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SCHRÖDER ÜBER SEXUALSTRAFTÄTER: KEIN BEITRAG ZUR DEBATTEUntherapierbarkeit setzt Therapie voraus

Wegschließen, und zwar für immer: Der Vorschlag von Kanzler Schröder, wie mit Sexualstraftätern umzugehen sei, ist natürlich populistisch. Aber vielleicht hat sich Schröder, bevor er sich als Parolenschleuder betätigte, nicht nur bei Doris, sondern auch bei einem Fachmenschen Rat geholt – könnte doch sein.

Denn dass gefährliche Sexualtäter eingesperrt gehören, ist unumstritten. Dass gefährliche Sexualtäter, die untherapierbar sind, bis an ihr Lebensende eingesperrt gehören, ebenfalls. Das Stichwort ist hier – entgegen mancher Erwartung – nicht „Lebensende“, sondern „untherapierbar“. Es ist allerdings unklar, wie viele „Untherapierbare“ es gibt.

Daraus folgt: Erstens muss der Therapieforschung auf die Sprünge geholfen werden. Die Forensik ist ein wissenschaftliches Stiefkind. Zweitens muss das Therapieangebot in den Gefängnissen verbessert werden. Bisher fehlt dafür der politische Wille der Landesregierungen. Solange dies so bleibt, ist die Behauptung, ein Täter sei untherapierbar, genau dies: eine Behauptung, deren Widerlegung systematisch verhindert wird.

Drittens ist auch Schröder gehalten, darüber nachzudenken, wie die lebenslange Verwahrung von Untherapierbaren verbesserbar ist – wenn, und dies ist entscheidend, Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Wer gefährliche Sexualtäter lebenslänglich wegsperren will, hat für entsprechende Einrichtungen zu sorgen. Das ist nicht der Fall. Auch der Maßregelvollzug ist nicht geeignet.

Günstigerweise hat das Ausland vorgearbeitet. Eine Delegation aus Nordrhein-Westfalen durfte sich neulich in Holland anschauen, wie dort mit Menschen umgegangen wird, denen keine Gelegenheit zur Resozialisation gegeben wird. Und siehe da: Anders als in NRW, wo jeder Bau einer Psychiatrie die Bevölkerung auf die Straße treibt, fühlen sich die Niederländer von solchen Institutionen in ihrer Nachbarschaft nicht per se bedroht.

Das könnte daran liegen, dass der Umgang mit Schwersttätern kein Tabu ist, sie nicht abwechselnd zu Monstern oder Opfern erklärt werden. Um hierzu einen aufgeklärten Diskurs hinzukriegen, hat Schröder jedenfalls keinen Beitrag geleistet. ULRIKE WINKELMANN

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