SPD Gespräch über die Koalition: Heimspielsieg in Niedersachsen
Die SPD-Spitze wirbt in Hannover bei der Parteibasis für den Koalitionsvertrag. Die Dialogkonferenz verläuft wie erwartet – in Zimmerlautstärke.
Klingbeil gibt gleich den Ton vor: Verantwortung. Deutschland, das stärkste Land in Europa, brauche eine stabile Regierung. „Das dürfen wir nicht verbocken“, so der Appell des Parteichefs. Wenn Schwarz-Rot am Nein der SPD-Basis scheitere, dann könne dies Schlimmstes „für die Wahlen 29 und 33“ bedeuten. Schlimmes im Jahr 33, das es zu verhindern gilt – das drückt alle Knöpfe bei den GenossInnen. Schwarz-Rot, eine Art Antifa-Bündnis, sei der „richtige Weg“, so Klingbeil. Gewissermaßen alternativlos.
Die zweite Botschaft, die die Niedersachsen-Riege plus Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, in den Saal sendet, lautet: Wir haben in den Verhandlungen rausgeholt, was drin war. Vermögens- und Erbschaftsteuer, so Esken, sei „mit denen nicht machbar“. Die Juso-Forderung, Migration und Bürgergeld mit der Union neu zu verhandeln, lehnt Klingbeil ab. Das sei unrealistisch.
SPD-Spitze tritt geschlossen auf
Der Auftritt der SPD-Spitze wirkt choreografiert. Die kritische Frage eines älteren Genossen, warum man endlos Schulden für Rüstung mache, aber nicht für Klimapolitik, retourniert nicht Pistorius, sondern Manuela Schwesig. Leider brauche man viel Geld für Verteidigung, aber dank des segensreichen Wirkens der SPD sei man der Klemme – entweder Geld für Kitas oder für Kanonen – mittels Änderung der Schuldenbremse entkommen. Pistorius sieht es ganz genauso. Es passt kein Löschblatt zwischen die fünf SpitzensozialdemokratInnen.
Das Affekt-Niveau der Debatte ist eher niedrig. Es gibt skeptische Fragen, Kritik, aber in Zimmerlautstärke, weitgehend ohne schneidende Zuspitzung. Das Fehlen der Pflegereform wird bedauert. Andere zweifeln, ob man der Union in Sachen Abgrenzung von der AfD trauen kann. Letzteres ist allerdings kein Argument gegen, sondern eher für Schwarz-Rot.
Fundamentale Kritik kommt von einem Juso aus Hildesheim, der den Streit zwischen Merz und der SPD-Spitze um 15 Euro Mindestlohn aufspießt. Die SPD-Spitze tue so, als wären 15 Euro beschlossene Sache, während Merz behauptet, das sei Sache der Mindestlohnkommission. Darin schwingt recht deutlich der Vorwurf mit, die SPD-Spitze male den Koalitionsvertrag rosarot.
Mindestlohn bleibt unklar
Das ist die schärfste Kritik am Montagabend. Miersch gibt „Hubi“ das Wort und Arbeitsminister Heil wird kurz mal laut. Man soll nicht „auf CDU-Propaganda hereinfallen“ und die Leistung der SPD beim Mindestlohn „kaputt reden“. „Ohne SPD in der Regierung keine Mindestlohnerhöhung“, ruft Hubertus Heil energisch in den Saal. Die Kommission werde den Mindestlohn bis 2026 auf 15 Euro erhöhen müssen, weil sie sich am Medianlohn orientieren müsse.
Die Mindestlohnkommission entscheidet jedoch unabhängig. Merz hat recht mit der Feststellung, dass im Koalitionsvertrag nichts von einer gesetzlichen Anhebung auf 15 Euro steht. Der Mindestlohn kann für die SPD in der Merz-Regierung noch ein heikler Punkt werden. Heils nachdrücklicher Auftritt wird dennoch mit Applaus bedacht. Es ist ein Heimspiel vor gewogenem Publikum.
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