SED-Kämpfer: Bremer SPD-Politiker unter Verdacht
Bremer SPD-Politiker wurde von der Stasi auf der Liste der "Gruppe Ralf Forster" geführt. Das waren handverlesene DKP-Funktionäre, die in der DDR militärisch ausgebildet wurden - für Sabotage-Akte.
Jürgen Pohlmann ist einer der wichtigen Politiker der Bremer SPD. Vor zwei Wochen war er einer von zwei Kandidaten für den Fraktionsvorsitz. Am Dienstagabend ist der 55-Jährige von Radio-Bremen-Mitarbeitern mit einem schwerwiegenden Vorwurf konfrontiert worden: Er wird in den Akten der Staatssicherheit geführt, auf der Liste der "Begünstigten", die in den 80er Jahren für eine streng geheime militärische Einheit der DKP ausgebildet wurden. "Gruppe Aktion" war ihr Stasi-Deckname oder auch "Gruppe Ralf Forster".
Rund 200 Funktionäre der DKP, treue Kader, sind in den "Index"-Listen der Stasi für den Vorgang "XV/2646/72" genannt, Eintritts- und Ausscheide-Datum sind mit Unterschrift vermerkt. Für Jürgen Pohlmann sind das die Daten 20. 6. 1984 und 28. 2. 1989. Die Stasi sorgte dafür, dass solche wichtigen Leute an der Grenze ohne weitere Kontrolle reingelassen wurden. Die Stasi transportierte die Mitglieder der "Gruppe Aktion" streng konspirativ zu den Ausbildungsplätzen, dort übernahmen Offiziere der Nationalen Volksarmee. "XV/2646/72" ist der nur für Insider verständliche Hinweis, der Schlüssel steht auch auf der Karteikarte der Stasi von Jürgen Pohlmann.
Im Dezember 1989 gab es eine interne Anweisung, alle Stasi-Akten zum "Vorgang Aktion Reg. Nr. XV/2646/72" zu vernichten. Die Existenz der Einheit war so streng abgeschirmt, dass selbst der westdeutsche Verfassungsschutz aus allen Wolken fiel, als es Anfang der 90er Jahre erste Hinweise gab. Die DKP leugnete damals strikt die Existenz dieser Einheit. Seit Jahren werden die eilig vernichteten Schnipsel zusammengepuzzelt.
Heute würden man sagen: Es waren Schläfer. Treue DKP-Kader wurden in der DDR an Waffen, Sprengstoff und im Nahkampf ausgebildet, um im Zweifelsfall für Sabotageaktionen zur Verfügung zu stehen. Die DKP wollte - in der Tradition der KPD - vorbereitet sein auf den illegalen Kampf.
Die Truppe "Ralf Forster" kam nie zum Einsatz, die Akten sind weitgehend vernichtet. Ein Mitglied hat gegenüber dem Fernsehmagazin "Fakt" ausgepackt und Einzelheiten der höchst vertraulichen Militär-Übungen erzählt.
Stasi-Chef Erich Mielke hat 1976 verfügt, dass die Erfassung der Mitglieder dieser Gruppe einer besonders "strengen Kontrolle der Dienststellenleiter unterliegt".
In den letzten Monaten gab es mehrere Presseberichte über die "Gruppe Aktion" und einen Fernsehfilm: Ein ehemaliger Mitstreiter hat ausgepackt. Jüngst machte die "Gruppe Ralf Forster" Schlagzeilen, weil der Vorsitzende der Humanistischen Union in Berlin, Bruno Osuch, auf den Namenslisten des Vorgangs "XV/2646/72" verzeichnet ist. Osuch war jahrelang überzeugter und aktiver Kommunist gewesen. Er bestreitet, Mitglied der "Gruppe Aktion" gewesen zu sein. So wie andere, deren Namen sich auf den Listen finden. Die Mitgliedschaft war in den 80er Jahren so geheim, dass nur wenigste DKP-Funktionäre davon wussten.
Die Schlüsselfunktion in den DKP-Vorständen war damals der Org-Sekretär. Das war der Mann, der die Mitgliederlisten führte, der alles über jeden Genossen wusste, der die Ordnertrupps führte und den Überblick über Kontakte und geheime Parallel-Strukturen der Partei hatte. Dieser Mann war in Bremen Jürgen Pohlmann. Bis 1990, erinnern sich alte Parteigenossen. "Das war der Chef der Schlägertruppe der DKP", sagt einer, der damals zum konkurrierenden KBW gehörte. Wenn der KBW vor dem DKP-Maizelt Flugblätter verteilte, kam die Truppe von Pohlmann und schlug zu. Auch parteiinterne Spitzel-Aufgaben gehörten dazu.
Ein Mann fürs Grobe offenbar, keineswegs ein einfaches DKP-Mitglied. Als die zwei Radio-Bremen-Mitarbeiter Pohlmann mit dem Aktenfund bei der Stasi-Behörde konfrontierten, fragte Pohlmann zurück, was denn "Gruppe Aktion" sei. Als ob er auch in den Medien nie etwas über "Ralf Forster" gelesen hätte. Nach einer mehrstündigen Beratung mit politischen Freunden ließ er dann folgende vierzeilige Erklärung verbreiten: "Ich war Mitglied der DKP. Ich habe das nie verheimlicht. Ich habe mich vor mehr als 20 Jahren sehr bewusst von der DKP gelöst. Ich war nie Mitglied der so genannten ,Gruppe Aktion'. Ich werde jetzt prüfen, auf welcher Grundlage diese Vorwürfe erhoben werden und werde mich dazu dann äußern". Für Nachfragen der Presse steht er nicht zur Verfügung.
Dass er nur zufällig auf der Liste steht, wird er kaum behaupten können. Neben den üblichen Einreise-Vermerken für DKP-Kader finden sich Hinweise der Stasi an die Grenztruppen auf eine Einreise von Pohlmann, die keine Begründung tragen. Dies deutet, so sagt Roberto Welzel, der Experte für die "Gruppe Ralf Förster" in der Stasi-Behörde, auf einen ganz besonders vertraulichen Grenzübertritt morgens kurz nach vier Uhr über den Bahnhof Friedrichstraße hin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern