Rot-grüne Pläne zu Speicherpflichten: Regierung freitags doch nicht für Vorratsdatenspeicherung
Zu Wochenbeginn warb die Bundesregierung für neue Überwachungsmöglichkeiten, jetzt rückt sie davon ab. Das letzte Wort ist aber nicht gesprochen.
Seine Kollegin Christiane Hoffmann hatte am Montag an gleicher Stelle verkündet, es sei Position der Regierung, „dass wir eine rechtssichere Speicherpflicht von IP-Adressen brauchen“. In einem schriftlichen Nachtrag bestätigte sie ihre Aussage wenige Stunden später wortgleich und fügte hinzu: „Die Speicherung von IP-Adressen ist im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus von entscheidender Bedeutung. Die Bundesregierung wäre bereit, diese einzuführen.“
Das wäre eine Kehrtwende: In der SPD befürworten zwar viele eine Regelung, bei der Internet-Anbieter verpflichtet wären, für einen bestimmten Zeitraum IP-Adressen all ihrer Nutzer*innen zu speichern und diese für Sicherheitsbehörden leichter identifizierbar zu machen. Unter anderem Innenministerin Nancy Faeser ist dafür. Mit den Grünen im Bund war das bislang aber nicht zu machen.
Nach der Ankündigung vom Montag gab es dann auch massiven Widerspruch aus deren Bundestagsfraktion, ohne die die Regierung eine Reform nicht umsetzen könnte. „Eine anlasslose und massenhafte Speicherung mit ausufernden Fristen lehnen wir weiterhin ab“, sagte zum Beispiel der Rechtspolitiker Helge Limburg der taz. Und auf der Plattform Bluesky gab sogar die grüne Umweltministerin Steffi Lemke an, von einer neuen Position der Grünen in der Regierung nichts zu wissen.
Das sorgte für Nachfragen in der Bundespressekonferenz am Freitag, auf der Regierungssprecher Büchner die vermeintliche neue Regierungslinie zwar dementierte, in diesem Widerspruch zu seiner Kollegin Hoffmann aber keinen Widerspruch sehen wollte. „Dass die Bundesregierung eine Absicht hat, aber trotzdem Gespräche zu dem Thema noch laufen, ist kein Widerspruch“, sagte er. Von welcher Absicht er genau spreche? „Die Absicht, bei diesem Thema zu einer guten Lösung zu kommen.“
Grüne nicht mehr einig
Ausgang also offen? Die Grünen wollen mit ihrer kritischen Haltung eigentlich im Wahlkampf werben. Im Programmentwurf, den ein Parteitag Ende Januar beschließen soll, heißt es klar: „Anlasslose Vorratsdatenspeicherung lehnen wir ab.“
Unterhalb der Bundesebene bröckelt die Position aber schon länger. Im September bekam eine Bundesratsinitiative für eine vierwöchige Speicherpflicht auch Zustimmung aus Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein). Die oppositionellen hessischen Grünen sprachen sich für eine Speicherpflicht von zumindest 14 Tagen aus.
Und außerdem hat die rot-grüne Restregierung immer noch ein gemeinsames Interesse daran, die blockierten Teile ihres Sicherheitspakets durch die Parlamente zu bringen. Im Bundesrat waren sie im Oktober gescheitert, weil der Union die IP-Speicherpflicht fehlte.
Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums von Vizekanzler Robert Habeck schloss nun zumindest nicht kategorisch aus, dass es noch mal Bewegung geben könnte. Auf die Frage, ob das grüne Kernressort aktuell für eine allgemeine Speicherpflicht ist oder ob es das jemals war, schloss auch sie sich nur den Worten von Regierungssprecher Büchner an: „Die Gespräche laufen.“
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