Rot-pinke Koalition in Wien vereidigt: Punschkrapferl im Rathaus
In Österreichs Bundeshauptstadt regiert nun Rot-Pink. „Sozialliberal“ nennt Bürgermeister Michael Ludwig die Koalition aus SPÖ und liberalen Neos.
Ein Punschkrapferl dient als Symbol für diese Koalition, die in Österreich eine Novität ist. Allerdings ist das Bild schief. Denn die halbe rote Cocktailkirsche als Aufputz auf dem rosa Zuckerguss entspricht nicht den Machtverhältnissen. Vielmehr sind die acht Mandatare der liberalen Neos die billigsten Mehrheitsbeschaffer für die seit Jahrzehnten im Rathaus regierende SPÖ.
Für Bürgermeister Michael Ludwig ist die Entscheidung allerdings den größten inhaltlichen Übereinstimmungen entsprungen. Gespräche hatte er auch mit der ÖVP und den Grünen geführt. Bei der Präsentation des Koalitionsabkommens vor einer Woche schwärmte er von einer „Zukunftskoalition“.
Mit Christoph Wiederkehr (Neos) zieht ein politisch noch weitgehend unbeschriebenes Blatt als Vizebürgermeister in das Rathaus ein. Der 30-Jährige kann sich als Bildungsstadtrat seinem Herzensanliegen widmen. Das schwierige Ressort Integration bekommt er dazu. Ein Danaergeschenk der Sozialdemokraten, wie Skeptiker meinen. Gerade nach dem Terroranschlag vom 2. November ist offensichtlich geworden, dass in Wien Parallelgesellschaften existieren, die mit Rechtsstaat und westlicher Kultur nichts anzufangen wissen.
Außer Bildung und Integration landet alles bei der SPÖ
Alle anderen Agenden bleiben bei der SPÖ, die 46 von 100 Stadtratsabgeordneten einbringt. Damit landet auch das Ressort Verkehr, das zehn Jahre lang den Grünen als politische Spielwiese gedient hatte, bei den Roten.
Die bisherige Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, die ihre relativ geringe Bekanntheit im Wahlkampf durch Pop-up-Radwege und einen umstrittenen Pool an einer stark frequentierten Kreuzung zu heben verstand, hatte Ludwig zuletzt gehörig genervt. Zusätzlichen Druck machte die SPÖ-Basis in den proletarischen Außenbezirken, die mit den Grünen nie viel anfangen konnte. So fuhr Hebein mit 14,8 Prozent der gültigen Stimmen zwar das historisch beste Ergebnis für die Wiener Grünen ein, doch verlor sie die Stadtregierung.
Dass die neue Regierung sich auf ein ausgesprochen grünes Programm mit weiterem Ausbau der Radwege und Begrünung von Häusern verständigte, mag nur ein schwacher Trost sein. Auch ein „Transparenzpaket“, das etwas Licht in den über Jahre gewachsenen roten Filz bringen soll, ist eine alte Forderung der Grünen.
Hebein wurde letzte Woche in der Grünen-Fraktion von einer Palastrevolution hinweggefegt. Sie bekam weder den Fraktionsvorsitz noch einen der Posten als nicht amtsführende Stadträtin. Diese gut bezahlten, aber funktionslosen Posten stehen laut Wiener Stadtverfassung den Oppositionsparteien zu. Hebein blieb einzig der Vorsitz der Stadtpartei, den sie aber demnächst auch abgeben will.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München