Rot-Rot will Streetview regeln: Berlin googelt Bilderverbot
Die Regierungsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus wollen Internetdiensten verbieten, Fotos von Privathäusern ungefragt zu publizieren. Auch das von der Landesregierung geförderte "Virtual Berlin" müsste einpacken.
Die Koalitionsfraktionen im Abgeordnetenhaus von Berlin wollen den Datenschutz ausweiten: Unternehmen sollen nur dann Bilder von privaten Hausfassaden im Internet veröffentlichen, wenn die Bewohner zugestimmt haben. Dies fordert ein Entwurf für einen Beschluss des Abgeordnetenhauses, dem die SPD-Fraktion bereits zugestimmt hat.
Was bietet Google Street View?
Google ist die Straßen mit extra ausgerüsteten Autos abgefahren und hat Panoramaaufnahmen gemacht. Niemand sonst hat bisher so viel Aufwand betrieben, um möglichst nah an Privathäuser dranzukommen. Da die Kameras aus einer Höhe von 2,90 Meter fotografierten, kann man auch über Zäune und Hecken hinweg in viele Vorgärten hereinschauen. Der Nachteil für Neugierige: Google will erst alle Gesichter und alle Autokennzeichen verpixeln, bevor die Bilder veröffentlicht werden. Außerdem können Hausbewohner an streetview-deutschland@google.com mailen und verlangen, dass ihre Fassade nicht gezeigt wird. Der Termin, ab wann es die Bilder aus Deutschland im Netz gibt, steht noch nicht fest.
Was bietet Berlin Partner?
Die Aufnahmen wurden aus der Luft gemacht: In niedriger Höhe wurde die Stadt überflogen. Die schräg von oben fotografierten Fassaden wurden dann auf ein dreidiminsionales Modell der Häuser projeziert. Die Kosten von 1,1 Millionen Euro stammen zum größten Teil aus EU-Mitteln, auch der Senat hat das Projekt unterstützt. Nachteil: Die Aufnahmen der Fassaden zeigen weniger Details als die von Google Street View. Vorteile: Der Dienst ist unter www.virtual-berlin.de bereits jetzt online. Man sieht nicht nur Frontalansichten, die man ohnehin von der Straße aus sehen kann, sondern alle vier Seiten eines Hauses sowie Häuser in Innenhöfen. Und es findet sich auf der Webseite kein Hinweis darauf, wie man die Fassade seines Wohnhauses aus dem Dienst löschen kann - so ist sichergestellt, dass das Angebot möglichst umfangreich bleibt.
Wer sind die größten Spielverderber?
Die Datenschutzbeauftragten der Länder. Sie haben dafür gesorgt, dass Google das Bundesdatenschutzgesetz beachtet hat. Auch die Löschung der Häuserfassaden hatte Google erst nach längeren Verhandlungen mit dem für das Unternehmen zuständigen Hamburgischen Datenschutzbeauftragten zugesichert. Wie viele Hausbewohner sich bisher gemeldet haben, gibt Google nicht bekannt. Verschiedene Versuche von Kommunen, Google die Benutzung der öffentlichen Straßen für die Fotoaufnahmen zu verbieten, scheiterten. Sie mussten einsehen, dass sie damit keinen Erfolg haben würden: Weil die Aufnahme von Privathäusern bisher bundesweit erlaubt ist, kann dies nicht von einer Kommune einzeln verboten werden.
SEBASTIAN HEISER
Rot-Rot positioniert sich damit gegen den Dienst Google Street View, der bereits Straßen in Berlin mit seinen Kamerawagen abfotografiert hat und die Bilder veröffentlichen will (siehe Kasten). Auch das mit Unterstützung der Landesregierung aufgebaute Angebot "Virtual Berlin" der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner wäre dann nicht mehr zulässig. Da der Datenschutz in der Kompetenz des Bundes liegt, ist die rot-rote Koalition in Berlin für eine Gesetzesänderung allerdings auf eine Mehrheit in Bundesrat und Bundestag angewiesen.
Google hat sich vorgenommen, so viel des verfügbaren Wissens wie möglich zu sammeln. Dazu durchforstet das Unternehmen, das ursprünglich als Suchmaschine startete, nicht nur Webseiten. Google scannt und digitalisiert auch Bücher, sammelt Nachrichten, vergleicht Preise von Online-Shops, vernetzt Freunde in einem sozialen Netzwerk, übersetzt Webseiten und bietet einen eigenen E-Mail-Dienst. Besonders populär sind die Dienste Google Maps und Google Earth, die wie ein digitaler Atlas funktionieren und Landkarten oder Satellitenaufnahmen zeigen.
In Zukunft sollen die Dienste zudem die Fotos zeigen, die Google von öffentlichen Straßen aus gemacht hat - und aus Orten etwa in Frankreich auch bereits veröffentlicht. Dies ist bisher in Deutschland nicht verboten, war aber bis vor kurzem technisch noch undenkbar. "Neu ist, dass hier flächendeckend alle Straßen erfasst werden", sagt Sven Kohlmeier, Datenschutzpolitiker der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. "Durch die Verbindung zwischen Adressen und Fotos kann man leicht über das Internet jedes Privathaus sehen." Das kann man zwar auch, indem man selbst dort vorbeifährt. Kohlmeier: "Aber so ist der Aufwand deutlich geringer und dadurch die Qualität des Eingriffs in die Privatsphäre eine ganz andere."
Aber was gibt es denn überhaupt zu befürchten? Eine ganze Menge, meint Kohlmeier: Die Bank könnte viel einfacher schauen, in was für einer Wohngegend ein potenzieller Schuldner wohnt, wenn sie über die Kreditvergabe entscheidet. Kriminelle könnten leichter auskundschaften, welche Gegenden sich für Hauseinbrüche wohl lohnen.
Dies sei ja wohl "eine irrationale Angst", findet dagegen Johannes Stahl, Geschäftsführer der Internet-Agentur Werk21, die unter anderem Webseiten gestaltet. "Es ist kaum anzunehmen, dass sich potenzielle Einbrecher auf Daten verlassen, die mehrere Monate oder gar Jahre alt sind", meint Stahl. "Von gestiegenen Einbruchsraten in den bereits von Street View erfassten Regionen ist jedenfalls nichts dokumentiert, was diesen Schluss zuließe."
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