Rücktritt von französischem Armeechef: Macron ist hier der Chef
Erstmals seit fast 60 Jahren tritt in Paris ein Generalstabschef zurück – wegen Sparmaßnahmen. Macron demonstriert seine Autorität.
Der Rücktritt des bisherigen Generalstabschefs kam nicht überraschend. Seit Wochen schwelte die Vertrauenskrise zwischen der Armeeführung und dem neuen Staatschef Emmanuel Macron, der im laufenden Verteidigungshaushalt 850 Millionen Euro einsparen will. Das hält der Fünf-Sterne-General Pierre de Villiers schlicht für verantwortungslos.
Sein Rücktritt wird als symptomatisch für das große Unbehagen in den Rängen der Militärs gewertet. Sie sollen im Bereich der inneren Sicherheit und bei Auslandsoperationen immer neue Aufgaben übernehmen. Die Ausrüstung und die Kredite für die Interventionen aber halten nicht Schritt.
General de Villiers war seit dreieinhalb Jahren im Amt, seine militärischen Kompetenzen und Führungsqualitäten sind unbestritten. Macron aber konnte es kaum unwidersprochen hinnehmen, dass dieser höchste General seine Vorgaben für die Haushaltspolitik kritisierte. Das hatte de Villiers zwar nicht öffentlich getan, aber im Rahmen der Verteidigungskommission der Nationalversammlung. Die Abgeordneten berichten dies brühwarm den Medien, für Macron verwandelte sich der Streit um den Staatshaushalt in eine Frage seiner Autorität als Oberbefehlshaber der Streitkräfte.
Er duldet keine Widerrede: „Ich bin euer Chef!“, rief er den von einer solchen Vehemenz schockierten Militärs am Vorabend des Nationalfeiertags in Erinnerung. Es sei also für ihn als Mangel an Diskretion und Loyalität inakzeptabel, dass sein Generalstabschef ihm derart widerspreche. Das Schweigen ist die oberste Pflicht der Soldaten, heißt doch in Frankreich die Armee nicht umsonst die „Grande muette“ (die große Stumme).
De Villiers rechtfertigt in seinem Demissionsschreiben seinen ungewöhnlichen Schritt: Es sehe sich nicht mehr in der Lage, seine Aufgabe der Verteidigung zum Schutz des Landes und der Bürger zu erfüllen. Wie viel Mühe es ihm bereitete, bis zuletzt dennoch gute Miene zum bösen Spiel zu machen, konnten die Fernsehzuschauer am Nationalfeiertag sehen: In einem offenen Militärfahrzeug fuhr er an der Seite Macrons vor der Truppenparade vom Triumphbogen zur Concorde. Während der Präsident fröhlich winkend die Menge grüßte, verzog der finster dreinschauende General keine Miene.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene