Rückgabe von kolonialem Raubgut: Reisefreiheit für die Bronzen
Ein Spitzentreffen deutscher Museen und Kulturpolitiker beschließt „substanzielle“ Rückgaben von Benin-Bronzen. Historiker äußert sich enttäuscht.
Die Benin-Bronzen sind ein mehrere tausend Objekte umfassendes Konvolut aus Reliefs und Skulpturen, die meisten aus Bronze. Die technisch und künstlerisch anspruchvollen Werke aus dem 16.-19. Jahrhundert sind Ausweis der westafrikanischen Hochkultur im historischen Königreich Benin und zugleich Symbol für Zerstörung und Kulturraub im Kolonialismus. 1897 eroberten, plünderten und zerstörten englische Soldaten die alte Königsstadt, infolgedessen gelangten tausende Bronzen über Handel und Kunstauktionen in „westliche“ Museen.
Berlin hat weltweit die zweitgrößte Sammlung mit 505 Objekten, davon rund 415 aus Bronze. Die größte soll sich im British Museum in London befinden. Andere deutsche Museen mit größeren Benin-Beständen sind in Hamburg, Stuttgart, Dresden, Leipzig und Köln.
In einer nach dem Treffen veröffentlichten gemeinsamen Erklärung heißt es, „die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekräftigen ihre grundsätzliche Bereitschaft zu substanziellen Rückgaben von Benin-Bronzen.“ Sie würden „umfassende Transparenz“ über ihre Bestände herstellen und „zeitnah und koordiniert“ weitere Gespräche mit Nigeria führen.
Umfassende Dokumentation
Grütters kündigte an, dass bis zum 15. Juni kurzfristig eine Aufstellung aller im Besitz der deutschen Museen befindlichen Benin-Bronzen im Internet veröffentlicht wird. Die Daten sollen auf der Webseite www.cp3c.de der von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten „Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ zugänglich gemacht werden. Zudem würden die Museen bis Ende des Jahres die Herkunft dieser Kunstobjekte umfassend dokumentieren und die Daten dazu ebenfalls auf der Webseite der Kontaktstelle öffentlich zugänglich machen.
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Hermann Parzinger, der für Berlin an dem Treffen teilnahm, sagte am Freitag der taz: „Es war ein historisches Treffen. Wir haben eine deutschlandweite Haltung im Umgang mit den Benin-Bronzen erreicht.“ Es werde zu „substanziellen Rückgaben“ kommen, so Parzinger: „Gleichzeitig war man sich einig, dass mit der nigerianischen Seite auch besprochen werden soll, wie Benin-Bronzen als Teil des künstlerischen Erbes der Menschheit auch künftig in Deutschland gezeigt werden können.“
Dagegen zeigte sich der Hamburger Historiker und Experte für Restitutionsfragen, Jürgen Zimmerer, enttäuscht. Der taz sagte er: „Statt bedingungsloser Verpflichtung zur Rückgabe von Raubkunst, ist nur vage von einem substantiellen Teil die Rede. Wer bestimmt diesen? Man male sich nur mal aus, man hätte verkündet, alle Bronzen bis Jahresende zurückzugeben, und bittet dann das nigerianische Volk darum, einige Bronzen in Deutschland ausstellen zu dürfen“, sagte Zimmerer. Das wäre „eine totale Verkehrung kolonialer Herrschafts- und Besitzverhältnisse“ gewesen. Jeden Anschein eines „Kuhhandels“ hätte man so vermieden.
Staatssekretärin Monika Grütters
Zimmerer sagte: „Die Geste wäre grandios, eines wahrhaft dekolonialen Humboldt Forums mit Weltgeltung würdig.“ So bleibe man aber „bei der Kabinettspolitik eines Preußenschlosses. Und um die Rettung dieses preußischen Disneylands geht es im Grunde. Zugestanden wird nur, was man nicht mehr verweigern kann.“
Seit der Unabhängigkeit Nigerias 1960 fordert das Land – wie andere ehemals kolonisierte Länder – seine Kulturschätze zurück, bislang vergeblich. Zuletzt war im Zuge der Debatte um das Humboldt Forum erneut Bewegung in die Sache gekommen. Im rekonstruierten Berliner Schloss sollen ab September auch Benin-Bronzen zu sehen sein. Diese – zumindest ein Teil von ihnen – werden wohl bald zurückgehen in ihre Heimat. In Benin-City wird in Kooperation mit deutschen und europäischen Museen derzeit ein Museum für die Bronzen gebaut. 2022 sollen erste Gebäude fertig gestellt sein.
Kürzlich hatte es auch in anderen Ländern erste Ankündigungen von Rückgaben gegeben, etwa von der Universität von Aberdeen in Schottland, dem Smithonian National Museum of African Art in Washington D.C. sowie der Anglikanischen Kirche. Vollzogen ist bislang keine.
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