie bei Mieterinitiativen.

     

    Berlin ist im bundesweiten Vergleich von der Armut (Obdachlosigkeit, Kinderarmut, Einkommen nach Abzug der Miete etc.) wohl am stärksten betroffen.

     

    Herr Müller könnte gemeinsam mit den Koalitionspartnern das Solidarische Grundeinkommen in der Hauptstadt einführen. Zugleich müssen alle Sanktionen bei HARTZ IV und Sozialhilfe – zumindest temporär (z.B. für 1 Jahr) – testweise (um zu testen, was edas bringt usw.) – ausgesetzt werden. Sonst wird in der Bevölkerung nur die Rede Etikettenschwindel sein.

     

    Gewaltenteilung in Verbindung Art. 1, I,III GG gibt genügend rechtlichen Spielraum dafür. Neue Wege und Lösungen gibt es schon in den einzelnen Bundesländern wie bspw. Bremen (Projekt gegen Obdachlosigkeit „Housing First").