Rückkehr zum Schulalltag in Coronazeiten: Eine verpasste Chance
Den Schulen fehlt es an Personal, die Klassen sind zu groß. Man hätte die Probleme in der Coronakrise angehen können. Doch es geht weiter wie zuvor.
D ie vergangenen Monate waren für Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen eine Zumutung. Erst mussten sie im Schnellverfahren auf digitalen Unterricht umstellen, dann einen Mix aus Haus- und Schulunterricht wuppen. Letzterer geriet wegen geltender Abstandsregeln oft zur Alibiveranstaltung von zwei Schulstunden pro Woche, während das digitale Lernen litt. Lehrkräfte können nun mal nicht gleichzeitig den Eingang zum Schulklo bewachen und Videounterricht geben.
Dass die ersten Länder jetzt wieder dazu übergehen, Kinder im Klassenverband und ohne Mindestabstand zu unterrichten, ist deshalb pragmatisch. Viele Familien atmen auf. Aber es ist auch eine verpasste Gelegenheit.
Klar ist: Die Entscheidung Thüringens, Sachsens, Schleswig-Holsteins und anderer Länder, die Schulen wieder regulär zu öffnen, ist primär durch steigenden gesellschaftlichen Druck zustande gekommen und basiert weniger auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Selbst wenn Studien nahelegen, dass kleine Kinder doch keine Virenschleudern sind – sie sind deshalb nicht immun. Und alle Studien legen nahe, dass die Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen besonders groß ist.
Aber das Bedürfnis der Eltern nach Entlastung und das der Schüler*innen nach sozialem Austausch ist ebenfalls berechtigt und wurde zu lange vernachlässigt. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis alle Länder zu einem Status quo ante Corona zurückkehren.
Gesundheitsschutz wird hintenangestellt
Denn nach nur wenigen Wochen Schule unter Hygienevorschriften ist allen klar, dass sich das nicht endlos fortsetzen lässt. Es fehlt Personal, die Räume sind zu klein, die Klassen zu groß. Probleme, die es alle lange vor Corona gab. Die Krise wäre die Gelegenheit gewesen, sie anzugehen.
Wenn man Hygienevorschriften und den Schutz der Gesundheit voranstellt, hätte es nur zwei Möglichkeiten gegeben: Entweder man erklärt Lehrpläne, Präsenzunterricht und Prüfungen auch im nächsten Schuljahr für nachrangig. Oder man fängt an, gewaltig in die Schulen zu investieren und für eine Normalität unter Coronabedingungen aufzurüsten: Mehr Personal, kleinere Klassen, luftige Bauten. Für den ersten Weg gibt es keine gesellschaftliche Mehrheit, für den zweiten keine politische.
Angesichts prognostizierter Steuerausfälle in Milliardenhöhe wagt sich keine Schulministerin mit der Forderung vor, jetzt Milliarden in Bildung zu investieren. Also wird der Gesundheitsschutz hintenangestellt in der Hoffnung, dass die Infektionszahlen niedrig bleiben. Der Herbst und die nächste Grippewelle werden zeigen, ob die Hoffnung trägt.
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