Rot-rot-grüne Kulturpolitik in Berlin: Kulturlinker und Opernfan
Mit Klaus Lederer (Die Linke) bekommt Berlin einen eigenständigen Kultursenator. Gleich am Anfang muss er dicke Brocken aus dem Weg räumen.
Klaus Lederer, der die Linke als Spitzenkandidat mit 15,6 Prozent noch vor den Grünen zu einem beachtlichen Ergebnis geführt hat, sagt dies ohne Pathos, aber mit Überzeugung. Gut möglich, dass er damit zum jungen, linken und prägenden Gesicht der rot-rot-grünen Koalition in Berlin wird.
Allerdings muss der gebürtige Schweriner gleich zu Beginn seiner Amtszeit dicke Brocken abräumen. So ist um die Volksbühne ein Theaterkampf entbrannt, seitdem der Direktor der Londoner Tate Gallery of Modern Art, Chris Dercon, im April 2015 zum neuen Intendanten berufen worden war. In einem offenen Brief schrieben die Mitarbeiter des Theaters, Dercon wolle dem „neoliberalen Kunstbetrieb mit globaler Jetset-Attitüde Tür und Tor öffnen“. Kaum ein Theatermacher, der sich nicht mit Frank Castorf solidarisiert hätte, der die Volksbühne in den vergangenen 25 Jahren zum Kraftfeld des linken Kulturbetriebs der Hauptstadt gemacht hatte.
Nur einen Tag, nach dem Rot-Rot-Grün in Berlin die sechs Wochen dauernden Koalitionsverhandlungen beendet hat, will Lederer den Volksbühnen-Deal noch einmal prüfen. Die Grünen stehen ihm bei und fordern einen runden Tisch.
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wird sich also zeigen, ob Klaus Lederer einem Job gerecht werden kann, den der Kunstsammler Peter Raue als den „schönsten Job der Stadt“ sieht. Denn auch beim Staatsballett gibt es Knatsch. Die Nominierung der Choreografin Sasha Waltz als Kointendantin hat bei der Kompagnie für Proteste gesorgt. Modernes Tanztheater und Ballett: Das muss Lederer nun zusammenführen.
Man traf sich im Torpedokäfer
Dass der Linken-Politiker Kultursenator werden wollte, hatte der Opernfan schon lange durchblicken lassen. In seiner Partei gehört er eher zu den Kulturlinken als zu den Soziallinken, trinkt lieber Rotwein als Bier und fährt mit Vorliebe nach Italien in den Urlaub. Gern wirft sich der offen lebende Schwule, der mit seinem Freund seit 2009 verpartnert ist, in intellektuelle Debatten, ohne seine Lebensfreude zu verlieren. In einem taz-Interview bekannte er einmal, dass auch „ein guter Joint dazugehört“. Gut möglich, dass der Kultursenator Lederer der Berliner Politik jenen Glamour zurückbringt, den sie mit Klaus Wowereit verloren hat.
Politisch sozialisiert wurde Lederer in den Monaten vor und nach der Wende, die er als einen „Segen“ bezeichnet hat, der ihm „neue Welten und neue Möglichkeiten“ eröffnet habe. Als 15-Jähriger hat er den Mauerfall erlebt, die Hausbesetzungen im Ostteil der Stadt, den Sommer der Anarchie. Als der vorbei war, trat er 1992 in die PDS ein, in Gregor Gysis bunte Truppe. Seine Basisorganisation fand er im Torpedokäfer, einer Kneipe in Prenzlauer Berg, in der sich Künstler und Literaten trafen, die sowohl dem realen Sozialismus als auch dem neuen Kapitalismus unversöhnlich gegenüberstanden. Doch ein Salonbolschewist zu werden, war Lederer nicht genug. Schnell machte er in die PDS Karriere, zog ins Berliner Abgeordnetenhaus ein und wurde 2005 mit 32 Jahren Berliner Linken-Chef.
Nun also Berliner Kultursenator und damit Wächter über die größte Ressource, die das wachsende, aber immer noch arme Berlin besitzt: seine 140 Bühnen und 175 Museen, seine Kreativität, seine intellektuelle Strahlkraft.
All das hatte Berlin in den vergangenen Jahren auch ohne einen eigenen Kultursenator entwickeln können. Klaus Wowereit und sein Nachfolger Michael Müller waren in Personalunion Regierender Bürgermeister und Kultursenator. Sie schafften es, den Kulturetat vor dem Rotstift zu bewahren. Dieses Kunststück muss Lederer erst noch fertigbringen. Und auch, seinem Anspruch gerecht zu bleiben, sich trotz Politik die innere Freiheit zu bewahren.
Eines aber hat die Linke schon geschafft. In den Berliner Museen und Theatern soll es an bestimmten Tagen einen freien Eintritt geben. „Niedrigschwelliger Zugang zur Kultur“, heißt das im Wording der Linkspartei. Für Lederer ist es ein Beispiel dafür, wie die Stadt den Bewohnern zurückgegeben werden kann.
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