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Rüstungsexporte an IsraelUnion uneins im Umgang mit Waffenlieferungen

Außenminister Wadephul stellt Rüstungsexporte an Israel infrage und bekommt Lob von CDU und SPD. CSU sieht Einhaltung der Staatsräson gefährdet.

Ein Blick über Israels Siedlungspolitik: Außenminister Wadephul beim Besuch der palästinensischen Gebiete Anfang Mai Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Wenn in dieser Woche der israelische Außenminister Gideon Sa’ar bei seinem Amtskollegen Johann Wadephul (CDU) zu Gast ist, wird es auch um Waffenlieferungen aus Deutschland ­gehen. Die Frage werde bei dem Treffen Thema sein, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Wadephul hatte zuletzt seine Kritik an der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen deutlich verschärft und eine Überprüfung der Waffen­lieferungen an Israel angekündigt. Damit hat er nun eine Debatte in der Union ausgelöst.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann lehnt jede Form von Sanktionen gegen Israel ab. „Freunde kann man kritisieren, aber nicht sanktionieren. Das wäre das Ende der Staatsräson gegenüber Israel, und das ist mit der CSU nicht zu machen“, sagte Hoffmann dem Spiegel. Der durch den Terrorangriff und die Geiselnahme der radikal-islamischen Palästinenser­organisation Hamas ausgelöste Gaza-Krieg dürfe „nicht dazu führen, dass Deutschland seinen Platz an der Seite Israels räumt“.

Das ist – wenn auch indirekt – eine deutliche Kritik an Wadephul. Dieser hatte in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung gesagt, es werde geprüft, „ob das, was im Gazastreifen geschieht, mit dem humanitären Völkerrecht in Einklang zu bringen ist“. Und weiter: „An dieser Prüfung ausgerichtet, werden wir gegebenenfalls weitere Waffenlieferungen genehmigen.“ Das Ergebnis dieser Prüfung könnte also auch anders ausfallen.

Große symbolische Bedeutung

Würde Deutschland aktuell keine Waffenlieferungen nach Israel mehr genehmigen, hätte dies vor allem eine große symbolische Bedeutung. Die Entscheidung fällt im Bundes­sicherheitsrat, einem geheim tagenden Gremium mit verschiedenen Kabinettsmitgliedern.

Der Außenminister trifft in seiner Israelpolitik den richtigen Ton

Jürgen Hardt (CDU), außenpolitischer Sprecher

Wie Wadephul hatte auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zuletzt seine Rhetorik gegenüber Israel deutlich verändert. In seiner Zeit als Oppositionspolitiker hatte Merz die Ampel noch für einen vermeintlichen Waffenlieferstopp an Israel scharf kritisiert, was der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vehement zurückwies. In der vergangenen Woche sagte Merz nun, wenn das humanitäre Völkerrecht gebrochen werde, müsse sich auch der Bundeskanzler dazu äußern.

Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), unterstützt Wadephul. „Der Bundesaußenminister trifft in seiner Israelpolitik den richtigen Ton. Solidarisch, aber nicht unkritisch, tut er alles, um den Kreis der Freunde Israels national wie international zu vergrößern“, sagte Hardt der taz.

Israels Recht auf Verteidigung

Unionsfraktionschef Jens Spahn betonte gegenüber der taz: „Die Genehmigung von Waffenlieferungen bewertet die Bundesregierung stets mit Bedacht und Verantwortung. Darüber stimmen wir uns in der Koalition eng ab.“ Für die CDU sei klar, dass Israel das Recht habe, sich zu verteidigen. Zugleich stehe die israelische Regierung in der Verantwortung, zügig eine wirkungsvolle Lieferung und Verteilung von Hilfsgütern zu ermöglichen.

Unterstützung erhielt Wadephul auch von der SPD. „Die Anerkennung illegaler Siedlungen ist nicht hinnehmbar, ebenso wenig wie die weiterhin dramatische humanitäre Lage im Gazastreifen“, so Vizefraktionschefin Siemtje Möller und der außenpolitische Sprecher Adis Ahmetović. „Vor diesem Hintergrund unterstützen wir den Vorstoß von Außenminister Wadephul.“ Dies solle zügig konkretisiert und gegebenenfalls durch europäische Maßnahmen ergänzt werden. Ob die rhetorischen Veränderungen in der CDU aber auch Folgen haben, ist offen.

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10 Kommentare

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  • Wir sind an einem spannenden Punkt der Diskussion angekommen.



    Selbst konservative öffentliche Stellungnahmen, die an der an Notwendigkeit deutscher Staatsräson gegenüber Israel festhalten, räumen ein, dass sich - angesichts der aktuellen Lage in Gaza - ein echtes Spannungsverhältnis zu den ebenfalls bindenden Verpflichtungen des Völkerrechts auftut.



    www.juwiss.de/66-2023/



    Man muss sich wohl tatsächlich entscheiden zwischen Völkerrecht und Staatsräson, wie der Forist @Peter Teubner hier schon anmerkte.



    Die Entscheidung bleibt aber Spielball der politischen Ansichten und der hin und her wohnenden Lobby-Interessen … wer sich durchsetzt, darüber entscheidet die „Überzeugungskraft“ der jeweiligen Lobby, nicht via besserer Argumente, sondern aufgrund der besseren öffentlich-medialen Vernetzung mit den politischen Entscheidungsträgern.

    • @Abdurchdiemitte:

      "Die Entscheidung bleibt aber Spielball der politischen Ansichten"... ich geb mal Prof. Dr. Kai Ambos wieder der sagte zu dem Thema das politische Erwägungen der Tod des Rechtstaates sind... oder man könnte hier auch sagen, der Tod des Völkerrechts sind. Ich persönlich sehe auch kein Spannungsverhältnis, das eine ist Gesetz, dem wir uns auch im Grundgesetz verpflichtet haben, das andere ein politisches Konstrukt ohne Rechtsgrundlage (wie ja auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages betonte)!

      • @Momo Bar:

        Das ist schon so korrekt, wie Sie es schildern und ich schließe mich an.



        Hilft aber nichts, wenn z.B. Merz weiterhin den festen Entschluss vertritt, er könne einem mit internationalen Strafbefehl gesuchten Netanyahu noch den roten Teppich ausrollen … ob seine jüngsten Äußerungen zu Waffenlieferungen da wohl eine (vorsichtige) Kehrtwende andeuten? Wir werden sehen.



        Wäre ja schön, wenn Deutschland der Staatsraison wegen nicht komplett aufs Völkerrecht pfeifen würde.



        Und es würde Deutschlands internationaler Reputation auch nicht schaden, in den Beziehungen zu Israel eine Neujustierung vorzunehmen - übrigens ganz ohne den zweifelhaften Begriff der Staatsraison (hat bis 2008 schließlich auch so funktioniert).

  • „Freunde kann man kritisieren, aber nicht sanktionieren." Doch wenn sie wiederholt gegen Völkerrecht verstoßen und das geschieht allein schon beim Siedlungsbau. Und dann muss man auch sagen, dass dieser Standpunkt bedeutet, dass die deutsche Staatsräson nicht nur über internationales Recht gestellt wird, sondern auch über die Rechte und das Leben von Palästinensern. Hier werden von deutschen Politikern mal wieder die Rechte einer Gruppe, über die einer anderen gestellt. Universellen Menschenrechten Fehlanzeige! Und ich stimme allen anderen Kommentatoren hier zu: von welchen Freunden reden wir- der rechten/ rechtsradikalen Regierung in Israel? Hier in Deutschland hat keine Diskussion zu dem IGH Gutachten stattgefunden und die Konsequenzen die daraus gezogen werden müssen. Auch die Argumente von @Jörg Heinrich werden unter Völkerrechtlern schwer diskutiert aber nicht in Deutschland, wie so vieles nicht. Man handelt hier nach einer Vorstellung von Israel die einem Wunschgedanken über das Land entspricht aber nicht der Realität, vor der man seit Jahren die Augen verschließt... meist auf Kosten der Palästinenser und derer in Israel die tatsächlich eine Zwei-Staaten-Lösung anstreben.

  • Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann, der anscheinend lieber internationales Recht bricht als den Staat Israel für seine Kriegsführung zur Verantwortung zu ziehen, sollte sich mal durchlesen was auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Staatsraison steht und nochmal nachdenken:



    „Staatsraison ist ein Prinzip, das die Interessen des Staates über alle anderen (partikularen oder individuellen) Interessen stellt. Nach diesem absolutistischen bzw. obrigkeitsstaatlichen Prinzip ist die Erhaltung der Macht, die Einheit und das Überleben des Staates ein Wert an sich und rechtfertigt letztlich den Einsatz aller Mittel, unabhängig von Moral oder Gesetz. Das Prinzip der Staatsraison wird heute noch von autoritären Regimen gepflegt..."



    www.bpb.de/kurz-kn...8278/staatsraison/

  • Mir läuft es kalt den Rücken runter wenn ich lesen dass demokratische rechtsstaaten Politiker davon reden in Israel mit Freunden zu besprechen. Es interessieren mich wirklich wer diesen Regierungsmitgliedern einfällt wenn sie von Freunden in der israelischen Regierung reden. BenGvir ein verurteilter Rechtsradikaler? Smotrich ein rechtsradikaler der Hunger als Waffen befürwortet oder Katz der beleidigt und Vertreibung ankündigt?



    Mir Rätsel wie man bei diesem Personal von Freunden reden kann in der CDU oder CSU. Freunde sind die Menschen in Israel denen gehört unsere uneingeschränkte Solidarität. Deutschlands Interesse sollte eine liberale israelische Gesellschaft sein. Diese Extremisten sind das Gegenteil. Mindestens die Hälfte der Kabinettsmitglieder kann mit den Worten Demokratie und Rechtsstaat ideologisch nichts anfangen. Erst recht nicht wenn sie öffentlich klar und unmissverständlich sagen was sie wollen. Vertreibung von 2 Mio Menschen und Annexion. Die Mittel Hunger und platt machen von Gaza. Gerade bei unserer Geschichte wissen wir was passiert lässt man demokratisch gewählte Rechtsradikale machen

  • Ein Hinweis zu Völkerrecht.

    Btr. Zitat:

    "Für die CDU sei klar, dass Israel das Recht habe, sich zu verteidigen."

    Das "Selbstverteidigungsrecht" völkerrechtlich so wie im Sinne des Artikel 51 UN-Charta im Falle eines bewaffneten Angriffs hat Israel im Fall Gaza nicht.

    Denn wie im Gutachten des ICJ (UN-Gerichtshof) von 2024 festgestellt ist der ganze Staat Palästina formal "israelisch besetztes Gebiet" -- Israel beansprucht auch die Rechte einer Besatzungsmacht für sich.

    Israel hat in diesem Fall keine "Selbstverteidiungsrecht des angegriffenen Staates" in dem Sinne wie das oft "kolpotiert" wird.

    Israel hat als "Besatzungsmacht" das Recht "Besatzungsrecht" mit Gewalt gegen "Aufständische" durchzusetzten, wie z.B. die USA 2006 in Faludscha im Irak.

    Aber auch diese Recht ist im konkrten Fall "eingeschränkt".



    Denn das ICJ-Gutchaten von 2024 kommt zu dem Schluss das die israelische Besatzung wegen Dauer und Völkerrechtsverstößen insgesamt "unrechtmäßig" ist.



    --> Israel muss die Besatzung laut ICJ "so schnell als möglich" beenden.

    P.S.: Ich habe das gut 80 Seiten ICJ-Gutachten gelesen.

    • @Jörg Heinrich:

      Und wenn man davon ausginge, dass der Gazastreifen nicht von Israel besetzt ist, dann liegt das Selbstverteidigungsrecht eher bei den Palästinensern, denn mit der Kontrolle der Küstengewässer und des Luftraums, mit Pufferzone und Blockade verletzt Israel seit Jahren die Souveränität der Palästinenser mit Waffengewalt.

  • Nun heisst es sich entscheiden, Staatsraison oder Völkerrecht, beides zusammen geht nicht mehr.

  • Zum Thema Staatsreason:

    Artikel 1 GG:

    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

    (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

    (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

    Artikel 25 GG:

    Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.