S-Bahn-Neubau tangiert Mahnmal: „Nicht gerade sensibel“
Der Chef der Bundestags-Baukommission kritisiert den Berliner Senat und die Bahn: Sie hätten die Bedürfnisse der Sinti und Roma nicht ernst genommen.
Die S21 soll gegen Ende der 2020er Jahre eine zweite Nord-Süd-Verbindung in Berlins Mitte schaffen, die endlich auch den Hauptbahnhof anschließt. Dabei würde das Reichstagsgebäude von zwei Tunnelröhren östlich und westlich umfahren. Die knapp an dessen Fundamenten vorbeiführende Wunschtrasse der Bahn AG wurde jedoch von der Bundestagsverwaltung abgelehnt, weil sie um die Stabilität des historischen Wallot-Baus fürchtet. Im Januar dann einigten sich die DB, das Land Berlin und die Baukommission auf eine Kompromissvariante – die aber berührte nun das Denkmal.
„Dass auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Sinti und Roma mit Blick auf das Denkmal zu sprechen sei, darauf habe ich die Deutsche Bahn damals ausdrücklich hingewiesen“, sagte Kubicki am Freitag: „Es hieß von der Bahn, man habe mit allen Beteiligten ein Einvernehmen erzielt.“
Dass dem nicht so war, zeigte sich Ende Mai: Da schlug der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Alarm. Es kam in der Folge zu Demonstrationen, und der israelische Künstler Dani Karavan, der das Mahnmal entworfen hat, kündigte an, er werde sich dort notfalls anketten, wenn es auch nur in Teilen einer Baugrube weichen müsse.
Mittlerweile hat es auf Einladung von Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) zwei große Videokonferenzen gegeben, an denen auch Vertreter des Zentralrats beteiligt waren. Bei der letzten Ende Juni sei, so Wolfgang Kubicki, von der Bahn unter anderem der Vorschlag gekommen, „man könne ja am Bauzaun, der das Denkmal tangieren würde, Informationen über das Denkmal anbringen. Das ist nicht gerade sensibel.“ Im Übrigen finde er „suboptimal, was durch das Land Berlin als Besteller und die Deutsche Bahn als ausführendes Unternehmen an Kommunikation erfolgt ist“.
Nicht sein Problem
Kubicki zufolge betonen alle Fraktionen in der Baukommission „einmütig“ die Notwendigkeit, für den Schutz des Denkmals zu sorgen. Allerdings sei es „nicht Aufgabe des Bundestags, Alternativvorschläge zu erarbeiten. Das ist allein das Problem des Landes und der Bahn.“
Ein kniffliges Problem, denn die Kommission bleibt bei ihrem Veto gegen jede zu große Annäherung an die Reichstagsfundamente. Und auch die jüngste Variante, die die DB an diesem Mittwoch hervorzauberte, findet keine Gnade: Dabei kehrt die Bahn zu der schon verworfenen Idee zurück, beide Tunnelröhren östlich des Reichstags entlangzuführen.
Das ließe sich technisch nur mit einer gewaltigen Baugrube auf dem Friedrich-Ebert-Platz bewerkstelligen, für die die Dorotheenstraße jahrelang unterbrochen werden müsste – aber sogar der Schiffsverkehr auf der Spree würde in Mitleidenschaft gezogen. Diese sogenannte Variante 13 habe „bei manchen Kolleginnen und Kollegen Reaktionen zwischen Verwunderung und Verzweiflung hervorgerufen“, sagte Kubicki. Sein Fazit: Geht gar nicht.
Kompromiss in Reichweite?
Laut einem Bericht des Tagesspiegels soll es allerdings beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma „Überlegungen“ geben, dass man für die Zeit der Bauarbeiten einen anderen Gedenkort akzeptieren könne, wenn der Schutz der zentralen Wasserschale gewährleistet sei. Offiziell ist das nicht, außerdem haben bereits andere Roma- und UntertstützerInnen-Organisationen unmissverständlich geäußert, dass sie keine Beeinträchtigung des Mahnmals akzeptieren werden.
Verkehrssenatorin Günther will Kubickis Kritik übrigens so nicht stehen lassen: „Als klar war, wie stark die vorläufig favorisierten Varianten dann doch das Denkmal beeinträchtigen würden, haben wir sehr schnell einen Prozess aufgesetzt“, sagte sie am Freitag der taz.
Darin sollten die Beteiligten „noch einmal neu die unterschiedlichen Trassenverläufe betrachten und bewerten – um zu einer Lösung zu kommen, die einen maximalen Schutz für das Denkmal garantiert.“ Die Gespräche dazu verliefen „in einer äußerst konstruktiven und lösungsorientierten Atmosphäre“, so Günther. Mit Wolfgang Kubicki hat sie vermutlich noch nicht gesprochen.
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