Rüstungsbilanz der Regierung: Gabriels härteste Waffen
Der Wirtschaftsminister gibt Auskunft zum Thema Rüstungsexporte. Und verkündet einen fragwürdigen Rekord.
![Sigmar Gabriel hält ein Brille in der Hand Sigmar Gabriel hält ein Brille in der Hand](https://taz.de/picture/1014028/14/gabriel_dpa.jpeg)
Zunächst die Fakten: Die Regierung hat 2015 Einzelausfuhrgenehmigungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro erteilt. Das sind 3,5 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr und so viel wie noch nie seit dem Jahr 1999, als die Regierung erstmals einen Rüstungsexportbericht vorlegte. Die Zahl gestand Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Mittag im Saal der Bundespressekonferenz ein.
Dem SPD-Chef kommt der Rekord nicht gelegen. Immerhin hatte er im Wahlkampf 2013 noch angekündigt, die Rüstungsexporte zu reduzieren. Geheim halten konnte er die unangenehme Neuigkeit aber auch nicht länger. Der Linken-Abgeordnete Jan van Aken hatte die Zahl nämlich schon Anfang Februar über eine Bundestagsanfrage angefordert. Die Frist für die Beantwortung lief am Freitag ab.
Gabriel hatte nun zwei Möglichkeiten. Entweder liefert der Wirtschaftsminister die Zahl zuerst dem Linken-Politiker, der sie erfahrungsgemäß an die Presse weitergibt und den Journalisten sein eigenes Statement mitliefert: Die SPD schafft es einfach nicht.
„Sonnen-“ und „Schattenseiten“ der Bilanz
Oder der Wirtschaftsminister geht höchstpersönlich in die Offensive, verkündet die Zahl zuerst der Presse und liefert seine eigene Interpretation mit, die den Genehmigungsrekord weniger dramatisch erscheinen lässt.
In der Praxis sieht das so aus: Gabriel kündigt an, zunächst über die „Sonnenseiten“ seiner Bilanz reden zu wollen. So sank die Zahl der Ausfuhrgenehmigungen für Kleinwaffen seit seinem Amtsantritt deutlich.
Dann erst kommt er zu den „Schattenseiten“ und lässt in einem Nebensatz eine erste Gesamtsumme fallen: „Wenn Sie sich das Gesamtvolumen von 5,9 Milliarden Euro ansehen, sind darunter 1,5 Milliarden für zwei sehr große Projekte.“ Mit den beiden Projekten meint er teure Tankflugzeuge für Großbritannien und ähnlich teure Raketen für Südkorea.
Erst später stellt Gabriel klar, dass auf diese 5,9 Milliarden eigentlich noch mal 1,6 Milliarden draufkommen. Diese entfallen auf eine Panzerlieferung nach Katar.
Keine Verantwortung übernehmen
Warum der Vizekanzler sie nicht dazu zählt? Eine erste Genehmigung erteilte schon 2013 die schwarz-gelbe Regierung. Jetzt stand eine zweite, endgültige Genehmigung an. Um diese zu verweigern, hätte Gabriel nach eigenen Angaben die Zustimmung des restlichen Kabinetts benötigt. „Einige Ministerien“ hätten da aber nicht mitgemacht. Deshalb will der SPD-Chef jetzt nicht die Verantwortung für die umstrittene Panzerlieferung übernehmen.
Der Linken-Abgeordnete van Aken lässt den Wirtschaftsminister so einfach aber nicht davonkommen. Weil er die Zahlen nicht vor der Presse bekommen hatte, wartete er während der Pressekonferenz einfach vor dem Saal. Hinterher stellt er sich selbst vor die Kameras und sagt: „Zur Panzerlieferung nach Katar hätte Sigmar Gabriel Nein sagen können. Wenn er sich da nicht durchsetzt, hat er seinen Job eben verfehlt.“
Stunden später, kurz vor Feierabend, bekommt van Aken dann noch eine E-Mail aus dem Wirtschaftsministerium: die offizielle Antwort auf seine Anfrage. Darin stehen neben den Einzelausfuhrgenehmigungen auch die sogenannten Sammelausfuhrgenehmigungen. Sie sind eine Art Blankoscheck für „besonders zuverlässige“ Rüstungsunternehmen.
Welchen Umfang sie im vergangenen Jahr erreichten, konnte Gabriel auf der Pressekonferenz nicht sagen. Für ihn war es besser so: Die Sammelgenehmigungen hatten einen Wert von knapp 5 Milliarden Euro. Alles in allem genehmigte die Regierung 2015 also Rüstungsgeschäfte in Höhe von 12,5 Milliarden Euro. Auch das ist ein neuer Rekord.
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