SPD Brandenburg vor Landtagswahl: Polizei, Stabilität, Woidke
Die SPD will mit einem Sicherheitswahlkampf die AfD bekämpfen. Die Rechtsextremen werden, sagt der Ministerpräsident, „vor der SPD zittern“.
Dieser Text ist Teil unserer Berichterstattung zu den Kommunal- und Landtagswahlen 2024 in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Die taz zeigt, was hier auf dem Spiel steht: Wer steht für die Demokratie ein? Welche Agenda verfolgen Rechte? Welche Personen und Projekte fürchten um ihre Existenz?
Der 62-Jährige ist kein beeindruckender Redner. Seine Stärke ist das direkte Gespräch, in dem er hemdsärmelig, pragmatisch, schlagfertig wirkt. Und eher wie ein Bürgermeister. Woidkes Rede am Samstagmittag beim SPD-Landesparteitag in Falkensee ist selbst für seine Verhältnisse übersichtlich, „Menschen, die Anschlussverwendung brauchen, haben bei uns einen festen Anker“, sagt er. Das kann man eleganter formulieren. Dass man „bei der Sportförderung einen Schluck aus der Pulle genommen“ habe, ist auch nicht unbedingt metaphernsicher.
Aber Stilnoten zählen derzeit nicht bei der SPD Brandenburg. Sie liegt in Umfragen noch immer hinter der AfD, auch wenn der Trend gerade zu kippen scheint. Die SPD regiert in Brandenburg seit 34 Jahren. Sie ist eine Art Staatspartei, auch wenn sie nur 6.000 Mitglieder hat – schwächer als die AfD zu sein, ist ein Alptraum.
Dieses Szenario diszipliniert die GenossInnen. Woidke wird mit 97 Prozent zum Spitzenkandidaten gewählt. Parteitage vor wichtigen Wahlen sind nie die Bühne für Kontroversen, aber das Ausmaß der Harmonie in Falkensee ist dann doch ungewöhnlich. Es gibt keine Kampfkandidaturen. Das Regierungsprogramm wird durchgewunken. Es gibt keine wichtigen Änderungsanträge. Der Jusochef Leonel Richy Andicene lobt das Programm ohne eine kritische Anmerkung, und Bildungsminister Steffen Freiberg lobt die Kompromissfähigkeit der Jusos. Solche Töne kennt man sonst eher von der CDU.
SPD-Dreifaltigkeit Land, Partei, Landesvater
Auch bei Wahlparteitagen gibt es mal einen Konflikt, der am Ende gelöst wird. In Falkensee nicht. Strittiges kommt nicht zur Sprache, kein Wort zur Russlandpolitik. Nach Woidkes Rede präsentieren die SPD-MinisterInnen die Erfolge der letzten fünf Jahre. Das scheint viele schon gar nicht mehr zu interessieren. Das Tagungspräsidium mahnt mehrfach an, doch bitte etwas leiser zu sein. Die Zahlen sind tatsächlich nicht übel. Die Wirtschaft ist in Brandenburg in den letzten fünf Jahren doppelt so stark gewachsen wie im Bund. In der Krisenregion Lausitz sind mehr Jobs entstanden, als bei der Kohle verloren gegangen sind. „Wir haben Brandenburg wirtschaftlich in die Champions League geführt“, so Woidkes recht kühne Einschätzung.
Nach 2025 will die SPD 500 neue Polizisten einstellen und nach den Kitas sollen auch Krippen und Horte gratis sein. Sicherheit und Stabilität, das ist der Slogan, mit dem die SPD die AfD schlagen will. Woidke lobt die Grenzkontrollen zu Polen, die „die irreguläre Migration gesenkt“ hätten, und verspricht Sicherheit durch einen starken Staat.
Dass die SPD in Brandenburg ihr Law-and-Order-Image ernst meint, hat sie kürzlich ihren grünen Koalitionspartner spüren lassen. Bei der Cannabis-Abstimmung im Bundesrat votierte sie entgegen der Absprache für eine Vertagung. Grund: Die Polizei sei mit der neuen Regelung überfordert. Die SPD Brandenburg hält Cannabis für kein Gewinnerthema. Eher für Ballast aus Berlin, wie schon Gasumlage und Heizungsgesetz.
Die SPD will im Herbst weniger mit ihren Koalitionspartnern, der CDU und den Grünen, als mit der AfD konkurrieren. Die Rechtsextremen würden schon „vor der SPD zittern“, so Woidke donnernd selbstbewusst. Das Kalkül dahinter: Knapp die Hälfte der AfD-WählerInnen kann sich vorstellen, eine andere Partei zu wählen. An die ist adressiert: Polizei, Stabilität, Woidke.
„Wir sind die Brandenburg-Partei“, sagt Woidke ganz landespatriotisch. Die SPD setzt auf die suggerierte Identität von Land, Partei und Landesvater, die einst in Nordrhein-Westfalen unter Johannes Rau erfunden wurde. Sie setzt darauf, dass im Herbst Personen mehr zählen als Programme oder raffinierte Rhetorik. Aussichtslos ist die Strategie nicht: Bei einer Direktwahl würden nur ein paar Prozent für den Kandidaten von AfD oder CDU votieren. Und 51 Prozent für Dietmar Woidke.
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