piwik no script img

Russisch in der UkraineKyjiw legt den Rückwärtsgang beim Sprachgesetz ein

Die Ukraine streicht Russisch doch nicht von der Europaratsliste zum Schutz von Minderheitensprachen. Der Schutz ist in der Verfassung festgeschrieben.

Nach wie vor geschützt: Russische Bücher in der Bibliothek der Dorfschule in Dolyna nach heftigen Kämpfen, 11. April 2024 Foto: Thomas Peter/reuters
Bernhard Clasen

Von

Bernhard Clasen aus Kyjiw

Die ukrainische Regierung will nun doch nicht Russisch von der Liste des Europarates zum Schutz von Minderheitensprachen streichen lassen. Dies berichtet das ukrainische Portal espreso.tv unter Berufung auf die stellvertretende Vorsitzende des Parlaments (Werchowna Rada) Olena Kondratiuk. Gegenüber espreso.tv hat sie bestätigt, dass die Regierung ihren eigenen Gesetzentwurf über Änderungen an der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wieder zurückgezogen hat.

Der Entwurf sah vor, die russische Sprache aus der Liste der in der Ukraine besonders geschützten Sprachen zu streichen. Kondratiuk fügte hinzu, dass der Schutz der russischen Sprache derzeit in der ukrainischen Verfassung verankert ist. Solange das Kriegsrecht gelte, so die Politikerin, sei eine Verfassungsänderung nicht möglich.

Während in der ukrainischen Öffentlichkeit gerätselt wird, was die Regierung nun bewogen haben könnte, ihren eigenen Gesetzentwurf zurückzuziehen, geraten sich zwei Personen des öffentlichen Lebens wegen dieses Gesetzentwurfs in die Haare. Beide sind für ihre konträren Positionen bekannt.

In der ukrainischen Öffentlichkeit wird gerätselt, was die Regierung zu diesem Schritt bewogen hat

Auf seiner Facebook-Seite kritisiert Victor Tregubov von der Bewegung Die demokratische Axt den Abgeordneten der Regierungspartei Diener des Volkes, Max Buschanski. Dieser lehnt das Zurückdrängen der russischen Sprache im öffentlichen Raum in der Ukraine ab.

Sprachschutz in der ukrainischen Verfassung garantiert

Eigentlich sei es etwas Trauriges, so Tregubov in einem öffentlichen Facebook-Post an Buschanski, dass sich dessen Haltung in der Sprachenfrage mit den Forderungen des Aggressorstaates decke. So eine Haltung sollte man sich nicht auch noch auf die Fahnen schreiben. Seine Haltung, erwiderte ihm daraufhin Buschanski ebenfalls auf Facebook, stimme voll mit der ukrainischen Verfassung überein.

Offensichtlich meint Buschanski den Artikel 10 der ukrainischen Verfassung, in dem es heißt, dass in der Ukraine die freie Entwicklung, der Gebrauch und der Schutz der russischen Sprache sowie der anderen Sprachen der nationalen Minderheiten der Ukraine vom Grundgesetz garantiert seien.

Krieg in der Ukraine

Mit dem Einmarsch im 24. Februar 2022 begann der groß angelegte russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Bereits im März 2014 erfolgte die Annexion der Krim, kurz darauf entbrannte der Konflikt in den ostukrainischen Gebieten.

➝ Mehr zum Thema Krieg in der Ukraine

Zudem glaube er nicht, dass Russlands Präsident Wladimir Putin eine Vorliebe für Russisch sprechende Ukrainer habe, so Buschanski. Putin lasse mit dem gleichen Vergnügen russisch- wie ukrainischsprachige Ukrainer töten. Das Einzige, was Putin wirklich interessiere, sei die Frage, wie viel Territorium in der Ukraine russische Truppen besetzen könnten.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare