Rücktritt von palästinensischem Premier: Nicht mehr als Makulatur?
Der palästinensische Ministerpräsident Schtaje hat seinen Rücktritt erklärt. Ein Schritt für eine Nachkriegsordnung? Ein Experte zweifelt.
Der Rücktritt sei auf Wunsch des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas erfolgt, hieß es im Fernsehsender Watan TV unter Berufung auf Regierungsbeamte. Auf Abbas, der seit 2005 die Geschicke im Westjordanland lenkt, lastet seit Langem großer Druck. Der mit zunehmend eiserner Hand regierende und nicht mehr durch Wahlen legitimierte Palästinenserführer hat kaum noch Rückhalt in der palästinensischen Bevölkerung – viele werfen ihm vor, Handlanger der israelischen Besatzung zu sein.
Der Rücktritt Schtajes steht auch im Zusammenhang mit der Frage, wie eine Nachkriegsregierung im Gazastreifen aussehen soll. Abbas hat nun seine eigene Antwort auf die Frage deutlich gemacht. Sein Signal: Nicht die USA, nicht Katar oder die Hamas entscheiden über die Zukunft der zukünftigen palästinensischen Regierung – sondern Abbas selbst. Mit dem Rücktritt der Regierung soll der Weg für eine Technokratenregierung frei gemacht werden.
Der 88-jährige Präsident kommt damit dennoch auch Washington entgegen. Die USA hatten in den letzten Monaten immer wieder eine aktivere Rolle der im Westjordanland regierenden PA gefordert. Sie solle sich für den Wiederaufbau des Gazastreifens verantwortlich erklären und die Kontrolle dort übernehmen – ohne Beteiligung der radikal-islamischen Hamas. Innerhalb der PLO, der Dachorganisation verschiedener palästinensischer Fraktionen, hingegen wird die Frage diskutiert, ob die Hamas und der Islamische Dschihad in die Organisation aufgenommen werden sollen.
Schlüssel liegt bei Präsident Abbas
René Wildangel, Nahostexperte an der International Hellenic University in Thessaloniki, spricht mit Blick auf die Rücktrittsankündigung der Schtaje-Regierung von „Makulatur“. Ein Umbau der Regierung, so Wildangel, wäre nur dann bedeutungsvoll, wenn es einen Prozess gäbe, der wirklich zu einer Technokratenregierung oder einer Regierung der nationalen Einheit führen würde, die von palästinensischer Seite angestrebt werde. Das würde unter Umständen auch eine zumindest indirekte Beteiligung der Hamas oder ihrer Sympathisanten bedeuten.
Der Wissenschaftler geht aber davon aus, dass Schtaje kommissarisch weiter im Amt bleiben oder ein anderer Abbas-Vertrauter aus den Reihen der Fatah die Regierung übernehmen wird. „Eine neue Situation hätten wir nur, wenn Abbas selbst zurücktreten würde und das System umgebaut würde hin zu einer Regierung, die wirkliche Entscheidungsgewalt hat“, so Wildangel: „Daran, dass hier ein allmächtiger Präsident im Prinzip mit Notverordnungen wie zu Zeiten der Weimarer Republik regiert, ändert sich zunächst nichts.“
Zumal jegliche Form von palästinensischer Einheitsregierung auf „massive israelische Opposition“ treffen würde: „Alles, was diskutiert wird in Richtung einer wirklichen Veränderung, würde auch am Widerstand Israels scheitern“, sagt Wildangel. Dabei bräuchte es, wollte man ernsthaft eine Reform der palästinensischen Führung angehen, irgendwann Wahlen. Spätestens dann werde sich die Frage stellen, wer daran teilnehmen dürfe. Der Experte sieht hier vor allem Europa und die USA in der Pflicht, „eine tragfähige Vision“ zu präsentieren, wie eine solche Reform aussehen soll.
Doch die israelische Regierung sperrt sich dagegen. Einer einseitigen Anerkennung eines palästinensischen Staates hat sie mit Unterstützung von großen Teilen der Opposition jüngst erneut eine Absage erteilt.
Am Wochenende legte der israelische Premier Benjamin Netanjahu dem Sicherheitskabinett einen einseitigen Nachkriegsplan für Gaza vor: Lokale Beamte, die in keiner Verbindung zur Hamas oder dem Islamischen Dschihad stehen, sollten eingesetzt werden. Das israelische Militär sollte im gesamten Gazastreifen „unbegrenzte Handlungsfreiheit“ haben. Eine Pufferzone auf der palästinensischen Seite der Grenze solle so lange bestehen bleiben wie nötig. Zudem sieht der Plan das Aus für das Hilfswerk UNRWA vor.
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