Rolling Stones-Ticket-Affäre: Der Nebel lichtet sich
In der „Rolling Stones“-Ticket-Affäre stehen die Ermittlungen vor dem Abschluss. Die Zahl der Angeklagten hat sich auf acht erhöht.
Bei den Ermittlungen geht es um die Vergabe von 100 Freikarten und 300 Vorzugskarten, die der Veranstalter des „Rolling Stones“-Konzerts, das im September 2017 im Stadtpark stattfand, dem Chef des Bezirksamtes Nord, Harald Rösler (SPD) zur Verfügung stellte. Dieser verteilte die begehrten Tickets großzügig an „Freunde des Hauses“. Da das Amt gleichzeitig die Genehmigungsbehörde für das Konzert war und die Nutzungsgebühren für den Stadtpark festlegte, stehen Straftaten wie Bestechung, Bestechlichkeit und Vorteilsnahme im Raum.
Im Rahmen der Ermittlungen hat sich die Zahl der Anklagen vergangene Woche auf acht erhöht. Angeklagt hat die Staatsanwaltschaft unter anderem die ehemalige Finanzstaatsrätin Elke Badde, die wegen der Affaire ihren Hut nehmen musste, und die ehemals designierte Leiterin des Bezirksamts Hamburg-Nord, Yvonne Nische. Ihnen wird Vorteilsnahme und Verleitung von Untergebenen zu einer Straftat vorgeworfen. Die anderen Anklagen betreffen vor allem weitere MitarbeiterInnen des Bezirksamtes.
Auch hier geht es vor allem um Vorteilsnahme und Bestechlichkeit. Wann das Gericht die anstehenden Strafverfahren terminiert, ist noch offen, aber politisch brisant. Bei den Beschuldigten geht es zum Großteil um PolitikerInnen der SPD, die kein Interesse daran hat, dass die Strafverfahren im Bürgerschaftswahlkampf die Medienlandschaft bestimmen.
Akribische Vorbereitung des Kernverfahrens
Eine weitere Anklage, gegen gleich vier Beteiligte, bereitet die Staatsanwaltschaft akribisch vor – sie soll das Kernverfahren im „Stones“-Komplex werden. Dabei geht es um den Ex-Bezirkschef Harald Rösler (SPD) und den Chef des Konzertveranstalters FSK Skorpio, Folkert Koopmanns, denen die Staatsanwaltschaft vorwirft, den Ticket-Deal eingefädelt zu haben. Koopmans wird Bestechung, Rösler Bestechlichkeit vorgeworfen. Jeweils ein Mitarbeiter des Veranstalters und des Bezirksamtes, die die Details des Deals abwickelten, sollen ebenfalls in dem gemeinsamen Verfahren auf die Anklagebank.
Die Ermittlungen und damit auch die Anklageerhebung wird in diesem Fall am längsten dauern. Erst wenn juristisch geklärt ist, ob die Annahme der vom Ex-Bezirkschef Rösler verteilten Tickets für die Beteiligten strafbar war, können Staatsanwaltschaft und Gericht rechtlich bewerten, welcher Vergehen sich Rösler schuldig gemacht hat.
In vier Fällen hat die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl beantragt, der – bei Annahme durch den Beschuldigten – zu einer rechtskräftigen Verurteilung ohne mündliche Hauptverhandlung führt. 15 Mal, darunter auch in den Fällen der Staatsräte Andreas Rieckhof (Verkehr) und Matthias Kock (Stadtentwicklung) hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Geldzahlungen zwischen 300 und 3.000 Euro eingestellt. Da die Geldzahlung nicht als Schuldeingeständnis gewertet wird, die Zahlenden nicht vorbestraft sind und weiter die Unschuldsvermutung gilt, durften Rieckhof und Kock ohne Probleme im Amt bleiben. Allerdings ist die Einstellung auch nicht gleichbedeutend mit einer Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts.
In sieben weiteren Fällen stellte die Staatsanwaltschaft die Verfahren wegen Geringfügigkeit ein. Gegen fünf Personen, darunter auch Flughafen-Chef Michel Eggenschwiller und die SPD-Kreisvorsitzende von Hamburg-Nord, Anja Domres, wird mangels Tatverdachts nicht mehr ermittelt. Auch die Verfahren gegen 15 Bezirksabgeordnete wegen Vorteilsnahme im Amt, die bei der Generalstaatsanwaltschaft anhängig waren, wurden mangels Tatverdacht eingestellt.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in der Ticket-Affäre hat daneben aber weitere Recherchen ausgelöst. Die im Lauf des Verfahrens beschlagnahmten Datenträger gaben Hinweise darauf, dass auch bei Konzerten in der Alsterdorfer Sporthalle und im CCH die Bezirksämter als Gegenleistung für die Genehmigungen umfangreiche Kartenkontingente erhielten. Hier laufen Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite