Rückschlag für Freihandelsabkommen: Bundesregierung legt Ceta auf Eis
Laut einem neuen Gutachten darf die EU-Kommission das Abkommen mit Kanada nicht allein abschließen. Die nationalen Parlamente sollen mitreden.
BERLIN taz | Eine „neue Ära“ der transatlantischen Beziehungen versprach Kanadas Premierminister Stephen Harper noch vor wenigen Tagen. Doch ob es dazu kommt, ob also das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada namens Ceta wirklich schon in trockenen Tüchern ist, steht nach einem neuen Gutachten der Bundesregierung in den Sternen.
Eigentlich sollte Ceta beim EU-Kanada-Gipfel am kommenden Freitag mit allem Brimborium in Kanadas Hauptstadt Ottawa paraphiert – und damit die Verhandlung abgeschlossen – werden. Doch davon redet inzwischen niemand mehr. Ein am Montag veröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zu dem Ergebnis, dass Brüssel den Vertrag mit Kanada nicht alleine abschließen darf: Ceta müsse von allen 28 EU-Staaten ratifiziert werden.
Wirtschaftsstaatssekretärin Brigitte Zypries (SPD) räumte zwar ein, dass die EU-Kommission anderer Ansicht sei. Einen Alleingang Brüssels wolle Deutschland aber notfalls mit Partnern im Ministerrat stoppen – oder vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
Ceta wird seit 2009 verhandelt. Es soll durch Handelserleichterungen Wachstum und Jobs generieren, Kanada spricht von „Tausenden Arbeitsplätzen“. Doch in Europa bekommt der Vertrag mit dem zwölftwichtigsten Handelspartner der EU immer mehr Gegner, da ihn viele als Blaupause für das umstrittene Handelsabkommen mit den USA, TTIP, sehen. Noch Anfang September hatte der für Ceta zuständige Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), die Paraphierung des Abkommens angekündigt. Die liegt nun auf Eis.
Am Wochenende hatte die SPD auf einem kleinen Parteitag „rote Linien“ für die Freihandelsabkommen festgelegt. Nun zeigte sich Zypries zufrieden mit den Ceta-Regelungen zum umstrittenen Schutz von Investitionen: „Das ist etwas, mit dem Deutschland leben kann.“
Ein weiteres vom Bund in Auftrag gegebenes Gutachten zeige, dass das nationale Recht Investoren umfassenderen Schutz zubillige, als dies mit den Ceta-Regelungen geschehe. Ein Investor würde daher im Streitfall eher den deutschen Rechtsweg gehen, als auf das in Ceta verankerte Schiedsgerichtsverfahren zurückzugreifen. Das Abkommen mit Kanada ermögliche es nicht, deutsches Recht auszuhebeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen