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Russischer Popstar MonetochkaSie vergießt keine Tränen für die alte Heimat

Der russische Popstar Monetochka lebt im Exil und engagiert sich gegen den Krieg. In Russland entfalten ihre Songs enorme Wirkung. Nun geht sie auf Tour.

Eine Erscheinung: Monetochka im November 2023 vor einem Konzert in Zürich Foto: Marvin Zilm/NYT/Redux/laif

Monetochka – „Münzlein“ – ist der Künstlername der Russin Jelisaweta Gyrdymowa im Wortsinn übersetzt. Die 27-jährige Singer-Songwriterin mit der hohen, sanften Stimme zählt zu den berühmtesten Mu­si­ke­r:in­nen ihres Landes. Aber sie lebt im litauischen Exil, da sie sich nach Beginn der Großinvasion in die Ukraine im Februar 2022 auf ihren Social-Media-Konten, in ihren Songtexten und bei Konzerten auf der Bühne offen gegen die russische Aggression positionierte.

Im ersten Kriegsjahr veranstaltete sie gemeinsam mit dem Rapper Noize MC die Konzertreihe „Voices of Peace“. Dabei wirkte auch ihr Mann, der Produzent Witja Isajew, mit. Die Künst­le­r:in­nen sammelten mit ihren Auftritten in verschiedenen europäischen Städten Geld für ukrainische Geflüchtete.

In einer Erklärung schrieben Monetochka und Noize MC damals, sie sähen es nicht nur als ihre Pflicht an, ihre Ablehnung des von der russischen Führung um Machthaber Putin entfesselten Krieges zum Ausdruck zu bringen, sondern auch denjenigen zu helfen, deren Leben dadurch zerstört wurde.

Unbeschwert und aufrichtig

Monetochkas Markenzeichen, der Schlüssel zu ihrer Beliebtheit, ist ihre unbeschwerte, aufrichtige Art. Zwar sind feenartige Kostüme Bestandteil der farbenfrohen Inszenierung auf der Bühne, zugleich gibt sie sich aber stets nahbar – mit Mut zum Unperfekten und immer mit einem Augenzwinkern.

Monetochka – live in Deutschland

Monetochka live: 23. 11. 2025, Docks, Hamburg; 24. 11. 2025, Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf; 26. 11. 2025, Uber Eats Hall, Berlin

„Mama hat ein Geheimnis“, heißt etwa einer ihrer supercatchy Songs. Im Videoclip schiebt sie, warm eingepackt in einen dicken Schal und große Kopfhörer tragend, einen Kinderwagen durch die Straße. Es geht im Text um Mütter wie sie, bekannte russische Frauen, die den Mut hatten, gegen den Kreml zu protestieren und dafür nun die Konsequenzen tragen.

Sie zahlen einen hohen Preis. Seit Anfang 2023 ist auch Monetochka in ihrem Heimatland als sogenannte „ausländische Agentin“ gebrandmarkt. Ein Etikett, das politisch aktive Organisationen und Personen in Russland einschüchtern soll und jedem verpasst werden kann, der unter einem vermeintlichen „ausländischen Einfluss“ steht. Dass das bei ihr nicht fruchtet, zeigte schon ihre Reaktion: Sie kommentierte die entsprechende Einstufung als „ausländische Agentin“ auf ihrem Telegram-Account nur mit einem ironischen „oh yes!!!“

In Abwesenheit verurteilt

Da sie ihren Content in den sozialen Medien nicht mit dem laut russischem Gesetz notwendigen Vermerk „ausländischer Agent“ markierte, leiteten die Strafbehörden vor einem Jahr ein Verfahren gegen sie ein: Monetochka wurde sogar zur Fahndung ausgeschrieben. Ende Oktober nun hat sie ein Moskauer Gericht „in Abwesenheit“ verurteilt. Das bedeutet, dass ihr bei einer Rückkehr nach Russland die unverzügliche Verhaftung droht.

Doch von den Repressionen in ihrem Heimatland lässt sie sich nicht beirren und ist aktuell auf Welttournee. In diesem Rahmen gastiert sie jetzt auch in Deutschland. Zu ihren Konzerten kommen vor allem Exil­rus­s:in­nen sowie Fans aus postsowjetischen Ländern. Laut der Sängerin reisen manche der überwiegend jungen Fans extra aus Russland an. Auch diese erreicht sie massenhaft mit ihrer Musik.

Einer der beliebtesten Songs ihres neuesten Albums „Gebete. Anekdoten. Trinksprüche“ (2024) dreht sich ums Exil: „Eto bylo w Rossii“ (Das war in Russland). „Ich erinnere mich, wie es nieselte, als ich aus dem Kino kam. / Das war in Russland, also ist es schon lange her. / Das war in Russland, also war es ein Traum. / Einen Traum kann man nicht stehlen. / Er bleibt mir erhalten.“

Warme Nostalgie

Im Interview mit dem russischen Exilmedium Meduza sagte Monetochka, viele Fans hätten die Intention des Songs missverstanden, man solle beim Hören keine Tränen vergießen. Sie trauere der Heimat nicht mehr hinterher, diese Emotionen habe sie mittlerweile in warme Nostalgie verwandelt: „Es war, als hätte ich aufgehört, mit diesen Erinnerungen rumzurennen, und sie schließlich wie eine schöne Statuette auf ein Regal in meinem neuen Zuhause gestellt.“ Sie habe endlich gelernt, ein neues Leben zu führen, und wolle diese Erfahrung mit anderen Menschen teilen.

Ein anderer bekannter Monetochka-Song heißt „Du bist ein Soldat“. Im Text bringt die Künstlerin ihre Weigerung zum Ausdruck, am russischen Krieg und am Kriegskult teilzunehmen. Sie versucht, ihr Gegenüber, einen russischen Soldaten, von ihrer Haltung zu überzeugen: „Du bist ein Soldat, und in welchem Krieg du auch immer kämpfst /Verzeih, ich werde auf der anderen Seite stehen.“ Die poppig gesungenen Zeilen untermalt Monetochka mit einer schlichten, von ihr selbst gespielten, eingängigen Keyboardmelodie.

Es waren solche Lieder „ausländischer Agenten“, welche die 18-jährige Musikerin Naoko und ihre Band Stoptime bei Straßenkonzerten in Sankt Petersburg spielten und kürzlich ins Gefängnis brachten. Andere Mu­si­ke­r:In­nen in verschiedenen russischen Städten schlossen sich dem musikalischen Protest an. Auch aus dem Exil entfalten Monetochkas Kompositionen enorme Wirkung.

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