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Russische Opfer im Ukraine-KriegMehr als 47.000 Soldaten gestorben

Offizielle Angaben zu Opfern in der russischen Armee gibt es nicht. Die unabhängigen Medien „Meduza“ und „Mediazona“ haben sie nun berechnet.

Ein ukrainischer Soldat feuert in der Region Donezk auf russische Stellungen Foto: LIBKOS/AP/dpa

Berlin taz | Die Zahl der im Ukraine-Krieg gestorbenen russischen Soldaten liegt offenbar weitaus höher als bekannt. Das zeigt eine gemeinsame Recherche der unabhängigen russischen Medien, Meduza und Mediazona, die am Montag veröffentlicht wurde. Demnach sind bereits mindestens 50.000 russische Soldaten gestorben.

Der staatliche Statistikdienst Rosstat wurde in Russland eingestellt. Offizielle Angaben über Todesopfer in der russischen Armee werden seit September 2022 nicht mehr bekannt. Um mehr Klarheit in dieser dunklen Ziffer zu schaffen, haben Meduza und Mediazona Informationen aus dem sogenannten Register für Erbschaftsfälle untersucht, in dem die Erbschaftsanträge russischer Bürger gesammelt werden. Die Zahl dieser Anträge wurde mit den Sterbezahlen der Vorjahre verglichen, um die sogenannte Übersterblichkeit zu berechnen.

Das ist eine Methode, die weltweit auch während der COVID-19-Pandemie verwendet wurde oder zur Berechnung von Hitzetoten. Gibt es während einer Krankheitswelle unerwartet viele Tote, ist anzunehmen, dass sie dem Erreger erlegen sind. Gibt es während eines Krieges mehr Tote, als aufgrund der Vorjahre erwartbar gewesen wäre, ist anzunehmen, dass sie Opfer des Krieges wurden. So konnten die Todeszahlen berechnet werden.

Die Schlussfolgerungen der zwei russischen Medien wurden anschließend durch eine statistische Analyse des unabhängigen Soziologen Dmitriy Kobak überprüft. Kobak forscht in Wahlstatistiken und Übersterblichkeit an der Universität Tübingen. Er legt seinen Berechnungen die offiziellen Mortalitätsdaten für 2022 zugrunde, die ihm von Rosstat auf offizielle Anfrage zur Verfügung gestellt wurden. Beide Teile der Recherche wurden unabhängig voneinander durchgeführt.

Informationen über mindestens 27.000 Todesopfer

Man kann vorsichtig davon ausgehen, dass bis Ende Mai 2023 insgesamt etwa 150.000 Menschen gestorben sind

„Es besteht kein Zweifel daran, dass das russische Verteidigungsministerium über genaue Informationen zu den Opfern verfügt“, schreibt Meduza in seiner Recherche. Das letzte Mal hat sich die Behörde am 21. September 2022 dazu geäußert – am Tag der von Putin angeordneten Teilmobilisierung. Damals gab das Ministerium bekannt, dass 5.937 russische Soldaten getötet worden seien.

Seitdem war eine von unabhängigen zivilen Freiwilligen in Zusammenarbeit mit Journalisten von Mediazona und dem BBC Russian Service zusammengestellte Datenbank die einzige öffentliche und dennoch zuverlässige Quelle über Todesopfer beim russischen Militär. Dabei handelt es sich um eine Liste verstorbener russischer Soldaten, deren Namen öffentlich wurden – in erster Linie in sozialen Netzwerken, wo Angehörige und Freunde Nachrufe veröffentlichen, aber auch auf Friedhöfen.

Diese Datenbank enthält inzwischen Informationen über fast 27.000 Opfer. Allerdings haben viele Familien Angst, etwas über ihre Toten öffentlich zu sagen. Ihnen droht Strafverfolgung durch die Sicherheitsbehörde. Hinzu kommt, dass seit Herbst 2022 ein großer Teil der russischen Kämpfer in Gefangenschaft ist.

Nach der Recherche von Meduza und Mediazona im Register für Erbschaftsfälle erschließt sich, dass in den Altersgruppen zwischen 15 und 49 Ende 2022 insgesamt etwa 25.000 mehr männliche Todesfälle verzeichnet wurden, als ohne Krieg erwartbar gewesen wären. Bis zum 27. Mai dieses Jahres liegen Daten vor, und bis dahin beträgt die Gesamtzahl der Todesfälle mindestens 47.000.

Kein öffentliches Register für Vermisste in Russland

In Russland ist es unmöglich, eine grobe Schätzung der Zahl der im Krieg vermissten Personen zu machen. Im Gegensatz zur Ukraine, wo im Juni dieses Jahres 23.000 vermisste Bürger verzeichnet waren, wurde in der Russischen Föderation kein öffentliches Register der Vermissten eingerichtet.

Viele verstorbene russische Militärangehörige, deren Leichen nicht gefunden und/oder der Russischen Föderation übergeben wurden, sind bis vor kurzem fast nie in die zivile Sterblichkeitsstatistik aufgenommen worden. Denn die Standesämter haben keine Bescheinigungen über ihren Tod ausgestellt, Rosstat hat sie nicht in seinen Statistiken gezählt und ihre Spuren sind nicht im Register für Erbschaftsfälle enthalten. Aus diesem Grund fällt es besonders schwer, weitere Informationen über Vermisste, Gefangenen oder Verwundete zu sammeln.

Insgesamt dürfte die Zahl der Kriegsopfer in Russland noch deutlich höher liegen als die jetzt von Meduza und Mediazona errechneten 47.000. Laut den beiden Medien „kann man vorsichtig davon ausgehen, dass bis Ende Mai 2023 insgesamt etwa 150.000 Menschen ums Leben gekommen sind“. Diese Zahl umfasst sowohl getötete oder an Verwundungen verstorbene Soldaten als auch solche, die aufgrund von schweren Verwundungen aus der Armee entlassen wurden. Vermisste und gefangene Russen sowie ukrainische Bürger, die in den Einheiten der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk kämpfen, sind in dieser Zahl nicht enthalten.

Eine ausführliche Erklärung aller Schritte der jeweiligen Recherchen und die damit verbundenen Problemen und Schwierigkeiten können Sie hier (russischer Text) oder hier (englischer Text) lesen. Die detaillierten Grafiken der Recherche von Meduza und Mediazona finden Sie hier (russischer Text).

Meduza ist eine zweisprachige Internetzeitung mit Sitz in Riga, Lettland, die im Oktober 2014 als Exilmedium gegründet wurde.

Mediazona ist ein russisches unabhängiges Medienunternehmen, das sich auf die anti-putinistische Opposition konzentriert. Gegründet wurde die Plattform und von Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa, Mitbegründer der Protestgruppe und Band Pussy Riot.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Gestorben - das klingt nach "friedlich eingeschlafen" . . .nicht nach "von Kugeln durchsiebt."

  • Wer stirbt für Putin?



    Offensichtlich sind die Unterschiede!



    Das hatte auch der Anführer der Wagner-Rebellion schon bemerkt.



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    ""Die Jugend der wohlhabenden und mit dem Staat verbandelten Eliten aus Moskau und Sankt Petersburg lässt man nicht sterben auf den Schlachtfeldern", hatte Joachim Weber, Sicherheits- und Russland-Experte von der Universität Bonn, schon im vergangenen Sommer im ntv-Podcast "Wieder was gelernt" analysiert. "Man holt sich die, die aus russischer Sicht im Grunde Hilfsvölker sind."



    Militär lockt Freiwillige aus der Armut



    "Die demografische Lage, die ausgeprägte Einstellung zum Militärdienst, die große Anzahl von Militäreinheiten in diesen Regionen, die niedrigen Löhne und die hohe Arbeitslosenquote tragen dazu bei, dass die Armee vor allem für junge Männer attraktiv ist", analysiert Mediazona."



    //



    www.n-tv.de/politi...ticle24241532.html



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    und weiter:



    "Das Militär lockt mit einem vergleichsweise hohen Gehalt viele Freiwillige aus den ärmsten Regionen Russlands an. In manchen Fällen würden sogar Eltern regelrecht geködert und übten dann Druck auf ihre Kinder aus, hat Experte Weber berichtet. "Dann wird gesagt: Komm, du gehst freiwillig. So funktioniert dieses System. Und im Ergebnis kriegen die Baschkiren die Särge zu Hunderten zurück."



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    Gnadenloses Regime mit (Ver)Führung in und aus Moskau - das gab es schon früher

  • Ja, wir sollten mitfühlen mit den Russen. Die Ukrainer sind verbittert, sicher zu Recht. Doch in der Not hält man zusammen. Russen müssen für Russland kämpfen. Wir müssen schon heute an die Zeit nach dem Konflikt denken. Wie lässt sich wieder Vertrauen aufbauen?

  • Mal etwas zum Sprachgebrauch. An der Front werden Soldaten zerfetzt, erschossen, erstochen, zerquetscht und verbrannt. Der Euphemismus dafür ist "fallen". Es sind also mehr als 47.000 Soldaten "gefallen." Verstorben wird im heimatlichen Bett im Kreise der Familie. Verstorben wirkt auf verharmlosend. Bin ich der Einzjge, der das so sieht?

  • Historiker*innen ziehen heutzutage öfter hier (s.u.) Vergleiche, auch wegen der Verluste und Kräfteverhältnisse: Winterkrieg gegen Finnland.



    "Die russischen Angaben sind zu hinterfragen", da hat sich nicht viel geändert.



    Die Motivation und Resilienz der Finn*innen war bemerkenswert, die ausländische Unterstützung durch Freiwillige oder Nachbarstaaten gering.



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    "Offiziell verloren rund 24 000 Soldaten und etwa 1000 Zivilisten auf finnischer Seite ihr Leben, 44 000 Menschen wurden in Kämpfen verwundet. Daneben verließen mehr als 400 000 Finnen nach den im Friedensvertrag vereinbarten Annexionen ihre Heimat und gingen nach Westen über die Grenze. Die Sowjets bezifferten ihre eigenen Verluste auf 49 000. Möglicherweise waren es deutlich mehr.



    Ob Stalin ganz Finnland besetzen und einen Vasallenstaat errichten wollte, wird bis heute ebenso kontrovers diskutiert wie die Frage, ob es für die Finnen besser gewesen wäre, auf die im Oktober 1939 gestellten Forderungen einzugehen."



    //



    Quelle:



    www.spektrum.de/ne...t-vorkommt/2003956

  • Erneutes Fiasko:



    //



    Und hier (s.u.) waren die Verluste anfangs gering und erst später hoch, als die technische Ausrüstung des Gegners die Überlegenheit durchbrechen konnte.



    //



    SPIEGEL 2019



    "Sowjetische Invasion in Afghanistan 1979 Das Vietnam der Russen



    /



    Einmarsch, kommunistisches Regime einsetzen, schnell wieder raus - das war im Dezember 1979 der Plan der Sowjetunion in Afghanistan. Die Supermacht erlebte ein tödliches Fiasko.



    "Wie einst den Amerikanern in Vietnam dämmerte den Russen in Afghanistan, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen war. 1986 nannte Michail Gorbatschow das Engagement in Afghanistan eine "blutende Wunde", die geschlossen werden müsse. Der neue Parteichef der KPdSU leitete den Rückzug ein.



    /



    Am 15. Februar 1989 überschritt General Boris Gromow als letzter Soldat der Invasionsarmee die "Brücke der Freundschaft" zwischen Afghanistan und Usbekistan. Für den verlorenen Krieg hatte Moskau rund 85 Milliarden Dollar ausgegeben. Offiziell waren 15.000 Sowjetsoldaten gestorben. Moskaus Versuch, ein Land aus der Feudalzeit in den Sozialismus zu führen, kostete eine Million Menschenleben, über tausend Dörfer wurden zerstört, fünf Millionen Afghanen flüchteten in Nachbarländer."



    Von Hans Hielscher



    27.12.2019, 13.27 Uhr

  • Ich vermute 150.000 bezieht sich auf "casualties", ist ein wenig verschachtelt formuliert aber das sind Tote, Verwundete, Desertierte, Vermisste und Gefangene. DPR und LPR haben dann ebenfalls nochmals hohe Verluste(1). Entsprechend sind die 200.000 die die Ukraine annimmt "ausgeschaltet" zu haben nicht ganz unrealistisch. Und die russische Führung bewegt sich keinen Zentimeter weg von ihren Kriegszielen, das russische Volk rebelliert nicht. Schlechte Aussichten auf Frieden, wichtig ist Waffen und Munitionsproduktion ankurbeln damit die Ukraine mehr auf Feuerkraft als auf menschliche Angriffe Setzten kann und die eigenen Verluste begrenzen kann.

    1. novayagazeta.eu/am...glorious-losses-en

  • Bitte setzen Sie sich nochmal mit dem Originalartikel auseinander. Wie fast überall werden Verluste mit Getöteten vermischt/ gleichgesetzt: „dass bis Ende Mai 2023 insgesamt etwa 150.000 Menschen ums Leben gekommen sind“. Diese Zahl umfasst sowohl getötete oder an Verwundungen verstorbene Soldaten als auch solche, die aufgrund von schweren Verwundungen aus der Armee entlassen wurden.“ Dem original Artikel ist noch ein anderer interessanter Fakt zu entnehmen: in Friedenszeiten sterben 3x mehr Männer in RuSSland zwischen 20 und 24 als Frauen. Toxische Männlichkeit gefährdet anscheinend hier mehr Männer als Frauen