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Rüstungsexporte an IsraelNotwendige Grundsatzdiskussion

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Unter welchen Umständen sind Rüstungsexporte zulässig und geboten? Klärung jenseits von den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten ist angesagt.

Teile für den F-35 Kampfjet dürfen nicht mehr aus den Niederlanden nach Israel geliefert werden Foto: Belga/imago

S panien stoppt alle Rüstungsexporte nach Israel. Die belgische Region Wallonien, wo sich Belgiens Rüstungsschmieden befinden, hebt die bestehenden Exportlizenzen nach Israel auf. Und nun hat in den Niederlanden ein Gericht die Regierung angewiesen, die Genehmigung für geplante Lieferungen von Teilen des hypermodernen US-Kampfjets F35 nach Israel zu widerrufen.

Die Begründung ist überall ähnlich: Das Risiko, das mit den Rüstungsgütern Verbrechen begangen werden könnten, ist zu groß. Unterfüttert wird das mit der Feststellung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag vom 26. Januar, es bestünden hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht, dass Israel in Gaza einen Völkermord an den Palästinensern begeht.

Gemäß der geltenden EU-Regeln zum Rüstungsexport ist eine Ausfuhrgenehmigung zu verweigern, „wenn eindeutig das Risiko besteht, dass die Militärtechnologie oder die Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, verwendet werden, um schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu begehen“. Nach diesem Kriterium müssten alle Rüstungsexporte aus EU-Ländern nach Israel in der aktuellen Lage sofort beendet werden. Diese Forderung wird auch in Deutschland erhoben.

Die Bundesregierung lehnt das ab und verweist auf das Recht auf Selbstverteidigung sowie die besondere deutsche Verpflichtung gegenüber Israel. Beide Positionen haben gewichtige Argumente auf ihrer Seite. Eine politische Diskussion darüber findet in Deutschland allerdings nicht statt. Es gibt auch nicht den Versuch einer juristischen Klärung. Solange allein die Wiedergabe des Völkermordverdachts gegenüber Israel in Teilen der Politik als antisemitisch gebrandmarkt wird, dürfte eine offene Diskussion hierüber auch sehr schwierig sein.

Trotzdem ist sie unerlässlich – und zwar über den Fall Israel hinaus. Die Frage, unter welchen Umständen Rüstungsexporte zulässig und geboten sind, sollte jenseits von Einzelfällen diskutiert werden. Damit nicht auf unselige Ukrainedebatten ebenso unselige Israeldebatten folgen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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17 Kommentare

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  • Rüstungexporte sind immer dumm. Lieber die Waffen selbst behalten. Aus Freunden können Feinde werden. Jeder Staat kann zum Schurkenstaat werden.



    Aber darum geht es der Rüstungsindustrie auch nicht. Es geht ums Geschäft ,ähm Arbeitsplätze natürlich!

  • Ich hätte zwei einfache Regeln:



    1. In Friedenszeiten bekommen die Waffen, bei denen Rechtsstaat und Demokratie zumindest in den Grundsätzen halbwegs funktionieren. Ausnahmen können dort gemacht werden, wo die globale oder Deutschlands äußere Sicherheit bedroht ist.



    2. In Kriegszeiten bekommen die Waffen, die sich gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verteidigen müssen.

    • @Luftfahrer:

      Ein bißchen schwanger geht nicht. Nicht immer sind Kompromisse möglich. Die Naturgesetze können keine Kompromisse machen. Wenn wir versuchen, da gegen zu leben, werden wir aussterben.

    • @Luftfahrer:

      "... wo die globale oder Deutschlands äußere Sicherheit bedroht ist."

      Würde ich, wenn auch ungern, auf "Europa/EU" statt "Deutschland" ... erweitern.

      "... die sich gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verteidigen müssen."

      Hier würden dann "auch wieder" Juristen entscheiden, was nicht schlecht sein muss. Aber weniger Interpretationsspielräume, gerade in Rechtsräumen, fände ich besser.

      Für mich beispielsweise wurde mit dem 07.10. von der palästinensischen/Hamas-Seite ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg begonnen. Andere sehen die Handlungen am 07.10. als berechtigten Widerstand.

      • @*Sabine*:

        "Andere" kennen auch kein Corona, keinen Klimawandel und glauben, die Ukraine hätte Russland angegriffen.

  • Es ist ganz simpel: Rüstungsexport ist Außenpolitik, nicht Wirtschaftspolitik. Deshalb sollte die Exportkontrolle auch beim Außenministerium angesiedelt werden. Es geht um die Verteidigung deutscher Interessen. Das schließt beispielsweise die Belieferung eines islamistischen Regimes wie Saudi-Arabien aus.

  • "Gemäß der geltenden EU-Regeln zum Rüstungsexport ist eine Ausfuhrgenehmigung zu verweigern, „wenn eindeutig das Risiko besteht, dass die Militärtechnologie oder die Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, verwendet werden, um schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu begehen“."

    Und bei Israel fangen wir damit an, EU-Rüstungsexporte bzw. Ersatzteillieferungen einzustellen? Da hätte es in den vergangenen Jahren keine anderen Kandidaten gegeben?

    Ich bin sehr froh darüber, dass jüdische Bürger/Israel andere Freunde in dieser Welt haben. Ich hatte so sehr gehofft, der 07.10. hätte allen gezeigt, gegen welche Feinde jüdische Bürger/Israel kämpft und dass es um ihr Überleben geht. Jüdische Bürger/Israel nicht zu unterstützen hieße, dass die palästinensische/Hamas-Seite und arabische Staaten/Iran jüdische Bürger/Israel bis auf die letzte Frau, das letzte Kind auslöschen würden; auf welche Weise konnten wir am 07.10. sehen.

    In Anbetracht dessen, dass wir in Deutschland/Europa nicht willens oder befähigt sind, jüdische Menschen hier zu schützen, finde ich es verachtenswert, sie nun durch unterlassene Hilfen auch noch ihren Feinden in Nahost schutzlos ausliefern zu wollen.

    Ich hoffe sehr, dass zumindest die deutsche Regierung an ihrer Unterstützung der jüdischen Bürger/Israel festhält. Wenn Deutschland/Europa jüdische Bürger/Israel fallen lässt, ist das für mich persönlich der Versuch eines weiteren Holocaust. Noch perfider als in der NS-Zeit, weil dann alle so schön, mit Hinweis auf die Interpretation der Rechtslage, ihre Hände meinen in Unschuld waschen können.

    (Gegen rechts auf die Straße zu gehen, ändert in der moralischen Beurteilung meiner Meinung nach dann auch nicht mehr viel.)

    • @*Sabine*:

      Whataboutismen sind keine überzeugenden Argumente. Die Intensität der Bombenangriffe auf Gaza und die Todeszahlen sind beispiellos in der jüngeren Geschichte. Etwa 28.000 Palästinenser, darunter mehr als die Hälfte Kinder, sind durch israelische Angriffe gestorben, wahrscheinlich um einige mehr durch Hunger und Krankheit. Der fehlende Zugang zu sauberem Wasser wird wahrscheinlich zu einer extrem hohen Kindersterblichkeit in Gaza führen.



      Israel nimmt diese horrenden Opferzahlen zumindest billigend in Kauf, um die Hamas in Gaza zu besiegen, deren Köpfe in Katar und anderen Ländern sitzen.



      Die Aussagen zahlreicher Minister Israels legen durchaus den Verdacht nahe, dass dies sogar willkommen bis beabsichtig ist.

      Wir sind und sicher einig, dass Israel das Recht auf Selbstverteidigung hat, aber dass auch dieses Recht da an seine Grenzen kommt, wo es massive Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht gibt.



      Selbst die engsten Verbündeten rufen Israel ständig zur Wahrung des Völkerrechts auf. Wenn die Regierung Nethanjahus dafür taub bleibt, so ist es nur konsequent, sie in ihrem Handeln nicht auch noch zu unterstützen.

      • @Henne Solo:

        "Whataboutismen sind keine überzeugenden Argumente."

        Das ist richtig. Nur sehe ich diese, bitte verzeihen Sie mir, in meinem Beitrag nicht.



        Ist die Frage, weshalb "wir" in Bezug auf jüdische Bürger/Israel juristische Hürden sehen, aber bei Lieferungen an die Türkei (ich weiß, NATO), Saudi-Arabien und Andere nicht, bereits Whataboutismus?



        Ca. 40% unserer Waffenexporte gehen in den Nahen Osten, Israel wollen wir jetzt ausschließen?

        "Die Intensität der Bombenangriffe auf Gaza und die Todeszahlen sind beispiellos in der jüngeren Geschichte."

        Die Todeszahlen kommen von der Hamas genannt "palästinensische Gesundheitsbehörde". Es wird nicht unterschieden nach Kämpfern und Zivilisten. 20% der Gaza-eigenen Raketen fallen in Gaza selbst runter, womit meiner Meinung nach für 20% der Toten Gaza verantwortlich ist. Auch die freiwillige und unfreiwillige "Opferung (?)" der eigenen Bürger, indem sie als Schutzschilde genutzt werden, hat meiner Meinung nach eher die palästinensische/Hamas-Seite zu verantworten als die jüdische/Israel-Seite. Die Ablehnung des israelischen Vorschlags der Ausweisung von Schutzgebieten geht auf die Gegenseite zurück.



        Meiner Meinung nach hätte Israel, wenn es einen Völkermord begehen wollte, bessere Möglichkeiten und ich finde es anständig, dass Israel seine Soldaten dem hohen Risiko der Bodenoffensive aussetzt, statt mehr zu bombardieren.

        "... deren Köpfe in Katar und anderen Ländern sitzen."

        Ich hoffe sehr darauf, dass diese Leute in Katar und der Türkei gefasst und vor Gericht gestellt werden; es ist vermutlich davon auszugehen, dass daran bereits gearbeitet wird.

        "Die Aussagen zahlreicher Minister Israels legen durchaus den Verdacht nahe, dass dies sogar willkommen bis beabsichtig ist."

        Korrekt. Das kann ich nicht widerlegen, nur indem ich darauf verweise, dass es auch zahlreiche Minister Israels etc. gibt, die das Gegenteil versichern.

        "...wo es massive Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht gibt."

        Das entscheiden "irgendwann" nach K

        • @*Sabine*:

          'Ist die Frage, weshalb "wir" in Bezug auf jüdische Bürger/Israel juristische Hürden sehen, aber bei Lieferungen an die Türkei (ich weiß, NATO), Saudi-Arabien und Andere nicht, bereits Whataboutismus?'

          Ja, genau das ist sie. Der Versuch, ein Argument durch einen Verweis auf vermeintlich ähnlich gelagerte Fälle abzuschwäche / zu relativieren.

          Noch schlimmer aber finde ich ihre Versuche, die Opferzahlen zu relativieren. Kann das eigentlich nur als Mittel der persönlichen Resilienz verstehen, es sind ja mittlerweile zu viele Opfer, um ansonsten noch ein gutes Gewissen zu haben.

          • @EffeJoSiebenZwo:

            "Der Versuch, ein Argument durch einen Verweis auf vermeintlich ähnlich gelagerte Fälle abzuschwäche / zu relativieren."

            Ihre Sichtweise kann ich so akzeptieren. Mich irritiert es eben, dass wir uns erst/nur bei Juden überlegen, ob wir sie waffentechnisch unterstützen dürfen oder nicht. Ich ging von Antisemitismus aus.

            "Noch schlimmer aber finde ich ihre Versuche, die Opferzahlen zu relativieren."

            Dessen bin ich mir nicht bewusst. Ich relativiere die Zahlen meiner Meinung nach nicht, sondern versuche, sie den entsprechenden "Verantwortungsträgern" zuzuordnen. Und wenn beispielsweise 20% der palästinensischen Raketen auf Gaza niederfallen, ist meiner Meinung nach eben nicht Israel dafür verantwortlich, sondern die palästinensische Seite.

            "...um ansonsten noch ein gutes Gewissen zu haben."

            Leider habe ich kein gutes Gewissen. Es zerreist mich innerlich, aber wieder jüdische Menschen abschlachten lassen, Israel der Vernichtung preisgeben, ist für mich keine Alternative. (Obwohl ich keine Jüdin oder Israelin bin.)

            Vielleicht sollten in den Medien doch wieder mehr Dokumentationen über die Gräuel der Nazizeit gezeigt werden bzw. einige Personen ein früheres Konzentrationslager ansehen, um zu begreifen, worum es geht.

            Der 07.10. war ein Ausblick darauf, was jüdischen Menschen/Israel droht, wenn wir sie im Stich lassen.

            Dem nachfolgenden taz-Artikel können Sie entnehmen, dass die genannten Gaza-Bewohner sagen "Mein Leben vor dem 07.10. war gut.", "Ich gehörte zur Mittelschicht ...", "Die Zwillinge waren seit 7 Jahren geplant." u.v.m.. Das sind also Gründe, ein Massaker an seinen Nachbarn zu begehen und einen Krieg zu beginnen?

            taz.de/Fluechtling...streifen/!5988750/

            Der Krieg ist furchtbar, aber er wurde Israel aufgezwungen.

            Sie und ich werden uns nicht gegenseitig überzeugen können, aber sicherlich hoffen wir beide auf ein baldiges Kriegsende und erfolgreiche Verhandlungen und Bemühungen um einen nachhaltigen Frieden für alle in d. Reg.

            • @*Sabine*:

              Vielen Dank für Ihre umfassende Antwort. Ich kann gut nachvollziehen, was Sie umtreibt. Ich glaube aber nicht, dass das überlegte Abschließen eines Waffenstillstands gleichbedeutend ist mit 'wieder jüdische Menschen abschlachten lassen, Israel der Vernichtung preisgeben'. Im Gegenteil glaube ich - auch wenn Israel natürlich Stärke demonstrieren muss, aber das hat es ja schon ziemlich deutlich gemacht - eine weitere Eskalation langfristig gefährlicher für die die Sicherheit Israels ist.

              Den Schluss, dass die 20% 'friendly fire' der Hamas für 20% der Toten auf palestinensischer Seite verantwortlich sind, kann ich aber nach wie vor nicht nachvollziehen. Es handelt sich mE um vollkommen unterscheide Waffensysteme, etwa so, als ob sie leichte Gewehre mir Maschinengewehre gleichsetzen würden.

    • @*Sabine*:

      Danke für Ihre Worte. Da schließe ich mich gerne an!

    • @*Sabine*:

      "Unterfüttert wird das mit der Feststellung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag vom 26. Januar, es bestünden hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht, dass Israel in Gaza einen Völkermord an den Palästinensern begeht."



      Unterstützung von Israel darf nicht bedeuten, Kriegsverbrechen und einen eventuellen Völkermord zu unterstützen.

      • @Des247:

        Ich erwarte, dass der IGH als UN-Organ berücksichtigt, welche Sachverhalte mittlerweile über diejenigen UN-Organisationen bekannt geworden sind - und noch herauskommen werden - von denen er die Zahlen und Informationen bezüglich Gaza bekommen hat.

      • @Des247:

        "Unterstützung von Israel darf nicht bedeuten, Kriegsverbrechen und einen eventuellen Völkermord zu unterstützen."

        Letztendlich werden das irgendwann Juristen entscheiden. Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich weder Kriegsverbrechen noch einen Völkermord auf Seiten Israels, im Gegensatz zum 07.10.. Aber ich weiß, dass viele, evtl. die Mehrheitsmeinung, das anders sehen.

        Ich bleibe dabei; jüdischen Bürgern/Israel die Unterstützung zu versagen, heißt, zur Zerstörung Israels und Auslöschung jeglichen jüdischen Lebens im Nahen Osten beizutragen. Das will ich nicht.

        • @*Sabine*:

          Die Menschen dort sind am verhungern, wollen Sie dabei zusehen und dann irgendwann soll ein Gericht darüber entscheiden ob das falsch war?



          Dann ist es zu spät...



          Ich verstehe trotzdem Ihre Angst, und auch Ihr Pflichtbewusstsein dem jüdischen Staat gegenüber. Aber ich kann Ihnen versichern: Israel ist eine der stärksten Militärmächte der Welt, eine "Auslöschung" ist absolut nicht möglich.