Russland, Đoković und Kasachstan: Wenn die Linken überraschen

Tennis scheint total im Trend zu liegen. Außenministerin Baerbock setzt auf Dialog. Und der Linke Gerhard Trabert schockt mit Parallele zu NS-Zeit.

Portrait

Gerhard Trabert, Arzt und Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten Foto: Mattias Christ/imago images

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Trump will zurückkommen.

Und was wird besser in dieser?

Vielleicht wird er endemisch. Wobei „Herdendurchseuchung“ bei Trump schöner klingt.

Das NRW-Innenministerium deckt auf: Die „Montagsspaziergänge“ seien in Wahrheit Demonstrationen und es gebe Überlegungen, diese künftig auch als solche zu behandeln. Wird das die Teilnehmenden abschrecken?

Wenn eine Demo nicht angemeldet ist, ist das strafbar – langt jedoch nicht, die Demo aufzulösen. Das dankt sich ausgerechnet einem Verfassungsgerichtsurteil aus der Anti­atom-Ära. Apropos: Zuletzt gegen TTIP mobilisierten sich über 100.000, und an Themen ist ja kein Mangel: Wohnungsnot, Kinderarmut, Pflegenotstand, und täglich grüßt das Klimatier. Wollen wir nicht mal wieder? Jeder, der unfallfrei einen spinnerten Pappendeckel hochhält, wird derzeit von TV-Teams umstellt. Denen muss man doch mal wieder vernünftige Themen anbieten.

Die USA bieten Russland Abrüstungsgespräche an, Außenministerin Baerbock will kommenden Dienstag zum Antrittsbesuch nach Russland reisen und dort ihren Amtskollegen treffen. Wird westliche Diplomatie eine militärische Eskalation der Ukraine-Krise verhindern können?

In der Ukraine sind seit 2019 EU- und Nato-Mitgliedschaft Verfassungsziel. Das ist eine Zukunft, in der das „westliche Bündnis“ bis auf 800 Kilometer an Moskau heranrückt. Welche gelassene Reaktion erwarteten wir von Berlin, wenn der Russe bei Freiburg steht? In dieser Sicht ist das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine ein hoher Wert – neben anderen. Baerbocks moralisch hochwertige Bescheidsagekompetenz wird nicht über den Erfolg einer Mission entscheiden. Sondern das gute alte „walk a mile in my shoes“, zu Deutsch: ihre Schnellvergenscherung.

Es gab viel Brimborium um Tennisspieler Đoković. Warum interessiert es alle brennend?

„Ich bin ein Star, ich darf nicht rein“: schickes neues RTL-Format, während auch der „Dschungel“ diesmal von Aus­tralien nach Südafrika auswich. Die richtige Ekelprüfung kommt im Winter: Fußball-WM in Katar.

Deutschland will vorerst keine Rüstungsgüter nach Kasachstan mehr liefern. Reicht das, um die Lage zu entspannen?

Die Geste wiegt schwerer als die Ware: im Vorjahr vor allem Scharfschützengewehre, Pistolen und Munition für 2,2 Millionen Euro. Für den, der in die Mündung starrt, ist es trotzdem mehr als eine Geste.

Sat.1 bestätigt: Fernsehmoderator Jörg Pilawa wechselt von der ARD zum Privatsender. Er folgt damit den ehemaligen „Tagesschau“-Gesichtern Pinar Atalay, Jan Hofer und Linda Zervakis, die ebenfalls den Öffentlich-Rechtlichen den Rücken kehrten. Wieso kann der ÖRR seine Stars nicht halten?

Fragen Sie mich, wenn wirklich ein Star geht. Also Wirkungstreffer wie Marietta Slomka oder Caren Miosga es wären. Im journalistischen Bereich sind es bisher die, mit Verlaub, Edelreservisten. Nach Christiansen und Will gibt es keinen Automatismus mehr, irgendwann mit einer eigenen Talkshow belohnt zu werden. Entsprechend schlecht ist die Stimmung in der Warteschlange; entsprechend ansprechbar die KönnerInnen. Das ist neu, seit die Kommerziellen im Kampf gegen die Strea­ming-Dienste das Biotop „current affairs“ entdeckt haben. Im Showbereich ist „Wer moderiert eigentlich gerade wo?“ schon länger eine riskante Quizfrage.

Die Linken stellen einen eigenen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl auf. Steinmeiers zweite Amtszeit gilt durch Unterstützung von SPD, Grünen und CDU/CSU als gesichert. Wie finden Sie die Wahl des Mainzer Arzt und Professor für Sozialmedizin, Gerhard Trabert?

Trabert trägt Verdienstorden von Land und Bund für seine Arbeit mit Obdachlosen und Geflüchteten. Sein Hinweis, heute wisse man über das Elend der Flüchtlinge soviel wie damals über das der Juden, weist ihn als unbequem aus: Das macht richtig Gewissen. Kein schrulliger Linker und auch kein Charity-Schleimer. Die Linke nutzt, ohne Steinmeiers Wiederwahl zu gefährden, die Kandidatur ideal. So was Schlaues ist man von denen derzeit nicht gewohnt.

Und was machen die Borussen?

Meine Tochter bekam ihr Abi-Zeugnis im Westfalenstadion überreicht und wollte sich Samstag dort impfen lassen. Impfbude hatte aber noch zu. Soviel aus dem Leben einer Dortmunderin, die sich ausdrücklich nicht für Fußball interessiert.

Fragen: Nele Sophie Karsten

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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