Rücktritt von Sheikh Hasina: Hoffen auf eine echte Alternative
Bangladeschs Premierministerin ist hastig aus dem Land geflohen und hat ein Machtvakuum hinterlassen. Schafft die Protestbewegung, es zu füllen?
![Viele Menschen in der Residenz Viele Menschen in der Residenz](https://taz.de/picture/7161879/14/36071991-1.jpeg)
A m Ende ging alles ziemlich schnell. Die geschasste Premierministerin Bangladeschs, Sheikh Hasina, wollte eigentlich noch eine Abschiedsbotschaft aufnehmen, bevor sie sich ins Ausland absetzte, doch ihr fehlte die Zeit. Am frühen Nachmittag startete ihr Flieger nach Indien – schon wenig später hieß es, ihre offizielle Residenz sei von Protestierenden umzingelt.
Vor noch wenigen Wochen wären solche Meldungen undenkbar gewesen. Sheikh Hasina und ihre Partei, die Awami-Liga, sind seit fast 16 Jahren an der Macht und haben in dieser Zeit die Opposition größtenteils ausgeschaltet und fast alle Bereiche der Gesellschaft durchdrungen. Eine Forderung nach ihrem Rücktritt klang lächerlich.
Diese Arroganz spürte man nicht zuletzt von Hasinas Regierung, die breite Proteste gegen sie selbst begünstigende Quoten bei Regierungsjobs durch die Polizei niederschlagen ließ. Hunderte starben dabei, Tausende wurden verletzt und es gab Massenverhaftungen. Aus den Protesten wurde so eine allgemeine Bewegung gegen die seit Jahren immer autokratischer werdende Regierung. Dabei schafften es die Protestierenden, eine Vereinnahmung durch die Oppositionsparteien zu vermeiden. Zuletzt stellten sie nur eine Forderung: Hasinas Rücktritt.
Diese ist erfüllt und nun ist vieles offen. Am Montag gab der Militärchef bekannt, dass es eine Interimsregierung unter Beteiligung von gesellschaftlichen Akteuren und Parteien – außer der Awami-Liga – geben werde. Auch Gespräche mit Studierenden seien geplant. Nur was steht am Ende des Interims?
Es ist unwahrscheinlich, dass das Militär selbst die Regierung übernehmen will: Dieses versucht in der Regel den Anschein direkter politischer Einflussnahme zu vermeiden. Es dürfte sogar das Vertrauen in der Bevölkerung haben, für eine vorläufige neutrale Ordnung zu sorgen.
Die Macht könnte zurück an die verzwergte Oppositionspartei BNP schwingen – doch zum Ende ihrer letzten Regierungsphase 2006 war diese ähnlich korrupt und autokratisch wie jetzt die Awami-Liga. Für viele Bangladeschis sind inzwischen beide Parteien untragbar geworden, und so wird die entscheidende Frage sein, wer sich in den nächsten Wochen am schnellsten organisieren kann.
Die Studierenden, von denen die Proteste ausgingen, dürften noch kein politisches Gesamtprogramm vorbereitet haben und zu unstrukturiert sein, um so schnell eine glaubwürdige politische Alternative anbieten zu können. Oder doch? In wenigen Wochen kann vieles denkbar sein, das heute noch unmöglich erscheint.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm