Russischer Umweltaktivist: Druck auf Faeser in Fall Dolgov
Der russische Umweltaktivist Roman Dolgov wurde nach Schweden abgeschoben. Nun protestiert auch die sächsische SPD gegen die Entscheidung.
Hier leben Dolgovs Sohn und seine Lebensgefährtin, hier war er integriert. Er hatte an einem Gymnasium im sächsischen Erzgebirge ukrainische Schüler in Willkommensklassen in der englischen Sprache unterrichtet. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wollte sich zu dem Thema nicht äußern. Sein Ministerium nehme zu Einzelfällen grundsätzlich keine Stellung, hieß es.
Dolgov hatte 2013 gemeinsam mit anderen Greenpeace-Aktivisten mit dem Schiff „Artic Sunrise“ friedlich gegen die Zerstörung der Arktis durch Ölbohrungen der russischen Firma Gazprom protestiert. Der Protest wurde durch ein russisches Einsatzkommando gewaltsam beendet und Dolgov kam in Haft. Eingesperrt in einem Metallkäfig musste er sich vor einem Gericht verantworten. Auf internationalen Druck kam er nach zwei Monaten Haft wieder frei.
Er arbeitete danach für Greenpeace in Deutschland und anschließend für die Organisation Internationale Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges IPPNW pendelnd zwischen Russland, Deutschland und Schweden. Bis Ende 2021. Da war sein russischer Pass abgelaufen, er bekam keinen neuen.
Kritik auch von der Linken
Als Dolgov im Mai 2022 unerwartet doch einen neuen Pass erhielt, beantragte der von Haft und Einberufung bedrohte Dissident Visa für mehrere EU-Staaten. In der deutschen Botschaft musste er Monate auf einen Termin warten. Schweden war schneller, sodass er mit einem schwedischen Schengen-Visum nach Deutschland zu seiner Familie reiste, die seit Jahren im Erzgebirge wohnt.
Als das Visum abgelaufen war, wurde Dolgov auf das Asylverfahren verwiesen, um nicht nach Russland abgeschoben zu werden. Ein Aufnahmeprogramm für russische Kriegsgegner gab es da noch nicht. Wegen des schwedischen Touristenvisums sah das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zuständigkeit für das Asylverfahren aber in Schweden.
„Das mag formal richtig sein, inhaltlich ist es falsch“, sagt Leo Matthias Waltermann, der Anwalt von Dolgov, der taz. Um der Familieneinheit willen solle sich Deutschland für zuständig erklären. Waltermann klage darum für seinen Mandanten, die Klage ist noch offen. „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die örtliche Landesdirektion haben dem Gericht mitgeteilt, sie hätten Herrn Dolgov erfolgreich nach Schweden überstellt. Mir wurde nahegelegt, die Klage zurückzunehmen. Aber das tue ich nicht. Herr Dolgov vermisst seinen Sohn.“
Die linke sächsische Abgeordnete Juliane Nagel kritisiert, dass Bundesamt und Landesdirektion nicht die Entscheidung des Gerichtes abgewartet hatten, bevor sie Dolgov abschoben. „Der Fehler liegt im System des Dublinverfahrens. Es ist politisch geboten, einen russischen Kriegsgegner und Dissidenten nach Deutschland zurückzuholen, statt ihn in Europa hin und her zu schieben.“ Auch die sächsische SPD sowie Greenpeace und die IPPNW fordern seine Wiedereinreise.
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