Rückkauf der Energienetze: Stromnetz wieder städtisch
Der per Volksentscheid beschlossene Rückkauf des Stromnetzes durch die Stadt ist fast abgeschlossen. Selbst Umweltorganisation lobt den Senat.
Der erster Akt ist fast vollendet: Der Rückkauf des Stromnetzes von Vattenfall durch die Stadt soll bis zum 1. April komplett abgeschlossen sein. 1.250 ehemalige Vattenfall-Mitarbeiter werden dann in die städtische „Stromnetz Hamburg GmbH“ übernommen worden sein. 495 Millionen Euro hat der Deal gekostet, hinzu kommen noch einmal 118 Millionen Euro für zwei Vattenfall-Tochterfirmen, die für die Netzwartung und die Betreuung der Stromzähler zuständig sind.
„Da ist wohl alles in trockenen Tüchern, der Senat hat seine Hausaufgaben erledigt“, sagt Manfred Braasch, Chef des Hamburger BUND. Der BUND hatte zusammen mit der Verbraucherzentrale den Volksentscheid maßgeblich mit initiiert, der im September 2013 eine hauchdünne Mehrheit für den Rückkauf der Energieversorgungsnetze erbrachte. Neben dem Strom- soll auch das Gas- und das Fernwärmenetz den Besitzer wechseln.
Bis auf die FDP hat an der geräuscharmen Übernahme derzeit niemand was zu meckern. Die Liberalen sehen durch Gewinneinbruch der städtischen Stromnetz-Gesellschaft ihre Befürchtungen „bestätigt“, der Netzrückkauf sei „ein schlechtes Geschäft“. Von 34 Millionen in 2014 auf voraussichtlich sechs Millionen Euro im vergangenen Jahr ist der Gewinn geschrumpft – genaue Zahlen werden erst im Mai präsentiert.
„Von den zweistelligen Millionengewinnen der letzten Jahre bleibt nichts übrig“, wettert der FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Kruse und sieht den „grünen Senator Kerstan mit der Fachaufsicht über ein so komplexes Unternehmen überfordert“. Umweltbehörde, Stromnetzgesellschaft und BUND verweisen hingegen unisono auf „Einmaleffekte“, spezielle Kosten im Rahmen der Unternehmensneuordnung. „Die Kosten für die Umstellung der IT betragen 20 Millionen, die für Pensionsrückstellungen noch einmal rund 10 Millionen Euro“, sagt Manfred Braasch: „Es ist Quatsch, aus diesem eingeplanten Gewinnrückgang zu folgern, der Rückkauf rechne sich nicht.“ Braasch geht davon aus, dass die zukünftige Rendite ausreiche, um den Netzkauf binnen 30 Jahren zu refinanzieren und zusätzlich die Mittel für die Unterhaltung des Netzes zu erwirtschaften.
Zudem könne die Stadt als Netzbetreiber die Energiewende besser vorantreiben, betont Braasch und verweist darauf, dass Stromnetz Hamburg etwa die Zahl der Stromladestationen für E-Mobile bis 2017 von heute 84 auf 300 erhöhen will. Kritisieren tun BUND und die Linksfraktion allerdings den schleppenden Rückkauf des Gas- und des Fernwärmenetzes, das die Stadt erst 2019 zurückkaufen will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“