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SPD Frau wechselt zur LinksparteiEin Racheengel will sie nicht sein

Kurz vor der Niedersachsen-Wahl wechselt Sigrid Leuschner von der SPD zur Linkspartei. Sie war bei einer Nominierungsabstimmung Doris Schröder-Köpf unterlegen.

Ist jetzt glückliche Linke: Sigrid Leuschner Bild: dpa

HANNOVER dpa | Wenige Stunden nach ihrem Wechsel zur Linkspartei hat die langjährige niedersächsische SPD-Landtagsabgeordnete Sigrid Leuschner (61) bereits ihr neues Parteibuch erhalten. „Es hat die Nummer 205 2215“, sagte der Spitzenkandidat der niedersächsischen Linken, Manfred Sohn, am Dienstag in Hannover.

Am Vorabend hatte Leuschner für eine kleine Sensation gesorgt und wenige Tage vor der Landtagswahl am 20. Januar ihren Wechsel zur Linken verkündet - nach 44 Jahren SPD-Mitgliedschaft. Ein Grund seien die Umstände der Nominierung von Doris Schröder-Köpf als SPD-Landtagskandidatin gewesen. Leuschner war der Frau von Ex-Kanzler Gerhard Schröder bei der Kandidatenaufstellung in ihrem Wahlkreis unterlegen.

„Vielfach wird spekuliert, dass ich aus persönlicher Verärgerung die SPD verlassen habe - das stimmt nicht, das ist eine Unterstellung“, sagte Leuschner am Dienstag. Sie sei kein Racheengel, betonte die Chefin der Verbraucherzentrale Niedersachsen mit Blick auf eine Äußerung von Niedersachsens SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil. Der hatte ihr zuvor mangelndes Demokratieverständnis vorgehalten und Rachemotive unterstellt: „Rache war noch nie sympathisch“, meinte er - und tat den Übertritt als kaum relevant für die Landtagswahl ab.

Zu ihrem „nicht leichten Schritt“ hätten sie auch kontroverse Äußerungen von SPD-Bundeskanzlerkandidat Peer Steinbrück bewogen, sagte Leuschner. Sie hätten zu einer Entfremdung von ihrer bisherigen politischen Heimat geführt.

Bereits seit dem Reformwerk Agenda 2010 habe sie „Bauchschmerzen“ mit ihrer SPD-Mitgliedschaft gehabt. „Irgendwann ist eben der Punkt erreicht, wo man eine Entscheidung treffen muss.“ Nun gehört Leuschner im Landtag noch für ein paar Tage der Fraktion der Linken an.

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8 Kommentare

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  • RE
    Rudy el cuervo P.

    Sigrid Leuschner sollten noch etlich andere folgen!

    Ich selbst bin schon seit vielen Jahren aus der SPD ausgetreten.Für dieses hellrote bla-bla-bla auch noch Mitgliedsbeitrag zahlen? Nein Danke!

    Wann endlich wacht der Souverän, das Wählervolk endlich auf und geht zur Wahl und denkt vor der Stimmzettelabgabe daran, dass sein Herz links schlägt? Denn: Keine Partei im deutschen Bundestag vertritt konsequent die Interessen der Mehrheit der Menschen in diesem unserem Lande...

    Dafür werden sie aber vom Verfassungsschutz (teilweise)bespitzelt...Und von den politischen Kollegen und Kolleginnen angefeindet und teilweise diffamiert.

    Lammert, der zweit mächtigste Mann in Deutschland (politisch gesehn),schaut zu, schweigt und schlägt meines Erachtens in die selbe Kerbe wie CDU/CSU, FDP, SPD & die Grünen. Ist das die Angst vor der eigenen Politik?

  • P
    Pink

    @Martina Sollik:

    Das ist doch völliger Nonens, die Behauptung, dass Delegierte sich beeinflussen lassen.

    Würden Sie einen Funken Ahnung haben, vom Procedere einer Kandidatennominierung ALLER Parteien, so wüssten Sie, dass a. Wahlen geheim sind und b. eine Wahl, die beeinflusst worden wäre im Sinne des Wortes ungültig wäre für eine Listenaufstellung.

    Völlig wurscht, ob Kommunalwahlen, ob Landtagswahlen oder Wahlen zum Bundestag oder zum Europaparlament.

     

    Daher verschonen Sie die Leserschaft bitte mit stammtischartigen Worthülsen.

     

    Und damit Sie's noch bessers verstehen:

    ICH hätte eine Schröder-Köpf NICHT gewählt und DEN möchte ich sehen, der sich da eingemischt hätte bzw. hätte einmischen können.

     

    Also, immer schön ehrlich bleiben !

  • T
    Teermaschine

    Irren ist menschlich

     

    Und natürlich kann man sich im Laufe eines Prozesses von seiner Partei entfremden. Aber dann wäre es nur anständig, rechtzeitig die Konsequenzen zu ziehen und sich nicht erst noch um ein Mandat auf Parteiticket zu bemühen. Anständig wäre es auch, wenn man sich dann wenigstens für eine Zeit vom politischen Zirkus verabschiedet - schließlich hat man jahrelang die Politik verteidigt, die man jetzt verurteilt.

    Aber Anständigkeit war noch nie ein Maßstab des politischen Arms der Stasischnüffler und Mauermörder - von daher passt es schon.

  • V
    vic

    Klasse! So tief wie die sPD ist Die Linke noch nicht gesunken.

    Noch nicht.

  • J
    Julia

    Man kann es garnicht fassen, das bei der SPD noch mal jemand das Richtige macht:

     

    Austreten - und bei der Linken eintreten!

  • AA
    Anna-Sophie & Alexander

    Der Austritt aus der SPD ist voll verständlich, wenn man ihre Beweggründe kennt, die sie heute detailliert in einem grossen Interview einer Zeitung benannte http://www.jungewelt.de/2013/01-16/049.php

    Für uns gehört Frau Leuschner zu jenen überzeugten linken SozialdemokratInnen, die schon seit den Schröder-Regierungsjahren an ihrer SPD verzweifelt sind und sich gefragt haben, ob diese Partei des Verrats sozialer Arbeitnehmer-Interessen noch ihre Partei sein kann.

    Nach 44 Jahren SPD-Mitgliedschaft die Partei zu verlassen, das macht man sich nicht so leicht.

     

    Unter dem Gesichtspunkt, das heute in der Linkspartei mehr linke Sozialdemokraten mit Herzblut überzeugende ursächlich sozialdemokratiche Werte und Ziele vertreten und für deren Durchsetzung engagiert kämpfen, da kann man nur sagen:

    Frau Leuschner, ihr Schritt war ebenso konsequent wie folgerichtig!

  • MS
    Martina Sollik

    Der Schritt war überzeugend, richtig und überfällig.

     

    Die taz verschweigt, das der Frau des Ex-Bundeskanzlers und Verantwortlichen für die Agenda 2010, Hartz IV, Abbau der Arbeitnehmerrechte, Rentenkürzungen und andere soziale Schweinereien nach Rücksprache mit ihrem Mann einfiel, das sie ja auch mal ein warmes Politiker-Pöstchen brauche.

    Nach dem Votum der massgeblichen fünf SPD- Ortsvereine lag Frau Leuschner mit 21 zu 19 Stimmen vorn. Das kann doch einer Parteiführung nnicht gefallen.

    Die SPD-Delegierten haben sich dann jedoch nach entsprechenden Druck von oben nicht mehr an diese Entscheidung gebunden gefühlt. Sie hatten Leuschner am Ende nur 14 Stimmen gegeben. Nach ihrer Niederlage war für Leuschner ein Wiedereinzug in den Landtag nicht mehr möglich.

     

    Man habe sie in der SPD beim parteiinternen Kampf um ihren Wahlkreis Hannover-Döhren gegen die Ex-Kanzlergattin "ins offene Messer laufen lassen", erklärte die Sozialpolitikerin.

    Weil behauptet fadenscheinig: "Die Kandidatenkür sei nach allen Regeln der innerparteilichen Demokratie verlaufen. "Wer das nicht akzeptiert, der hat ganz am Ende ein Problem mit der Demokratie."

     

    Es ist aber hier wieder mal die SPD, die ein Problem mit der Demokratie hat.

     

    Aber als nun ehemalige SPD-Parteilinke ist sie mit ihrem sozialem Engagement sowieso besser bei der Partei Die Linke aufgehoben.

     

    Chapeau! Frau Leuschner!

  • E
    Eremit

    Rache war nie symphatischER.

     

    Und wenn sich jemand, der das spätfeudale Vererben von Posten (ja doch, unter formaler Einhaltung der Abstimmungsspielregeln, aber das ist im chinesischen Volkskongress auch nicht anders) kritisiert, anhören muß, er sei ein schlechter Demokrat,

    dann ist ein Herr Weil kein Demokrat, sondern nur einer von Heerscharen grauer Funktionärsklüngelanten, die gemeinsam in diesem Land den Begriff Demokratie als Geisel genommen haben.

    Und uns den stickenden Leichnam desselben als Maß aller Dinge verkaufen wollen.

    Spätestens jetzt würde ich Herrn Weil nicht mehr wählen - bin aber eh kein Niedersachse.