Russische Truppen bei Cherson: Denkmäler, Frauen und Kinder zuerst
Viele Ukrainer werten die Evakuierung aus Cherson als Zeichen des russischen Rückzugs. Doch Militärs warnen vor einer Truppenaufstockung.
Minutiös und dabei euphorisch listet das russische Verteidigungsministerium die von den russischen Besatzungstruppen getöteten ukrainischen Militärs auf seinem Telegram-Kanal auf. 25 Soldaten habe man am Sonntag im Gebiet Kupjansk getötet, heißt es am Montag, 20 im Gebiet Liman, 25 im Gebiet Donezk und 80 im Gebiet Mykolajew und Kriwij Rih. Am Dienstag meldet das russische Verteidigungsministerium dann 30 getötete Ukrainer im Gebiet Kupjansk, 120 im Gebiet Liman und 130 im Gebiet Nikolajew und Kriwij Rih.
Noch gnadenloser gibt sich Ramsan Kadyrow in einer Audiobotschaft auf seinem Telegram-Kanal. Nun gelte es, zitiert das ukrainische Internet-Portal strana.news den Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, als Reaktion auf die Angriffe auf russische Städte ukrainische Städte dem Erdboden gleich zu machen.
„Unsere Antwort ist […] nun ja, meiner Meinung nach eine schwache Antwort. Wenn eine Granate in unserer Richtung, in unserer Region landet, müssen wir die Städte vom Angesicht der Erde tilgen, damit wir den fernen Horizont sehen können, damit die verstehen, und sie in Zukunft nicht einmal mehr daran denken, in unsere Richtung zu schießen“.
Trotz all dieser siegreichen Töne aus Russland scheint der Kreml derzeit keine Gebietsgewinne zu verzeichnen. Vielmehr verkauft es der Telegram-Kanal des russischen Verteidigungsministeriums als Erfolg, wenn es gelingt, Rückeroberungsversuche der Ukraine zurückzuschlagen.
Denkmal „in Sicherheit gebracht“
Es ist wohl Ironie der Geschichte, dass die russischen Besatzer in Cherson das Denkmal des Feldherrn und Generalissimus Alexander Suworow, der in der Zeit des russisch-türkischen Krieges das Chersoner Korps geführt hatte, abgebaut haben. Nicht einmal die Ukrainer hatten sich getraut, das Denkmal dieses russischen Feldherrn zu schleifen.
Man habe das Denkmal in Sicherheit gebracht, zitiert die russische Nachrichtenagentur Tass den von den Besatzern eingesetzten stellvertretenden Gouverneur des Gebietes Cherson, Kirill Stremousow. Sobald kein Beschuss der Stadt mehr zu befürchten sei, werde man das Denkmal wieder an seinen Platz zurückbringen, so Stremousow.
Während viele den Abbau des Suworow-Denkmals und die anhaltende Evakuierung der Bevölkerung von Cherson in russisches Hinterland als Anzeichen eines geplanten russischen Rückzuges aus Cherson werten, warnt Kirill Budanow, Chef des Militärgeheimdienstes, vor falschen Hoffnungen. Tatsächlich würden die Russen ihre Truppen in Cherson aufstocken, sagte er.
Der Abzug der russischen Promsvyazbank aus Cherson, die Evakuierung wichtiger Server, von Behörden, die Verlegung von Verletzten von Krankenhäusern von Cherson in andere Städte, erweckten zuletzt die Illusion, dass man Cherson schon aufgegeben habe. „Gleichzeitig werden dort neue Militäreinheiten stationiert und die Straßen der Stadt für die Verteidigung vorbereitet“, zitiert strana.news Budanow.
Sogar Kinder haben die russischen Truppen aus Cherson und aus den von Russland kontrollierten Gebieten nahe der Stadt Saporischschja „evakuiert“. 1.939 Kinder im Alter von 6 bis 18 Jahren sind ohne warme Kleidung und warme Schuhe auf die besetzte Krim deportiert worden, berichtet das „Krimtatarische Ressourcenzentrum“. Nun seien die Kinder dort in Yevpatoriya untergebracht. Die Besatzer, so das Ressourcenzentrum, hätten die Bevölkerung aufgerufen, Kleider und Schuhe für die Kinder zu sammeln.
Unterdessen werden in Kiew die Bestimmungen für Einberufungen in den Krieg verschärft. Allen Wehrpflichtigen müssen „Powistkas“ zugestellt werden, befahl der obersten Militärkommissar von Kiew, Yuriy Maksymiv. Powistkas – das sind entweder Erfassungen bei den Wehrbehörden, Entsendungen zu Militärübungen oder Einberufungen direkt an die Front. Man brauche derzeit dringend zusätzliches Personal, so Maksymiv gegenüber dem ukrainischen Sender TSN. Wer sich vor der Wehrpflicht drückt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen.
Bei einer Audienz bei Papst Franziskus hatte der französische Präsident Emmanuel Macron diesen gebeten, Wladimir Putin, Patriarch Kyrill und Joe Biden anzurufen, um eine Beilegung des Krieges herbeizuführen, berichtet das Magazin Le Point.
Derweil hat der Netzbetreiber in allen Regionen der Ukraine Stromabschaltungen angekündigt. Damit solle das Energiesystem stabilisiert und die Belastung der Stromnetze verringert werden.
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