: Rote Fraktion muss nun auch „rote Roben“ wählen
Im Bundestag müssen drei Verfassungsrichter:innen gewählt werden. Für die Zweidrittelmehrheit wird zum ersten Mal die Linke benötigt
Von Christian Rath, Freiburg
Die Linke will im Bundestag bei der Wahl der Verfassungsrichter:innen mitbestimmen. In diesem Sommer stehen drei Wahlen an; erforderlich ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit. „Wir wissen, dass es auch auf unsere Stimmen ankommt“, sagt Clara Bünger, die amtierende rechtspolitische Sprecherin der Fraktion.
Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten à acht Richter:innen. Diese 16 Richter:innen werden mit Zweidrittelmehrheit je zur Hälfte im Bundestag und im Bundesrat gewählt. Die Amtszeit beträgt je 12 Jahre.
Um im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen, waren in den letzten zwei Wahlperioden die Stimmen von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP erforderlich. Informell wurden daher die Vorschlagsrechte nach der Formel 3:3:1:1 verteilt. Das heißt: CDU/CSU und SPD durften pro Senat je drei Verfassungsrichter:innen vorschlagen, Grüne und FDP je eine Richter:in. Die vorgeschlagenen Kandidat:innen werden von den anderen Parteien jeweils mitgewählt, wenn keine unüberwindbaren Bedenken bestehen.
Seit der Bundestagswahl funktioniert dieser Proporz nicht mehr. Die FDP ist nicht mehr im Parlament. CDU/CSU, SPD und Grüne haben allein keine Zweidrittelmehrheit, ihnen fehlen sieben Stimmen. Die müssen von der Linken kommen, wenn die Wahl gelingen soll. An eine Einbindung der AfD denkt derzeit niemand.
Zufälligerweise müssen die nächsten drei Verfassungsrichterwahlen alle im Bundestag erfolgen: Die Amtszeit von Verfassungsrichter Josef Christ endete bereits am 30. November. Er ist nur noch geschäftsführend im Amt. Das Vorschlagsrecht hat die CDU/CSU-Fraktion. Vizepräsidentin Doris König muss ab dem 30. Juni ersetzt werden. Das Vorschlagsrecht hat die SPD. Diese Wahl ist besonders wichtig, denn Königs Nachfolger:in wird vermutlich 2030 Präsident:in des Bundesverfassungsgerichts, wenn der jetzige Amtsinhaber Stephan Harbart ausscheidet. Und der Richter Ulrich Maidowski will aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig am 30. September ausscheiden. Das Vorschlagsrecht hat auch hier die SPD.
In allen drei Fällen wird also erwartet und gehofft, dass die Linke den Vorschlägen für eine Nachfolge zustimmt. Doch das dürfte einen Preis haben. „Perspektivisch sollte auch die Linke ein Vorschlagsrecht für neue Verfassungsrichter und -richterinnen bekommen“, sagte Linken-Rechtsspolitikerin Clara Bünger zur taz. „Im Vordergrund steht allerdings eine gute Besetzung der frei werdenden Posten am Bundesverfassungsgericht“.
Clara Bünger, amtierende rechtspolitische Sprecherin der Linkenfraktion
Das klingt sachlich-höflich, könnte aber auch eine Warnung sein. Denn für die Nachfolge von Josef Christ liegt bereits ein Personalvorschlag der Union auf dem Tisch: Robert Seegmüller vom Bundesverwaltungsgericht, ein stramm konservativer Asylskeptiker. Die Grünen meldeten Gesprächsbedarf an, die CDU/CSU ging darauf vor der Bundestagswahl nicht mehr ein. Nun wartet Seegmüller schon seit Monaten auf seine Wahl. „Beim Vorschlag Robert Seegmüller haben auch wir noch Gesprächsbedarf“, sagt Clara Bünger.
Falls eine Wahl im Bundestag nicht gelingt, könnte notfalls auch der Bundesrat einspringen. Das sieht ein Ersatzwahl-Mechanismus vor, der erst im Dezember mit Blick auf eine mögliche Blockade durch die AfD beschlossen wurde. Davon wollen die etablierten Parteien aber nicht Gebrauch machen, es sähe zu sehr nach Kontrollverlust aus. Die Linke kann nun also zum ersten Mal bei der Wahl der Verfassungsrichter:innen mitbestimmen.
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