piwik no script img

Rote Schals statt Gelber WestenUnter den Erwartungen

Eine Demo in Paris sollte sich nach Wochen der Gewalt bei Gelbwesten-Protesten gegen Ausschreitungen richten. Es kamen ein paar tausend Menschen.

Bunte Sache: Rotschals statt Gelbwesten Foto: ap

Paris taz | Gibt es in Frankreich eine „schweigende Mehrheit“ gegen die anhaltenden Proteste der sogenannten Gelbwesten (Gilets jaunes) – und vor allem gegen die gewaltsamen Ausschreitungen und Krawalle am Rande der Demonstrationen? Bei einem Marsch der „Foulards rouges“ am Sonntag in Paris schien die Teilnehmerzahl jedenfalls unter der Erwartung der Organisatoren zu bleiben, die mit 20.000 Menschen gerechnet hatten.

Die „Foulards rouges“ tragen rote Schals und werden schon als Gegenbewegung zu den Demonstranten bezeichnet, die seit November immer samstags mit gelben Westen gegen die Regierungspolitik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf die Straße gehen. Doch ihnen geht es angeblich nicht darum, gegen die Gilets jaunes zu demonstrieren, sondern für die Grundfreiheiten der Republik, für Ruhe und Ordnung. In diesem Sinne bestehen die Organisatoren, ein Kollektiv aus Bürgern und Bürgerinnen in der Hauptstadt und mehreren Landesteilen, auch darauf, sie seien „apolitisch“.

Im gegenwärtigen, weiterhin sehr gespannten Klima fällt es allerdings schwer zu glauben, dass diese Initiative nicht zum Ziel hat, die Staatsmacht und mit ihr den Staatspräsidenten Emmanuel Macron zu konsolidieren. Um „Missverständnisse“ zu vermeiden, riet die Regierungspartei „La République en marche“ ihren Parlamentariern, nur im persönlichen Namen und ohne Trikolore-Band an diese Demonstration zu gehen. Zur Teilnahme rief sie offiziell nicht auf.

Schon Ende November zirkulierte in den sozialen Medien in verschiedenen Kreisen die Idee einer Mobilisierung gegen die Gelbwesten. Damals hatten verschiedene Gegner der Gelbwesten-Kundgebungen erwogen, eine Demonstration für Macron zu organisieren, um so zu zeigen, dass das Volk in Wirklichkeit hinter dem gewählten Staatschef und den Institutionen der Republik stehe.

Ein Remake nach gaullistischem Vorbild?

Die historische Vorlage dafür war eine von den Gaullisten zur Unterstützung der ins Wanken geratenen Staatsmacht organisierte Volkskundgebung auf der Champs-Elysées am 30. Mai 1968, die das Ende der Studentenrevolte und des Generalstreiks des „Mai 68“ besiegelt hatte. Sehr schnell aber hatten die Gelbwesten-Gegner verstanden, dass ein solcher Versuch einer Replik auf der Straße angesichts des weiterhin starken Rückhalts für die Gilets jaunes kontraproduktiv könnte.

Einer Demonstration gegen Gewalt würden sicherlich viele zustimmen. Eine andere Sache aber ist es, sich – ausgerechnet mit einem roten Halstuch, dem Symbol der Kommunisten – für eine solche Mobilisierung einspannen zu lassen, die sehr offensichtlich nur der umstrittenen Staatsführung dienen kann. Das könnte viele Franzosen und Französinnen davon abgehalten haben, mit einem roten Foulard auf die Straße zu gehen – obschon sie durchaus mit den Zielen, die Demokratie und die Freiheit zu verteidigen, einverstanden wären.

Statt der angekündigten 20.000 waren zum Beginn dieser Gegendemonstration kaum tausend Leute zum Treffpunkt gekommen, um gemeinsam zur Bastille zu marschieren. Spätere Schätzungen der Demo gingen von mehreren Tausend aus, die Polizeipräfektur schätzte die Zahl später auf 10.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. In den Medien bestimmten aber weiterhin die Gelbwesten die Schlagzeilen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Saturierte Bürger...

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein - nicht ganz unwesentlicher - Nebenaspekt: der Umgang mit Zahlen von Teilnehmern an Demonstrationen. Als alter Kämpe habe ich dies in zahlreichen Demos der 1970er bis 1990er live erlebt. Bei politisch unliebsamen Demos wurden die TN-Zahlen von der Polizei nach unten abgerundet. Hier also nach oben. Die Pariser Polizei hätte bei Mister Fake News himself in Nachhilfe gehen sollen. Bei Fotomontagen ist noch Luft nach oben für Manipulationen. Mon dieu.

    Wenn die Roten Schals als Gegenbewegung zu den Gelbwesten nach dem 1968er Vorbild aufgebaut werden, zeigt dies doch, wie ernst die Gelbwesten genommen werden.

    Von Fronkreisch lernen!