Russische NGO „Memorial“: Gericht lehnt Klage der Regierung ab
Die russische Regierung hatte aus formalen Gründen die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ angeklagt. Die Klage wurde nun vom Obersten Gerichtshof abgelehnt.
MOSKAU kna | Der Oberste Gerichtshof Russlands hat die zwangsweise Auflösung des Dachverbands der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ abgelehnt. Russischen Medienberichten zufolge wiesen die Richter am Mittwoch in Moskau eine Klage des Justizministeriums gegen die Organisation ab. Das Ministerium hatte „Memorial“ vorgeworfen, der Status der Regionalgruppen innerhalb des Dachverbands verstoße gegen das Gesetz.
Eine Vertreterin des Ministeriums erklärte nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass vor Gericht, der Dachverband habe seine Satzungsmängel inzwischen zwar vollständig behoben. Die entsprechenden Dokumente seien aber zu spät vorgelegt worden, so dass die Klage aufrechterhalten werde.
Die Menschenrechtsorganisation sieht sich als Opfer einer politischen Kampagne der Regierung. „Memorial“ erforscht Verbrechen des kommunistischen Regimes und wendet sich auch gegen aktuelle Menschenrechtsverletzungen.
Zuletzt verurteilte die Organisation den mutmaßlichen Befehl des Oberhaupts der selbsternannten ostukrainischen „Volksrepublik Donezk“, Alexander Sachartschenko, bei den Kämpfen mit ukrainischen Regierungstruppen keine Gefangene zu machen. Eine solche Anordnung stelle ein „Kriegsverbrechen“ dar, so die Menschenrechtler. „Für diese Verbrechen wird Russland mitverantwortlich sein, weil die hochrangigsten russischen Politiker die Separatisten offen unterstützen“, erklärte „Memorial“ am Wochenende.
In einem weiteren Prozess klagt das Moskauer Menschenrechtszentrum von „Memorial“ gegen die Einstufung als „ausländischer Agent“ durch das Justizministerium. Für Mitte Februar ist eine Verhandlung vor einem Moskauer Gericht angesetzt.
Das russische Recht sieht die Eintragung in die Rote Liste vor, wenn Nichtregierungsorganisationen finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten und politisch aktiv sind. Die Folge sind unter anderem strengere Auflagen und mehr Kontrollen. Vor wenigen Wochen nahm das Ministerium auch das Jekaterinburger „Memorial“-Zentrum in das Register „ausländischer Agenten“ auf. Das Vorgehen der russischen Regierung gegen die Menschenrechtsorganisation stieß international auf Kritik.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell