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Rüffel für bayerische JustizMollath siegt auch in Karlsruhe

Die Verfassungsbeschwerde gegen Verlängerung der Psychiatrie-Unterbringung im Jahr 2011 hat Erfolg. Das ist eine Niederlage für Justizministerin Merk.

Gustl Mollath nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie Anfang August. Bild: dpa

FREIBURG taz | Das Bundesverfassungsgericht rügt die bayerische Justiz im Fall Gustl Mollath. Die Weigerung, Mollath aus der Psychiatrie zu entlassen, sei schlecht begründet und damit verfassungswidrig gewesen. Eine Verfassungsbeschwerde Mollaths hatte jetzt Erfolg.

Gustl Mollath war von 2006 bis im August 2013 zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht. Das Landgericht Nürnberg hatte 2006 angenommen, dass Mollath seine Frau geschlagen und die Reifen von vermeintlichen Verbündeten seiner Frau zerstochen habe. Er sehe sich im Kampf gegen Schwarzgeld-Verschiebungen, in die seine Frau verwickelt sei, hieß es.

Wegen Schuldunfähigkeit aufgrund einer Wahnvorstellung wurde Mollath zwar freigesprochen, aber zugleich zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen.

Mollath und seine Unterstützer gingen zweigleisig gegen die Unterbringung vor. Zum einen griffen sie das ursprüngliche Urteil von 2006 an. Damit hatten sie inzwischen Erfolg. Das Oberlandesgericht Nürnberg ordnete im August aus formalen Gründen eine Wiederaufnahme des Verfahrens an. Der Prozess über Mollaths mutmaßlichen Angriff auf seine Frau und die Reifenstechereien wird nun vor dem Landgericht Regensburg wiederholt, voraussichtlich Anfang nächsten Jahres.

Daneben klagte Mollath auch gegen die jährlichen Beschlüsse der bayerischen Justiz, die ihm auf Grundlage von Gutachten bescheinigten, dass er immer noch gefährlich und seine fortauernde Unterbringung noch verhältnismäßig sei. In diesem Kontext beanstandete nun das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg für das Jahr 2011.

Mangelhafte Begründung

Karlsruhe kritisierte vor allem, dass nicht dargelegt wurde, welche Gefahr von Mollath im Fall einer Freilassung konkret ausgehen könnte. Außerdem wurde nicht ausreichend geprüft, ob die fortdauernde Unterbringung nach damals fünf Jahren noch angemessen ist oder ob es mildere Mittel zum Schutz der Allgemeinheit gegeben hätte.

Die mangelhafte Begründung verletze Mollaths Freiheitsrechte, stellten jetzt die Verfassungsrichter fest. Sie folgten damit weitgehend einer Stellungnahme von Generalbundesanwalt Harald Range von Anfang August.

Mollaths Anwalt Michael Kleine-Cosack begrüßte die Karlsruher Entscheidung und kritisierte die bayerische Justiz, die lange in „stupendem Starrsinn“ an ihren „Fehlentscheidungen“ festgehalten habe. Die schnelle Freilassung Mollaths im August sei nur mit „panikartiger“ Angst vor dem Bundesverfassungsgericht zu erklären.

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) hatte die bayerischen Beschlüsse vor dem Bundesverfassungsgericht noch verteidigt. Mollaths Klage sei unbegründet, hieß es in einer Stellungnahme des bayerischen Justizministeriums. Das dürfte der CSU im aktuellen Lantagswahlkampf nun vorgehalten werden.

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7 Kommentare

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  • H
    Hans

    Schön und gut, aber wo bleiben bei solchen Urteilen die Konsequenzen für den Apparat?

    Werden da jetzt disziplinarische Maßnahmen folgen? Ich denke mal nicht.

  • Der sinngemäße Kommentar der bayer. Justizministerin Beate Merk, das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichtes sei ein Beleg für das Funktionieren der Justiz, lässt dem Bürger das Blut in den Adern gerinnen.

     

    Darüber nachzudenken lässt die Haare zu Berge stehen. Das ist kaum noch zu toppen. Und diese Reaktion einer bayer. Justizministerin fehlt in Ihrer Berichterstattung, liebe TAZ! Wie kommt 's?

  • T
    Tja

    Mich wundert der ganze Vorgang nicht sehr, außer vielleicht, dass es Herr Mollath tatsächlich geschafft hat, diesem miesen System in Bayern die Maske herunterzureissen. Dazu meine herzlichen Glückwünsche und Anerkennung!

     

    Dass Psychologen und Psychiater oftmals ... naja ... ein wenig komisch sind, ist für die meisten Allgemeinwissen. Aber als Insider mit jahrzehntelanger Berufserfahrung in mehreren bayrischen psychiatrischen Kliniken kann ich aus Erfahrung sagen: Die Totalversager, Sadisten und Volldeppen in dieser Gruppe schickt man in die "Bezirkskrankenhäuser". Dort sind dann die i.d.R. Schwächsten unserer Gesellschaft ihnen hilflos ausgeliefert.

     

    Dann das bayrische Politik- und Justizsystem. Mit dem Blick auf ein beliebiges Amtsgericht ist der Begriff "Verurteilungsfabrik" durchaus angemessen. Da drinnen passiert alles Mögliche, AUSSER es hat irgendwas mit Gerechtigkeit und Wahrheit zu tun - zumindest in den allermeisten Fällen.

     

    Klüngelei von der Politik über die Richter zu den (begutachtenden) Ärzten: Da hat ein Normalbürger keine Chance!

     

    Übrigens wußten Sie, dass es Studien in der Intelligenzforschung gibt, die belegen, dass die Berufsgruppen mit den Dümmsten unter den sogenannten "Eliten" Armeegeneräle und Richter sind?! Dafür gibt es sicher auch so den ein oder anderen Grund.

  • Mollaths Citrusbäumchen trägt langsam genießbare Früchte. Ich freue mich für ihn.

  • HF
    Horst Fritzen

    Ist eigentlich jemals ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung, Falschaussage, Freiheitsberaubung etc. gegen Mollaths Exfrau aufgenommen worden (§§ 153 ff., 164, 239 StGB)?

    • GS
      gott sei Dank endlich Gerechtigkeit
      @Horst Fritzen:

      Seine Exfrau, die Geistheilerin, sagte vor kurzer Zeit im Fernsehen, sie bleibe bei ihren Aussagen.

      Das alte Sprichwort: wo kein Kläger, da kein Richter. Das wird wohl Hr. Molath entscheiden müssen, ob er seine Ex und andere anzeigt.

  • L
    lowandorder

    Mollath gewinnt. Fein.

     

    In der Wahrung der Freiheitsrechte ist auf Karlsruhe Verlaß,

    keine Frage.

     

    Erstaunlich ist nur, daß ausgewachsene Richter ja auch ein ganzes Ministerium

    nicht früher in der Lage sind, einen Schritt zurück zu treten, und den ja geradezu

    ehernen Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit in den Blick nehmen;

    vulgo:" - was mach ich da cum grano salis und sine ira et studio eigentlich?"

    - " ist das eigentlich noch verantwortbar?"

    "- was, wenn ich in der Lage wäre?"

     

    Mollath ist letztlich Opfer der sehr verbreiteten

    geistigen Zwangsjacke geworden:

    " …was interessiert mich das Ergebnis, Hauptsache ich bin in meinem System richtig!"

    (Prof.Ernst Wolf, Marburg, 1968, Rechtsphilosophie!)

     

    Genau diesem Denken - der Mensch als Objekt - ist nach der Nazi-Zeit

    ( " die Grundrechte sind obsolet" - Ernst Forsthoff)

    Günter Dürig im GG-Standard-Kommentar entgegen getreten.

    Und dem ist Karlsruhe mit u.a. den Richtern Friesenhahn, Martin Draht, Fabian von Schlabrendorf

    durchweg gefolgt.

     

    Daß die Nähe Karlsruhe zu dem Co-Kommentator Theodor Maunz - Fellowtraveller der

    "Kieler Schule", der Speerspitze der NS-Jurisprudenz, im staatsordnumgsrechtlichen Bereich

    leider nicht so ganz von der Hand zu weisen ist, steht auf einem anderen Blatt.