Rot-rot-grüne Drogenpolitik: Vorwärts zum Hanf
Bei einem Hearing im Abgeordnetenhaus ist die SPD kaum wiederzuerkennen: „Wir müssen bei der Entkriminalisierung von Cannabis liefern.“
Genau zwei Jahre ist es her, da hatte die SPD zum ersten Mal ein drogenpolitisches Hearing veranstaltet. Fast wortgleich lautete am Donnerstag das Thema. Einziger Unterschied auf der Einladung ins Abgeordnetenhaus: Statt eines Fragezeichens stand nun ein Ausrufezeichen – „Eine neue Cannabispolitik ist nötig!“
Zehn ExpertInnen aus dem Suchthilfe-, Präventions- und Gesundheitsbereich saßen auf dem Podium. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD Thomas Isenberg moderierte die Veranstaltung und lief dabei zur Höchstform auf: „Ich möchte, dass wir in Berlin der Vorreiter sind!“
Berlin ist die Hauptstadt der Kiffer, nirgendwo in Deutschland wird so viel konsumiert. Jahrzehntelang waren es aber nur Grüne und Linke, die eine Anpassung der Drogenpolitik an die Realität forderten. Taubenblauer Anzug, roter Schlips, Typ seriöser Bankkaufmann mit Silberlocke – 2014 trat Thomas Isenberg auf den Plan. Plötzlich gab es einen in der SPD (die da noch mit der CDU regierte), der sich für eine Entkriminalisierung von Cannabis für Erwachsene einsetzte. Es gehe ihm dabei vor allem darum, den Jugend- und Verbraucherschutz zu stärken, so Isenberg.
Nach dem Regierungswechsel ist die Meinung des Einzelkämpfers in der SPD mehrheitsfähig geworden. „Polizisten wollen richtige Verbrecher jagen und nicht kiffende Touristen“, leitete SPD-Fraktionschef Raed Saleh die Veranstaltung am Donnerstag ein. Über 100 Zuhörer verfolgten die Diskussion. Nicht nur Saleh bekam für seine Rede Applaus. „Wir haben ein Zeitfenster von fünf Jahren, um dauerhaft etwas zu verändern“, sagte Saleh. „Rot-Rot-Grün muss bei diesem Thema liefern.“
Rot-Rot-Grün wolle zusammen mit Bremen und anderen interessierten Bundesländern eine Bundesratsinitiative starten, kündigte Isenberg an. Auch ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis sei geplant. Bei der folgenden Podiumsdiskussion war man sich einig, dass ein Modellprojekt mit einem Ausbau der Suchtprävention einhergehen müsse. Um Kinder und Jugendliche zu erreichen, bedürfe es aber einer klugen Präventionspolitik. Der Senat möge diese künftig zusammen mit Hilfsprojekten entwickeln. Die vom früheren Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) in Auftrag gegebene Kampagne „zu breit“ wurde als peinliche Schwarze-Sheriff-Politik bezeichnet.
Auf dem Podium war der Präsident der Ärztekammer Günther Jonitz nicht der einzige, der eine Amnestie für Verkehrssünder forderte, denen wegen „fragwürdiger Cannabis-Grenzwerte“ der Führerschein entzogen worden ist. Da lasse sich auf Landesebene vielleicht etwas machen, sagte Isenberg. Als Möglichkeit, sich von der repressiven Drogenpolitik der Bundesregierung emanzipieren zu können, brachte der SPD-Politiker auch eine Neuordnung des Bundesrechts ins Gespräch. „Dann könnten die Bundesländer selbst entscheiden, was sie wollen.“
Astrid Leicht vom Fixpunkt mahnte an, dass die vom früheren Innensenator Frank Henkel (CDU) für den Görlitzer Park verhängte Null-Toleranz-Richtlinie gestrichen werde. „Wir werden schauen, dass das als Erstes umgesetzt wird“, so Isenberg. Die Verzögerung erklärte er damit, dass der Gesundheitsausschuss erst im März erstmals tage.
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