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Russische Propaganda für KinderIdeologie im Sandkasten

In Russland wird jetzt auch Kinderfernsehen zur ideologischen Waffe. Wie Russland seine Jüngsten mit Propaganda füttert – auch in Zeichentrickform.

Russland setzt mit der Gehirnwäsche früh an: Screenshot einer Kindersendung des Ideologen Solowjow Foto: SolovyovLive Screenshot

Moskautaz | Wie putzig er doch daherkommt! Blaue Kulleraugen, blondes Haar, helle Pausbäckchen. Er trägt einen Judoanzug und hat einen Plüschbären zu seiner Rechten und ein Spielzeugschiff zu seiner Linken. Putin, der Niedliche. In dieser bizarren Form soll Russlands Präsident als süße – und sehr vernünftig wirkende – Animationsfigur bereits den Kleinsten in Russland „Geopolitik gleich der Muttermilch“ erklären.

Neben sich mal Trump und Macron, mal Erdoğan und Kim, mal Xi, Merz, von der Leyen, Meloni oder Selenskyj, ebenfalls in Zeichentrickform. Die Westler stolpern herum, verheddern sich, machen sich stets zutiefst lächerlich.

„Politisches Bewusstsein fängt im Windelalter an“, das sagt Russlands Extrem-Talker Wladimir Solowjow. Und: „Der Patriotismus muss bereits den Kleinsten anerzogen werden, schon vor der Grundschule. Lasst uns Kinderfernsehen neu denken!“

Solowjow, der Kreml-Propagandist, hat das Kinderfernsehen im Einklang mit Russlands Indoktrinationsmaschine, die alles Zweifelnde, Kritische, Vielfältige niederwalzt, nun offenbar neu gedacht. Herausgekommen ist „Pessotschniza“, der „Sandkasten“ für die Vernebelung von Kinderhirnen. „Nachrichten, bevor die Kleinen anfangen, Mama zu sagen“, heißt das beim 61-jährigen ausgebildeten Hüt­ten­ingenieur, der es wie kaum ein anderer im Land beherrscht, sich nach dem Wind zu drehen, der in Russland weht.

Er war einst in der Wirtschaft aktiv, auch in den USA, dann beim liberalen Radio in Moskau, nun ist er praktisch täglich auf Sendung, im Radio, im Fernsehen, auf RuTube und YouTube.

Hier brüllt er gern wie ein Berserker über die „westlichen Satanisten, die mittels der Ukraine versuchen, Russland zu zerstören“ und ruft öfter zu „regelwidrigen Lösungen“ auf, die für den „russischen Sieg genau das Richtige“ seien.

Das „friedfertige Russland“

Wie Beschwörungssitzungen wirken seine Sendungen im hell ausgeleuchteten Studio, wo auch seine Gäste in ähnlich verhasstem Ton Standardfloskeln vom „friedfertigen Russland“ und dem „verrohten Westen“ vor sich her raunen.

Beim Projekt SolowjowKids, wo alle zwei Wochen eine neue „Pessotschniza“-Folge erscheint, ist die Machart eine andere. Fast schon lieblich kommen die Sandkastenspiele daher. Der Inhalt aber ist derselbe: Hier das liebe, besonnene Russland, dort der böse, dumpfe Westen. Trump, mit Haartolle und im Anzug, hockt in einem vergoldeten Zimmer und popelt in der Nase herum, Kim spielt mit einer Rakete, ­Selenskyj wälzt sich im Dreck und schielt nach Bonbons.

Es soll leicht wirken und die Kleinsten auf wenigen Minuten davon überzeugen, wie feindlich der Westen sei, wie lächerlich sich westliche Politiker benähmen und wie perfekt Russland alles meistere. Demokratie? „Ein komisches Ding.“ Verträge? „An Regeln hält sich niemand.“

In den Augen von Solowjow ist das „Politik für alle, die noch Milchzähne haben“. Die Trump-Figur macht dabei, was sie will, während alle anderen um sie herum scharwenzeln und auf die Knie gehen. Hier wird das offizielle Narrativ des Kreml in bunte Farben verpackt und mit herzig dreinblickenden Animationsfiguren ausgestattet.

Letztlich ein kluges System, um seine Ziele zu erreichen: jeden im Land zum loyalen Untertan zu formen. Die Kleinsten können sich, da sie sich nicht vorstellen können, dass Erwachsene ihnen Böses wollen, von der Gehirnwäsche kaum lösen. Das, was ihnen in jungen Jahren eingeflößt wird, begleitet sie in den meisten Fällen auch als Erwachsene weiter.

Das haben etliche Universitätsuntersuchungen, über Jahre hinweg, nachgewiesen. Kinder tragen die Ideologie stärker und tiefer in sich weiter als Erwachsene, die ihnen diese Ideologie nahegebracht haben. Auch dann noch, wenn die Ideologie sich eines Tages als fragwürdig herausstellt.

Mehr als eine Million Kinder marschieren mit

Die „patriotische Erziehung“ ist seit Jahren ein fester Bestandteil in Schule und Freizeit im Land. Da ist zum Einen die „Junarmija“, die 2016 auf Putins Erlass hin gegründete Jugendarmee, in der junge Menschen lernen sollen, „Russland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen“, wie es der damalige Verteidigungsminister Sergei Schoigu bei der Gründung sagte.

Bereits mit acht Jahren werden Mädchen wie Jungen hier aufgenommen, manchmal treten ganze Klassen bei, von Armeeangehörigen und Be­am­t*in­nen wird zuweilen erwartet, dass sie ihren Nachwuchs in der Organisation anmelden. Mehr als eine Million Kinder marschiert mittlerweile bei der „Junarmija“ mit.

Zum anderen lernen bereits Dritt­kläss­le­r*in­nen seit bald drei Jahren im Schulfach „Gespräche über Wichtiges“, welch „großes Glück“ es sei, „für die Heimat zu sterben“. „Ideologische Erziehungsarbeit“ ist, wie bereits zu Sowjetzeiten, wieder Teil des Schulstoffs.

Dazu gehören das montägliche Hissen der Fahne und das Singen der russischen Hymne, aber auch Geschichtsunterricht ab der ersten Klasse. „Gespräche über Wichtiges“ werden nun auch sukzessive in den Kindergärten eingeführt.

Denn die „grundlegenden Werte“ und das „Konzept des Vaterlandes“, so sagte es Putin bei einer Veranstaltung im vergangenen Jahr, müssten bereits Vorschulkindern beigebracht werden.

Zeichentrickfilme haben es da noch leichter, den Jüngsten Propaganda in verdaulichen Häppchen nahezubringen. Nicht nur Solowjow tritt da in Erscheinung, auch das einst sowjetische Kinostudio Sojusmultfilm prescht mit Ideen vor: Im bekannten sowjetischen Zeichentrickfilm „Die drei aus Prostokwaschino“ über den Jungen namens „Onkel Fjodor“, der mit Hund Scharik und Kater Matroskin von zu Hause auszieht – 2018 neu auferlegt –, soll bald ein animierter Putin zu Besuch kommen.

Die Chefin von Sojusmultfilm ist hochauf begeistert über ihren Clou: „Matroskin und Putin wären ein wunderbares Duo.“ Wie putzig!

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6 Kommentare

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  • Sieht aus wie Baby Gollem bevor er an den Ring kam. Dieses Bild hat so etwas verleitendes sich darüber lustig zu machen, das ich mich doch wundere das Putin das durchgehen lässt.



    Wird wohl langsam senil auf seine alten Tage.

  • In unseren ÖRR-Kindernachrichten passiert das gleiche, nur dass eben die gegenteilige Sichtweise vermittelt wird. So weit, so normal.

    "Letztlich ein kluges System, um seine Ziele zu erreichen: jeden im Land zum loyalen Untertan zu formen."

    Das Ziel jeder Regierung? Alles andere ist doch Heuchelei...

    • @Petzi Worpelt:

      Die "gegenteilige Sichtweise" ist objektiv die moralisch bessere.

      Denn Putins Russland ist objektiv ein faschistoider Mafiastaat, der seine Nachbarn angreift, seine eigenen Bürger entmündigt und unterdrückt und überall in der Welt Chaos und Instabilität stiftet.

      Was soll diese False Balance? Wenn alles irgendwie gleich ist, ist auch nichts mehr schlimm - auch Putins Russland nicht. Dann ist Demokratie gleich Diktatur und Frieden gleich Krieg, nach dem Motto: "Wer kann schon sagen, was besser ist?"

  • Wir wissen noch aus unserer Großelterngeneration, dass solche Gehirnwäsche zunächst blind fanatisch und dann vor allem unfähig macht, sich auf neue Verhältnisse einzustellen. Da gab es in Deutschland einen klaren Unterschied der Jahrgänge 1910 bis 1920 und 1920 bis 1940. Es könnte für Russland am Ende eher eine Belastung als eine Hilfe sein.

  • Krank. Einfach nur krank.

  • Da bevorzuge ich doch, Russland mit Störsendern anzugreifen, in denen Kinder lernen, was Demokratie ist oder Menschenrechte, bevor deren Gehirne unwiederbringlich verloren sind. Die Sendung mit der Maus mit russischen Untertiteln auf deren Frequenzen, geht das nicht, dann einfach mit schwarzem Bild.