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Russische AKW-Gegner vor GerichtSchauprozess gegen Ecodefense

Russlands bekannteste AKW-Gegner sollen bestraft werden. Der Anlass ist vermutlich eine Aktion gegen das in Kaliningrad geplante Atomkraftwerk.

AKW-Baustelle bei Kaliningrad (Archivbild von 2013). Bild: imago/itar-tass

BERLIN taz | Russlands bekannteste Anti-AKW-Gruppe steht ab Montag in Kaliningrad vor Gericht. Der Gruppe Ecodefense wird vom russischen Justizministerium vorgeworfen, sich wider besseres Wissen nicht in die Liste der „ausländischen Agenten“ eingetragen zu haben. Bei einer Verurteilung droht den Umweltschützern „nur“ eine Geldbuße in Höhe von 16.000 Euro.

Doch der Schaden könnte viel größer sein, glaubt Wladimir Sliwjak, der Sprecher der Gruppe. Er fürchtet eine Art Prangerwirkung. Laut einem 2012 verabschiedeten Gesetz über Nichtregierungsorganisationen müssen sich Vereinigungen, die für ihre politische Arbeit Geld aus dem Ausland erhalten, in eine Liste mit „ausländischen Agenten“ eintragen.

Ende Juli hatte das Justizministerium fünf NGOs benannt, darunter so bekannte Vereinigungen wie das Menschenrechtszentrum Memorial, das sich um die Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit bemüht.

Keine der NGOs hat sich bislang bereit erklärt, sich selbst zum „ausländischen Agenten“ zu erklären. „Wie sollen wir überhaupt noch mit Bürgern und Behörden arbeiten, wenn auf jedem unserer Briefköpfe, Broschüren und Materialien die Bezeichnung ’ausländischer Agent‘ zu finden ist?“, begründet die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina die Weigerung.

„Wir arbeiten überhaupt nicht politisch. Wer sich mit den Folgen von Tschernobyl und Fukushima beschäftigt, wer gegen neue Atomkraftwerke kämpft, der macht nicht politische, sondern ökologische Arbeit“, sagt Sliwjak von Ecodefense. Die Umweltschützer wundern sich, wie schnell das Justizministerium das Verfahren in Kaliningrad angestrengt hat.

Offensichtlich wolle man die AKW-Gegner für ihre Aktionen gegen das in Kaliningrad geplante Atomkraftwerk abstrafen. Druck aus der Bevölkerung und Aktionen von Umweltschützern wie Ecodefense hatten dazu geführt, dass der Bau des baltischen Atomkraftwerks im Juni vergangenen Jahres gestoppt wurde. Bei einer Überprüfung hätten Behördenvertreter gezielt nach Unterlagen zu den Aktivitäten rund um das AKW gefragt.

Ecodefense hat runde Tische, Mahnwachen, eine Umfrage organisiert. Dabei kam auch heraus, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung von Kaliningrad gegen das AKW ist.

Plötzlich eilt es nicht mehr

#Nachdem das russische Justizministerium Ecodefense schriftlich mitgeteilt hatte, dass man die Organisation in die Liste „ausländischer Agenten“ eingetragen habe, klagte die Gruppe vor Gericht gegen diese Entscheidung. Doch bei der Klage war von dem Gericht offenbar nur noch wenig Eile zu spüren. Noch immer habe man keine Antwort auf die gegen das Justizministerium eingereichte Beschwerde erhalten, berichtet Sliwjak.

Die zahlenmäßig kleine Umweltgruppe Ecodefense hat sich in den letzten Jahren durch ihre Protestaktionen viele Freunde in der internationalen Anti-AKW-Bewegung gemacht – und gleichzeitig viele Feinde zu Hause. In enger Zusammenarbeit mit Anti-Atom-Gruppen aus dem Münsterland hatte man gegen Atomtransporte aus der Urananreicherungsanlage in Gronau nach Russland gekämpft. Dieser deutsch-russischen Kooperation ist zu verdanken, dass die Transporte von abgereichertem Uran 2009 eingestellt wurden.

Zwischen 1996 und 2009 hatte der Betreiber der Urananreicherungsanlage im nordrheinwestfälischen Gronau, die Firma Urenco, etwa 27.000 Tonnen abgereicherten Urans nach Russland geliefert, wo es unter offenem Himmel gelagert wird. Immer noch findet ein reger Austausch von Ecodefense und deutschen Atomkraftgegnern statt. Regelmäßig treten Vertreter von Ecodefense auf Aktionen, Veranstaltungen und Kongressen bundesdeutscher Umweltorganisationen auf.

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22 Kommentare

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  • Nach dem entsprechenden russischen Gesetz müssen sich diejenigen NGOs als "ausländische Agenten" einstufen lassen, die erstens Geld aus dem Ausland erhalten und zweitens politisch tätig sind. Zum ersten Punkt fand ich im Netz lediglich die Aussage, "Ecodefense" würde Geld von einer deutschen Stiftung erhalten. Aha. Vielleicht hätte der Autor für seinen Aufsatz einmal recherchieren können, welche Stiftung das ist, und wieviel Geld da fließt? Denn wenn z.B. neue medizinische Studie publiziert wird, müssen die Beteiligten auch angeben, von welchem Pharmakonzern sie Geld erhalten haben....

    Beim zweiten Punkt, der "politischen Tätigkeit", stellt sich "Ecodefense" natürlich bewußt naiv, wenn sie behauptet, ihre Tätigkeit wäre nicht politisch, sondern "ökologisch". Natürlich ist gerade der Kampf gegen die Nutzung der Kernkraft, noch dazu in Rußland, hochgradig politisch sensibel.

    Das von vielen kritisierte Gesetz zu den NGOs hat freilich auch den Hintergrund, daß sich die russische Führung in letzter Konsequenz einen Maidan im eigenen Haus ersparen will. Aber gerade im Hinblick auf Umweltgruppen muß man natürlich auch sagen, daß wie schon zu sowjetischen Zeiten auch im heutigen Rußland massive Umweltverstöße begangen werden, und es ist gut, daß es Aktivisten gibt, die darauf hinweisen und dagegen kämpfen. Daß dies nicht leicht ist, erleben ja auch in Deutschland die AKW-Gegner, wenn es wieder mal ein Treffen mit der Polizei gibt...

    • @Der_Peter:

      Ob Ecodefense Geld aus dem Ausland bekommt, weil Finanzierung aus Russland nunmal sehr schwierig ist, oder nicht, ist doch letztlich völlig egal. Geld aus dem Ausland ist lediglich die Rechtsgrundlage nach der die Umweltgruppe verfolgt wird. Wichtig ist, dass Ecodefense! seit 25 Jahren die Rechte der russischen Bevölkerung vertritt und lediglich eigene aber keien fremden Interessen verfolgt. Als sie das AKW in Kaliningrad (mit) verhinderten, folgten sie auch durchaus den Wünschen der Bewohner_innen der Enklave, die kein AKW in ihrem "Vorgarten" wollten. Dass Arbeit zu Atomkraft immer politisch ist, würde ich allerdings auch sagen.

      • @die Katrin:

        Katrin, sooo weit liegen wir gar nicht auseinander. Über die Brücke, daß es egal ist, woher das Geld kommt, würde ich dennoch nicht gehen wollen. Transparenz läge auch im Interesse von Ecodefense selbst.

      • @die Katrin:

        "Ob Ecodefense Geld aus dem Ausland bekommt, weil Finanzierung aus Russland nunmal sehr schwierig ist, oder nicht, ist doch letztlich völlig egal."

         

        Ja, ja, wenn man taub und blind ist, wie fast alle politische Wohltäter aus Deutschland in Russland, dann ist alles völlig egal.

         

        Geld aus dem Ausland? Man könnte sogar sagen, dass dieses Geld der russischen Zivilgesellschaft einen ordentlichen Schaden zugefügt hat.

         

        Und manchmal kann man sogar denken, das tat man gezielt.

    • @Der_Peter:

      "Ecodefense" würde Geld von einer deutschen Stiftung erhalten."

      .....

       

      Man muss eine richtige Übersetzung machen)

       

      Ein Verein in Deutschland kämpft gegen die Windenergie, wird von einer russischen Stiftung finanziert, die eine gewisse politische Öffnung für einen Gazkonzern hat.

  • durch die Überschrift "Schauprozess" bin ich auf die neuesten Szenen der putinistischen Brutalität geil geworden - nächtliche Verhaftungen, Folter, Selbstbeschuldigungen und nackte Erschießungen in dem Block des Atomministeriums.

     

    Ich wurde vom Autor betrogen.

    • @Gregor Hecker:

      Und ich bin schwer enttäuscht von Ihnen und den zahlreichen anderen Damen und Herren, die ihren Russlandkritikallergiereflex bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit hier austoben zu müssen meinen. Bisher hat mir nämlich noch keineR von Ihnen den Link zu dem (ohne Zweifel existierenden) YouTube-Video zur Verfügung gestellt, auf dem man ganz klar sieht, wie Wladimir Wladimirowitsch übers Wasser läuft.

      • @HP Remmler:

        Putin ist halt einzigartig und läuft nicht übers Wasser, wie die anderen. Und das wäre auch langweilig. Irgendein Magier hat es vor kurzem gemacht in Paris, oder London.

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Was will uns der Autor damit sagen?

    Wieder eine der zahlreichen Anti-Russland Konditionierungen?

    • @9076 (Profil gelöscht):

      Was wollen Sie uns damit sagen?

      Wieder einer der zahlreichen reflexartigen Aufschreie, wenn etwas kritisch in Russland beleuchtet wird? Langsam wird es ähem "bizarr".

      • 9G
        9076 (Profil gelöscht)
        @Micha Mille:

        Ich vertrete vehement die Ansicht erst vor der eigenen Tür zu kehren, bevor man mit dem Zeigefinger auf andere zeigt- im medialen Sinne.

         

        Wir hier in Deutschland, in dieser VOLVO- Werbung in der wir leben, teilen die Welt in GUT&BÖSE ein. Ne, nicht mit mir.

        Auf Putin hab ich keinen Einfluss, ich lebe nicht in Russland, will ich auch nicht. Würde ich dort leben, hätte ich diesen hardliner ganz bestimmt nicht gewählt.

        • @9076 (Profil gelöscht):

          Und das ist jetzt für Sie Grund genug, russische Umweltschützer nicht unterstützenswert zu finden?

          • @sema:

            Hier hab ich übrigens ein schönes Beispiel dafür gefunden, welche Art von Propaganda Sie so bevorzugen:

            (Es geht um den Artikel: Faschisten in vorderster Front vom 20.08.)

            (Alexandra Dibelius):

            Ein starkes Stück Propaganda hab ich noch für euch. Die Doku trägt den Titel:

            "Justitias Ende - Ukraine: Klarheit im Vorhof zur Hölle "

             

            https://www.youtube....h?v=4K--rVYe01k

             

            macht euch ein eigenes Bild......

            Die Doku birgt so einiges an krassem Bildmaterial.

            .....

             

            Flux

            Donnerstag, 15:14

             

            @Alexandra Dibelius Ich will nicht alles in Abrede stellen. Die Art der Darbietung ist aber kontraproduktiv...

             

            Kaboom

            Donnerstag, 11:26

             

            @Alexandra Dibelius Das ist keine Doku, das ist ein Filmchen in dem der bekannte Verschwörungstheroretiker Sasek auftritt, und irgend welchen Nonsens behauptet. Mit Bildern deren Herkunft die nicht zu verifizieren ist. Mit Thesen die wirr bis total durchgeknallt sind.

             

            Alexandra Dibelius

            Donnerstag, 12:37

             

            @Kaboom ich finde es absolut legitim wenn Menschen ihre äußern, dass sie beim gegenwärtigen weltpolitischen Geschehen den Weltfrieden bedroht sehen. MFG, ALEXANDRA

            • 9G
              9076 (Profil gelöscht)
              @sema:

              Wenn wir in den nächsten Jahrzehnten weiterhin Frieden in Europa haben, werden sie recht gehabt haben....

               

              So, dass gehörte der vollständigkeithalber mit in den Kontext

            • @sema:

              Jetzt muss vielleicht noch angemerkt werden, dass bei obigem Beispiel Alexandra Dibelius diejenige ist, die das Propagandafilmchen eines Sektenpredigers (eben zu diesem Zweck, Propaganda) verlinkt hatte. Darunter sind die Antworten anderer Kommentatoren, die letzte wiederum von Alexandra Dibelius.

              • 9G
                9076 (Profil gelöscht)
                @sema:

                Süß! Was wird das jetzt hier? Das ist ja wie im finstersten Mittelalter.

                ,,Da, ergreift die Hexe und verbrennt sie"! ,,Ab auf den Scheiterhaufen"

                 

                Hören, sie: Sasek- das wusste ich nicht- ist möglicherweise ein christlicher Spinner, davon distanziere ich mich.

                Auch der Vorwurf, dass er ein Sektenspacko sei, mag richtig sein.

                In weiten Teilen stimme ich seinen Äußerungen allerdings zu.

                Und das begründe ich damit:

                MEINUNGSFREIHEIT!!!!!!!!!!!!!!!!

              • 9G
                9076 (Profil gelöscht)
                @sema:

                was das in ihnen auszulösen scheint!

              • 9G
                9076 (Profil gelöscht)
                @sema:

                Interessant.

        • 9G
          9076 (Profil gelöscht)
          @9076 (Profil gelöscht):

          Aber was mir hier übel aufstösst kann ich kritisieren.....

          • @9076 (Profil gelöscht):

            Na klar. Ist auch gut so. Aber im ganzheitlichen Kontext erscheint ihre Position alles andere als neutral. Das hat mit "kehren vor der eigenen Tür" aus meiner bescheidenen Sicht nichts mehr zu tun.

            • 9G
              9076 (Profil gelöscht)
              @Micha Mille:

              interessant.

              • @9076 (Profil gelöscht):

                Wie wärs, wenn Sie sich mal an die eigene Nase fassen, Alexandra Dibelius?!