piwik no script img

Rückzug der Rebellen in ÄthiopienKein Frieden in Sicht

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Tigrays Rebellen haben sich zurückgezogen und machen den Weg für humanitäre Hilfe frei. Doch die äthiopische Regierung denkt nicht an Frieden.

Ein zerstörter Panzer Nahe des Orts Damot Kebele in der Region Amhara, Anfang Dezember 2021 Foto: reuters

E rst sechs Wochen ist es her, da befanden sich Tigrays Rebellen auf dem Vormarsch Richtung Addis Abeba. Internationale Diplomaten ließen sich aus der äthiopischen Hauptstadt evakuieren, Rebellen anderer äthiopischer Regionen vollzogen den Schulterschluss mit den Tigray-Kämpfern.

Internationale Emissäre sondierten bei der äthiopischen Regierung in Addis Abeba und der Tigray-Führung in Mekelle, wie eine weitere Zuspitzung des Krieges bis hin zum Völkermord an Tigrayern im Regierungsgebiet zu vermeiden wäre. Eine Überlegung: Tigrays Truppen stellen ihren Vormarsch ein und ziehen sich nach Tigray zurück, im Gegenzug beendet Äthiopiens Regierung ihre Hilfsblockade der abtrünnigen Region. Dann könnten beide Seiten vor dem Hintergrund eines Waffenstillstands miteinander verhandeln.

Nun haben sich Tigrays Rebellen tatsächlich nach Tigray zurückgezogen. Aber das ist nicht das Ergebnis eines Friedensprozesses, sondern folgt aus einer militärischen Niederlage. Frisch eingekaufte Kampfdrohnen haben Äthiopiens Armee zumindest vorläufig eine militärische Überlegenheit verliehen. Reihenweise haben sie Panzer und schwere Artillerie zerstört, Nachschubkolonnen bombardiert, feindliche Kämpfer massakriert. Ähnlich wie in Bergkarabach und in Libyen wirkten Drohnen auch im zentraläthiopischen Hochland kriegsentscheidend.

Tigrays Rebellen stellen ihren Rückzug jetzt als Schritt in Richtung Frieden dar. Aber Äthiopiens Regierung denkt überhaupt nicht daran. Vielmehr verstärkt sie nun ihre Drohnenangriffe auch gegen die Zivilbevölkerung. Am liebsten möchte sie den Krieg erneut nach Tigray hineintragen – und diesmal den Endsieg davontragen, getreu der Devise von Ministerpräsident Abiy Ahmed, die Rebellen seien Terroristen, die man auslöschen sollte.

An einer Friedenslösung, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt, führt kein Weg vorbei, wenn man nicht den Tod weiterer Zehntausender in Kauf nehmen will. Und zugleich ist dieser Weg derzeit unauffindbar. Es wird über Weihnachten noch viel Blut fließen in den äthiopischen Bergen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Die US-Politik ist unglaublich: Heute ist wieder in den Medien, dass Blinken mit dem kenianischen Staatschef über die Lösung der Äthiopienkrise gesprochen hat. Vielleicht sollte er in Äthiopien darüber sprechen. Kenia hat zwar eine Grenze mit Äthiopien, aber das ist der aride Norden Kenias, den Kenia selber nur begrenzt interessiert. Kenias Potential liegt im Hochland. Der Turkana-See trocknet tendenziell aus, wie der Aral-See, je nachdem wieviel die Äthiopier bewässern.

  • Beim Äthiopienkrieg kämpft die alte Tigre-dominierte Regierung gegen die neue, gewählte Regierung von Abiy. Es ist also grob vergleichbar mit Trump versus Biden. Trump erkannte den Regierungsverlust nicht an, ebenso wie es die die Tigre-Elite nicht anerkannte. Die Abiy-Regierung hat jetzt ihre Truppen gestoppt. Damit wird ein Fenster geöffnet für neue Wege der Konfliktlösung.