Russlands Präsident spricht zum Volk: Versprechen und Drohgebärden
Wladimir Putin kündigt in seiner jährlichen Rede an die Nation eine Verbesserung der Lebensbedingungen an. Stehende Ovationen bleiben aus.
Diesmal fiel die Rede in den Februar, gewöhnlich findet sie Ende Dezember statt. Das verlieh Spekulationen Auftrieb, Wladimir Putin hätte wegen sinkenden Zuspruchs dieses Datum vor den Feierlichkeiten zum fünfjährigen Jubiläum der Annexion der Krim gewählt. Überdies war der Auftritt auch vom Kreml in den Versammlungssaal Gostiny Dwor verlegt worden, da im Kreml renoviert wird.
Eine Stunde und fünfzehn Minuten musste die Versammlung ausharren, bis Präsident Putin sie noch auf eine Viertelstunde in die Außenpolitik entführte. Die USA und die Aufhebung des INF-Vertrags für Kurz- und Mittelstreckenraketen hauchten den Abgeordneten wieder etwas Leben ein. Nach den USA hatte sich auch Russland Anfang Februar aus dem Vertrag zurückgezogen.
Bis dahin folgten sie den Ausführungen des Kremlchefs, der dem Volk verbesserte Lebensbedingungen in Aussicht stellte. Vom Hypothekenwesen für Geringverdiener und kinderreiche Familien über die Aufstockung der ländlichen Provinz mit Landärzten bis zu gerechteren Ausbildungschancen.
Scheltende Worte
Zu allen Themen gab es auch ein paar scheltende Worte des Präsidenten für die Bürokratie. Auch der erneute Einbruch der Bevölkerungsstatistik machte dem Präsidenten zu schaffen. Positiv vermerkte er die finanzielle Lage, von kolossalen Ressourcen sprach Putin, um die größeren nationalen Projekte anzugehen.
Im Mittelpunkt der Adresse an die Nation, stand diesmal das Volk. Seit der Erhöhung des Rentenalters für Männer von 60 auf 65 und Frauen von 55 auf 60 Jahre im Juni 2018 zum Auftakt der Fußball-WM in Russland ist es enttäuscht, manche sind erbost.
Die Versprechen des Präsidenten, die Bezüge um einige hundert oder tausend Rubel zu erhöhen, mag den Menschen draußen Erleichterung bringen. Die Gesellschaft im Gostiny Dwor muss es als Almosen empfunden haben. Die Mienen waren versteinert, einige kämpften mit dem Einschlafen.
Die Beschreibung der Spannungen im Umgang mit den USA und die Nennung der Waffengattungen vertrieb die Schläfrigkeit. 2018 waren die Gäste bei der Aufzählung noch in Verzückung geraten und dankten Putin mit stehenden Ovationen.
Bau neuer U-Boote
Diesmal nicht. Die Nennung der Raketen vom Typ „Kindschal“, des Hyperschall-Marschflugkörpers „Zirkon“ und der Präzisionswaffe „ Kalibr“ belebte die Anwesenden jedoch. Auch die Ankündigung des Baus neuer U-Boote trug dazu bei. Sieben demnächst, 16 weitere versprach der Kremlchef bis 2027.
Putin begründete Russlands Rüstungsmaßnahmen mit dem angeblichen Verstoß der USA gegen den INF-Vertrag. Moskau geht davon aus, dass die Mk-41 Abschussrampen in Rumänien und Polen für Kurz- und Mittelstreckenraketen umrüstbar seien. Die USA und Nato-Experten dementieren das.
Darauf stützt Moskau die Bereitschaft, mit gleichen und asymmetrischen Maßnahmen zu antworten, sollten die USA Kurz- oder Mittelstreckenraketen in Europa aufstellen. Auch das Zentrum der Entscheidung würde in Mitleidenschaft gezogen, drohte Putin. Zudem empfahl er Washington, die Geschwindigkeit der Hyperschall-Rakete zu prüfen, bevor es sich für die Dislozierung eigener Raketen entscheide.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“