Roter Teppich und Mitbestimmung: Weil Glamour nicht satt macht

Für mehr Mitbestimmung: Das Hamburger Filmfest hat einen Betriebsrat gegründet. In der Branche ist man damit ziemlich weit vorne.

Beleuchteter Roter Teppich, Filmfest-Hamburg-Schilder an einer Absperrung

Bessere Bedingungen schaffen für alle, die hinter den Kulissen arbeiten: Szene vom Filmfest Hamburg Foto: Axel Heimken/dpa

Man ahnt es: Wegen des Geldes macht man so einen Job nicht, oder zumindest nicht ausschließlich. Nein, da geht es doch um Begeisterung, um Leidenschaft; um, den Duft von … na, vielleicht nicht gleich Hollywood, aber doch immerhin: Filmbranchenglamour! Tuchfühlung mit Stars! Und für den begrenzten Zeitraum, die paar Tage, Wochen, wenn es hoch kommt, ist es dann auch okay, mal nicht zu achten aufs strenge Einhalten etwa der Arbeitszeiten – wir sind hier ja nicht beim Finanzamt, sondern, eben, einem Filmfestival.

So weit, so Mythos: Tatsächlich wird es nicht entfernt so roter Teppich sein, die Arbeit, sagen wir beim Filmfest in Hamburg: Sechs dauerhaft Beschäftigte gibt es dort, also Leute, die auch jetzt, Monate nach dem letzten und vor dem nächsten Festival dort arbeiten. Dazu kommen alljährlich „im Vor- und Nachlauf der Festivaltage“, dann also, wenn das Publikum es auch mitbekommt, mehr als 30 temporär eingestellte Kol­le­g*in­nen.

„Neuer Weg“

Dieser Tage nun hat die Filmfest Hamburg gGmbH erstmals einen Betriebsrat gegründet – und geht damit nach eigenen Angaben einen „für die Branche neuen Weg“. Das Gremium hat angekündigt, „die Belange dieser über das Jahr stark pulsierenden, mitunter unter großem Druck arbeitenden Belegschaft“ im Auge zu behalten.

Von einem „Ereignis in der Festivallandschaft“ spricht Tina Fritsche, bei der Gewerkschaft Verdi in Hamburg zuständig für den Bereich Medien. Denn bei allem Herzblut, das üblich sei unter Festivals Organisierenden, heiße das ja nicht, „dass sie keine Haltung zu entgrenzten Arbeitsbedingungen haben oder gesetzliche Mitbestimmungsrechte nicht kennen würden“. Dem frisch gewählten Rat wünscht die Gewerkschaftssekretärin „gutes Gelingen“ – aber vielleicht noch mehr „zahlreiche Nachahmer*innen“. Bei Verdi gibt es seit 2016 eine eigene Arbeitsgruppe „Festivalarbeit“.

Rund 400 Filmfestivals gibt es bundesweit, zu sehr unterschiedlichen Bedingungen ermöglicht durch Tausende Menschen – „teils angestellt, oft auf Honorarbasis, noch öfter un- bis unterbezahlt“, so Verdi. Die von diesen Menschen erledigten Aufgaben reichen vom internationalen Rechtemanagement über das Einwerben von Fördermitteln und deren Abrechnung bis zur Sichtung und Auswahl des Filmprogramms; Künst­le­r*in­nen und Jurymitglieder müssen betreut werden, Katalogtexte verfasst und redigiert, und irgendwann will auch die Presse bespaßt sein.

Bekenntnis zu Fairness

„Arbeitsrechtliche Bestimmungen, Arbeitsschutzbestimmungen und faire Arbeitsbedingungen“ einzuhalten, gehört zum Selbstverständnis des Hamburger Filmfests; Gleiches erwartet man von Geschäftspartner*innen. Die gemeinnützige Filmfest GmbH ist eine Tochter der „MOIN Filmförderung“, der gemeinsamen Förderanstalt der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, und bekennt sich etwa auch zum Hamburger Mindestlohn und der Tariftreue.

Ist der Hamburger Betriebsrat denn nun das allererste Beispiel für eine Mitbestimmung in der so uneinheitlichen deutschen Festivallandschaft?

Jein: Die ungleich bekannteren Internationalen Filmfestspiele in Berlin etwa, die Berlinale, gehören zur „Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH“, sagt Gewerkschafterin Fritsche, so wie etwa auch die Berliner Festspiele oder das Haus der Kulturen der Welt. Diese Muttergesellschaft hat durchaus einen Betriebsrat – „aber eben nicht nur singulär für die Berlinale“.

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