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Russische Atomraketen in BelarusAuftrumpfen aus Schwäche

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Russlands Ankündigung, Atomwaffen in Belarus zu stationieren, ist nur eine Drohgebärde. Man kann das gar als Zeichen der Schwäche deuten.

Man kann die Atomwaffen in Belarus auch als Zeichen der russischen Schwäche deuten Foto: dpa

P utins Ankündigung, russische Atomwaffen in Belarus zu stationieren, ist geostrategisch von geringer Bedeutung. Sie ändert weder an der Kriegsdynamik in der Ukraine noch an der atomaren Bedrohung von Nato-Staaten durch Russland viel.

Mit Atomraketen könnte Russland die Ukraine auch jetzt schon beschießen; und Belarus ist zwar ein direkter Nato-Nachbar an der polnischen Ostgrenze, aber die russischen Atomraketen in der Exklave Kaliningrad stehen noch viel tiefer innerhalb des Nato-Gebiets. Insofern ist die Belarus-Ankündigung eine der üblichen Putin-Drohgebärden, die nur auf den ersten Blick Angst machen muss.

Außenpolitisch hingegen wäre ein russisches Atomarsenal in Belarus von erheblicher Tragweite. 1994, wenige Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion, hatten sich Belarus und die Ukraine im Budapester Memorandum verpflichtet, ihre Atomwaffenarsenale aus sowjetischer Zeit an Russland zu übergeben, im Gegenzug für die russische Anerkennung ihrer Souveränität und ihrer Außengrenzen, mit den USA und Großbritannien als Garantiemächten.

Mit seinen Kriegen gegen die Ukraine seit 2014 hat Russland bereits die Anerkennung aufgehoben. Nun wird in Belarus der atomwaffenfreie Status endgültig begraben – der nächste Baustein in Putins Plan einer Rückkehr zur sowjetischen Raumordnung in Europa. Moskaus Wunschvorstellung ist klar: Belarus und die Ukraine existieren entweder als Vasallenstaaten – oder sie existieren überhaupt nicht.

Krampfhaftes Festhalten an Belarus

Man kann das aber auch als Zeichen der Schwäche deuten: Russland hält umso krampfhafter an Belarus fest, je mehr es sich darauf einstellt, den Krieg in der Ukraine zu verlieren. Aus der befürchteten russischen Winteroffensive wurde nichts außer ein starrsinniges Festbeißen an Bachmut.

Eine ukrainische Gegenoffensive naht, gestützt auf der frischen westlichen Aufrüstung. Schon gibt es Berichte von russischen Evakuierungen aus der Krim. Und nun baut Russland Belarus zur atomaren Festung aus und will sich dort einigeln. Bis zum 1. Juli sollen die Atomraketendepots in Belarus fertig sein. Vielleicht, weil zugleich die Ukraine frei sein wird?

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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12 Kommentare

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  • Was in dem Artikel fehlt: Noch vor weniger als einer Woche haben Xi und Putin eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie sich gegen die Weitergabe von Atomwaffen aussprechen, dagegen, dass Atommächte solche Waffen außerhalb ihres Staatsgebiets stationieren, und alle Staaten, die solche Waffen in anderen Staaten stationiert haben, aufgerufen, diese zurückholen.



    Und keine Woche später so was. Entsprechend vergrätzt zeigen sich die Chinesen heute.



    Überdies ist Putins Mitteilung, das geplante Atomwaffendepot in Belarus sei zum 1. Juli 2023 fertig gebaut und bezugsbereit, wohl eine reine Behauptung, die nicht den Tatsachen entspricht.

  • Ähm..



    Es geht um taktische Atomwaffen. Was zu erwarten war weil der Westen die Ukraine massiv unterstützt. Und wieder wird eine neue Eskalationstufe erreicht.

    • @Nicht sicher!:

      "Und wieder wird eine neue Eskalationstufe erreicht."



      Und wer eskaliert? Na?



      a) "der Westen"



      b) Russland



      Die richtige Antwort findet sich im nächsten Atombunker.

    • @Nicht sicher!:

      Die niedrigste Eskalationsstufe ist nach Ihrer Logik die, alles zu glauben, was Putin verlautbart und alles zu tun, was er gerne hätte. Also z. B. auch NATO raus aus Baltikum und Polen und ein großrussisches Reich von Wladi...bis Lissabon.

    • @Nicht sicher!:

      Na und? Russland kann auch von den jetzigen Atomraketen Standorten aus schon die ganze Welt zerstören. Es ist also vollkommen egal wo die Dinger stehen. Die USA können 3x die ganze Welt zerstören, Nordkorea kann vermutlich die halbe Welt sprengen, Indien kann definitiv die halbe Welt zerstören usw. Das ist reine Theorie.

      • @Eva Kern:

        Es scheint das einige Leute noch nicht wissen was der Unterschied zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen ist. Taktische Atoomwaffen=14 Leo's weg, strategische Atomwaffen ganze Städte weg. Und ja ich weiss er hatte auch vorher mit Strategischen gedroht bzw. eine Stationierung, die näher an den Westen liegt.



        Die Frage ist wie reagiert der Westen auf den Einsatz von taktischen Atomwaffen auf dem Gebiet der Ukraine?

  • Kaliningrad ist ein gutes Stichwort. Glaube es ist genau ein Jahr her als Russland damit "drohte", Kernwaffen dorthin zu bringen. Das hatte bereits für viel Kopfschütteln gesorgt, aber so schnell wie's vergessen wird kann keiner mehr schütteln. Dann macht es Sinn die Platte einmal im Jahr neu aufzulegen. Moskau hat nicht mehr die große Setlist, aber solange im Westen immer noch verlässlich ein paar mitswingen wenn die alten Fetenhits donnern, würde ich das nicht mal als Schwäche auslegen. Soviel muss man aus sowenig mal machen. Die Erwartungshaltung seiner Fans, insbesondere auch im Ausland, ist auch jedem DJ bekannt, irgendwann müssen die Signature-Dinger kommen. Hier die unbedingt regelmäßig zu ventilierende (russische!) "Atomrakete"; als Chiffre und letztverbleibende Bastion der für so manche offenbar unantastbaren Vorstellung eines allmächtigen Russlands.

    • @Tanz in den Mai:

      Genau so ist es.

  • Ein weiterer Schritt im Pokerspiel? Ärgert sich Putin darüber, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine weitergehen, obwohl er des öfteren mit seinen Atomraketen gewunken hat? Will er sie noch einmal ins Rampenlicht rücken in der Hoffnung, dass der Westen aber diesmal vor Angst einen Rückzieher macht?



    Will er damit Weißrussland quasi-besetzen, weil er Sorge hat, dass es dem Beispiel der Ukraine folgt?



    Fragen über Fragen - aber nichts was Anlass zur Hoffnung auf einen konstruktivem Beitrag Russland gibt.

  • Ist doch ganz egal, ob aus Schwäche oder einfach, weil sie es können. Man, sprich die Regierungen, müssen das bzw. Russland ernst nehmen, d.h. au Deeskalation mittels Diplomatie setzen - evtl. mit Hilfe von Drittstaaten.

    • @resto:

      Was glauben Sie dass hunderte Diplomaten aus aller Welt tun, jeden Tag den ganzen Tag seit Tag Eins der Invasion? Was glauben Sie dass Erdogan tut? China? Indien? Kasachstan? Usw. Allesamt Staaten die Russland nicht sanktionieren, sich nicht an offiziellen Verurteilungsresolutonsbeschlußpapieren beteiligen und in engem Kontakt mit Russlands Führung stehen. Es gibt da gute persönliche Beziehungen, die weiterhin bestehen. Was meinen Sie, dass Erdogan bei seinen Telefonaten mit Putin bespricht, das Wetter?!

  • Ja, zur Zeit ist das vielleicht Schwäche. Wenn Putin oder seine Nachfahren aus seinem fruchtbaren Schoß wieder mehr imperiale Power erlangt haben, wird das aber ganz anders aussehen. Es genügt sogar ein Wahlsieg von Trump ( oder von einem Trump-Atavar), damit dieser Move eine ganz andere Gewichtung zugunsten Russlands bekommt.