SPD-Parteitag in Nordrhein-Westfalen: Unangefochtene Kraft
Die NRW-SPD geht optimistisch in den Wahlkampf. Ministerpräsidentin Kraft setzt auf den Schulz-Effekt und grenzt sich von den Grünen ab.
„Im September kommt der Schulz-Express mit hoher Energie in Berlin an“, verspricht NRW-SPD-Generalsekretär André Stinka zu Beginn und erntet die ersten Jubelrufe. „Wir sind stolz, dass er einer von uns ist“, ruft schließlich die SPD-NRW-Vorsitzende, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, bei ihrer Rede in den Saal. Und wieder jubeln alle.
Auch Kraft, die zuerst Sigmar Gabriel als SPD-Kanzlerkandidat unterstützt hatte, profitiert vom Schulz-Effekt. 1900 Neu- oder Wiedereintritte konnte die NRW-SPD in den letzten Wochen verzeichnen und nachdem sie in Umfragen lange mit der CDU-Opposition gleichauf lag, konnte die Partei im Februar erstmals einen Vorsprung von vier Prozent erreichen. Dementsprechend selbstbewusst trat die Ministerpräsidentin in Düsseldorf auf.
„So geht soziale Gerechtigkeit“, wiederholt Kraft bei ihrer Rede wieder und wieder. Dabei betont sie deutlich jedes Wort und immer wenn sie das tut, halten die Delegierten Schilder mit dem Wahlkampfmotto „#NRWIR“ in die Luft. „Ein Hashtag sagt mehr als tausend Worte“, verkündet Generalsekretär André Stinka und erklärt seine Partei für „das NRW-Gefühl“ zuständig.
Spitzen gegen Grün
Dieses Gefühl ist für die SPD in erster Linie sozialdemokratisch und die Partei will es vor allem mit der Sozial- und Bildungspolitik bedienen. Die Unis sollen gebührenfrei bleiben, auch die Meisterprüfung soll zukünftig nichts mehr kosten. Und der Besuch einer Kindertagesstätte, so der Plan, soll zukünftig für 30 Stunden in der Woche kostenfrei sein. „Das geht nur mit die SPD, nicht einmal bei den Grünen findet ihr das“, sagt Hannelore Kraft über ihren Koalitionspartner, mit dem die seit sieben Jahren das bevölkerungsreichste Bundesland regiert.
Im Moment schwächeln die Grünen in den Umfragen, eine rot-rot-grüne Koalition lehnt Kraft ab, und will sich die Option auf eine große Koalition noch offenhalten. Der kleine Koalitionspartner bekommt deshalb noch weitere eine Spitze ab. „Im Moment machen die Grünen Hausbesuche“, sagt Hannelore Kraft. „Hoffentlich treffen sie dabei wie ich auch auf Familien, die von 1500 Euro brutto im Momant leben müssen.“ Die Rollen sind auf diesem Parteitag klar verteilt: Die Grünen vertreten die Besserverdiener, die Sozialdemokraten kümmern sich.
Dabei fällt auch die Bilanz von sieben Jahren rot-grüner Sozialpolitik in NRW etwas ambivalenter aus als Kraft Glauben machen will. Bei den westdeutschen Flächenländern ist NRW das Schlusslicht, was die Einkommensarmut angeht: 17,5 Prozent der Einwohner sind akut von Armut bedroht, in Köln und den Ruhrgebietsstädten liegt die Hartz-IV-Quote zwischen 13 und 20 Prozent. Hinzu kommen Versäumnisse beim Wohnungsbau, gerade in den wirtschaftlich stärkeren Regionen. In Düsseldorf und Köln sind Quadratmeterpreise von 10 Euro kalt bei Neuvermietungen mittlerweile die Regel, dabei hätte in Köln jeder zweite Einwohner Anspruch auf geförderten Wohnraum. Insgesamt fehlen nach Berechnungen bis 2020 400.000 Neubauwohnungen im gesamten Bundesland. Kraft verkündete am Samstag, dass der „Bau von Sozialwohnungen boomt“, de facto sinkt aber auch hier die Zahl, weil pro Jahr 10.000 Wohnungen aus der Sozialbindung fallen.
Risiko Innere Sicherheit
Die größte Gefahr geht für Krafts avisierten Wahlsieg jedoch von einem anderen Politikfeld aus: der inneren Sicherheit, die vor allem von der CDU-Opposition zum Wahlkampfthema gemacht wird. SPD-Innenminister Ralf Jäger ist seit Jahren umstritten: Zu den missglückten Polizeieinsätzen an Silvester 2015 und 2016 kamen in letzter Zeit noch Fahndungspannen im Fall Amri. Zudem ist gerade bekannt geworden, dass im Umfeld des Bombenattentäters von Düsseldorf-Wehrhahn mindestens ein V-Mann des NRW-Verfassungsschutzes aktiv war. Kraft versuchte, am Samstag hier Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Bei einem Wahlsieg will sie jährlich 2300 Polizisten ausbilden.
Die SPD-Delegierten muss sie demit nicht überzeugen. Einstimmig wählen sie Hannelore Kraft zur Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin und auf Platz Eins der Landesliste für den Wahlkampf – und jubeln jeweils minutenlang. „Wenn wir eins können, ist es Wahlkampf“, hatte NRW-SPD-Generalsekretär André Stinka am Anfang des Parteitags auf der Bühne verkündet. Er hat Recht behalten.
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