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Russlands Präsident Putin„Bin bereit mich mit Selenskyj zu treffen“

Der russische Präsident erklärt sich zu Gesprächen bereit – auch mit dem deutschen Bundeskanzler. Wahrheitswidrig leugnet er Angriffe auf zivile Ziele.

Wladmir Putin beim Treffen mit Ver­tre­te­r:in­nen internationaler Nachrichtenagenturen in St. Petersburg Foto: Vyacheslav Prokofyev/Pool Sputnik Kremlin

St. Petersburg dpa | Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich zu einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereiterklärt, um Russlands Krieg gegen die Ukraine zu beenden. „Ich bin bereit, mich mit allen zu treffen – einschließlich mit Selenskyj“, sagte Putin in St. Petersburg bei einem Treffen mit Vertretern großer Nachrichtenagenturen. Die Frage für Russland sei aber, wer am Ende die Friedensvereinbarung unterschreibe.

Putin zog erneut in Zweifel, dass Selenskyj dafür die Legitimität habe, weil seine fünfjährige Amtszeit im vergangenen Jahr abgelaufen sei. Die ukrainische Führung betont dagegen, dass wegen des Kriegsrechts keine Wahlen abgehalten werden dürften und Selenskyj weiter alle Machtbefugnisse habe. In Putins Russland waren auch schon vor dem Großangriff auf die Ukraine im Februar 2022 keine freien Wahlen möglich.

Putin sprach sich am Rande des Internationalen Wirtschaftsforums in seiner Heimatstadt St. Petersburg auch für eine Fortsetzung der direkten Verhandlungen zwischen Moskau und Kyjiw aus. Die in diesem Jahr zweimal in Istanbul unter Vermittlung der türkischen Regierung geführten Gespräche sollten nach dem 22. Juni fortgesetzt werden. Die jüngsten Treffen hätten auf humanitärem Gebiet Ergebnisse gebracht, sagte Putin – darunter den Austausch von Gefangenen und gefallenen Soldaten.

„Wir haben schon 500 Leute übergeben, 400 haben wir zurückbekommen“, sagte Putin über den Anfang Juni in Istanbul vereinbarten und weiter laufenden Austausch von 1.200 Gefangenen. In den vergangenen Tagen hatten die Kriegsparteien immer wieder Austausche gemeldet, allerdings keine Zahlen genannt. Freigelassen werden auf beiden Seiten Soldaten im Alter von unter 25 Jahren, Schwerverletzte und Schwerkranke.

Gespräch auch mit Merz denkbar

Putin erklärte sich auch zu einem Gespräch mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bereit – wenn dieser den Kontakt zu ihm suchen sollte. „Wir sind immer dafür offen“, sagte Putin in St. Petersburg. Gleichzeitig warnte der Kremlchef vor einem „sehr schweren Schaden“ für die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland, falls die Bundesregierung den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine liefern sollte.

Putin äußerte sich erstmals öffentlich über Merz, seit dieser im Mai zum Kanzler gewählt worden ist. Merz hatte seit seinem Amtsantritt bisher keinen Kontakt zu Putin, forderte den Kremlchef aber wiederholt in Reden und auch bei einem Besuch in Kyjiw zu einer Waffenruhe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf – ohne Erfolg. Dem CDU-Vorsitzenden wird in Moskau vorgehalten, er sei auf Konfrontation mit Russland aus. Die deutsch-russischen Beziehungen sind auf einem Tiefpunkt.

Putin wollte auch nichts von Deutschland als Vermittler im Ukraine-Krieg wissen. Aus russischer Sicht sei die Bundesrepublik nicht neutral. Deutschland stehe auf der Seite der Ukraine, liefere Panzer und sei so an den Kampfhandlungen beteiligt, argumentierte Putin. „Nicht nur in der Ukraine, auch in Kursk – auf russischem Gebiet – war deutsche Technik im Einsatz.“

Angesprochen auf den Marschflugkörper Taurus warnte Putin vor einer Kriegsbeteiligung Deutschlands, falls die Bundesregierung den Ukrainern einen Einsatz der Waffe ermöglichen sollte. „Nur deutsche Offiziere können den Taurus lenken. Was heißt das? Dass Soldaten der Bundeswehr mit deutschen Waffen Schläge gegen Territorium Russlands führen.“ Allerdings zählt der Taurus auch in den Armeen Schwedens und Spaniens zum Arsenal, ohne dass deutsche Soldaten beteiligt wären.

Auf den Kriegsverlauf selbst hätten die Marschflugkörper nach Putins Worten keinen Einfluss, weil die russische Armee auf der gesamten Frontlinie die Initiative habe. „Die russischen Truppen haben strategische Vorteile in allen Richtungen. Unsere Streitkräfte greifen auf der gesamten Front an.“ Tatsächlich rücken die russischen Truppen in der Ostukraine vor, kleine Geländegewinne werden aber oft mit hohen Verlusten erkauft.

Putin leugnet Angriffe auf zivile Ziele

Gereizt reagierte der Kremlchef auf die Frage, wie seine Führung die israelischen Luftangriffe auf iranische Städte verurteilen könne, während Russlands Militär selbst viele Menschen bei Luftangriffen auf die Ukraine töte. „Wenn Ihre Journalisten gesehen hätten, wie unsere Raketen angeblich ganze Wohnviertel zerstören, hätten sie kaum davon erzählen können. Sie hätten es nicht überlebt.“ Russland greife nur militärische Ziele und Rüstungsfabriken an, behauptete Putin.

Demgegenüber stehen die verheerenden Schäden an der zivilen Infrastruktur in der Ukraine und die hohe Zahl getöteter Zivilisten in bald dreieinhalb Kriegsjahren. Erst in der Nacht auf Dienstag wurden wieder mindestens 28 Zivilisten bei einem russischen Luftangriff auf Kyjiw getötet, darunter allein 23 Bewohner und Bewohnerinnen eines Hochhauses.

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