Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien: Deutschlands Waffenbrüder
Trotz der Massenhinrichtung will die Bundesregierung weiter Waffen nach Saudi-Arabien liefern. Der Handel mit dem Tod ist ein gutes Geschäft.
Aus seinem Ministerium hieß es, man werde die aktuellen Entwicklungen vom vergangenen Wochenende berücksichtigen, wenn deutsche Rüstungsunternehmen das nächste Mal Geschäfte mit Saudi-Arabien anmelden.
Eine Reaktion, mit der die Regierung hinter Forderungen aus der Opposition zurückbleibt: Politiker aus den Reihen von Linkspartei und Grünen hatten sich zuvor dafür ausgesprochen, Waffenexporte an das Regime sofort zu stoppen. Einzelne Koalitionsabgeordnete schlossen sich ihnen an.
So sagte der Unionspolitiker Michael Hennrich der Rheinischen Post, ein „Moratorium bei den Waffenlieferungen wäre jetzt das richtige Signal“. Fraktionsvize Franz Josef Jung warnte dagegen, wer Handelsbeziehungen abbreche, würde Einflussmöglichkeiten aufgeben.
Michael Hennrich (CDU)
Vorerst wird die Bundesregierung also nicht mit der langen Tradition deutsch-saudischer Waffengeschäfte brechen. Rüstungsdeals mit Saudi-Arabien gehörten schon zu Zeiten der rot-grünen Koalition zu den profitabelsten Geschäften der deutschen Waffenindustrie.
Seit dem Amtsantritt von Angela Merkel vor zehn Jahren haben die Rüstungsgeschäfte mit Riad noch einmal deutlich zugenommen. Seitdem werden sie von der Bundesregierung nicht mehr nur mit wirtschaftlichen Interessen begründet, sondern auch mit der „sicherheitspolitischen Notwendigkeit“, wichtige Bündnispartner zu schützen und damit den Nahen und Mittleren Osten zu „stabilisieren“.
Schiffe, Panzer und Gewehre
Laut den jährlichen Rüstungsexportberichten der Bundesregierung erhielt Saudi-Arabien von 2001 bis 2014 Waffen im Gesamtwert von knapp 2,6 Milliarden Euro. Darunter waren Kriegsschiffe, Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, Feuerleiteinrichtungen, Gewehre und andere Kleinwaffen sowie Munition. Ausweislich dieser offiziellen Regierungsberichte war Deutschland damit hinter den USA wichtigster Rüstungslieferant für das Regime in Riad.
„Die Berichte der Bundesregierung verschleiern allerdings, dass die tatsächlichen Ausfuhren deutscher Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien noch höher liegen“, kritisierte Jürgen Grässlin, Leiter des Freiburger Rüstungsinformationsbüros. Zum Beispiel weise der Bericht für 2014 lediglich Exporte nach Saudi-Arabien im Wert von 208 Millionen Euro aus. Darin nicht enthalten seien aber wichtige, in Deutschland produzierte Bauteile für das von Riad bestellte Kampfflugzeug Eurofighter, ein deutsch-britisches Gemeinschaftsprojekt.
Die deutschen Bauteile wurden nach Großbritannien geliefert, wo der Eurofighter endmontiert und nach Saudi-Arabien ausgeliefert wurde. Im Bericht der Bundesregierung wird nur der Export der Bauteile nach Großbritannien aufgeführt. Dieser Umwegexport von Bauteilen für ein Kampfflugzeug steht auch im Widerspruch zur Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Gabriel, keine Ausfuhr von Kriegswaffen nach Saudi-Arabien mehr zu genehmigen.
Der Export solcher Waffen muss vom geheim tagenden Bundessicherheitsrat genehmigt werden. Ihm gehören neben der Bundeskanzlerin der Wirtschaftsminister und sechs weitere Fachminister an.
Nummer 3 der wichtigsten Abnehmer
Auch das Versprechen Gabriels, Rüstungsexporte in Krisenregionen und Länder mit schlechter Menschenrechtslage restriktiver zu handhaben, wurde mit Blick auf Saudi-Arabien nur teilweise erfüllt.
Zwar stoppte Gabriel Geschäfte mit Kleinwaffen und verhinderte vorläufig den Export der von Riad begehrten Leopard-II-Panzer. Doch nach einem relativen Rückgang im Jahr 2014 verdoppelten sich die Ausfuhren nach Saudi-Arabien allein im ersten Halbjahr 2015 und katapultierten das Land auf Platz 3 der wichtigsten Abnehmer der deutschen Waffenindustrie.
Hinzu kommen Rüstungsgüter im Wert von rund 178,7 Millionen Euro, deren Export nach Saudi-Arabien die Bundesregierung im gleichen Zeitraum genehmigte, darunter Geländefahrzeuge, Übungsdrohnen für das Training von Kampfpiloten sowie Teile für gepanzerte Fahrzeuge und Kampfflugzeuge.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“