Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar: Angst vor Umsiedlung auf Insel
Bangladesch hat die ersten Rohingya-Flüchtlinge auf eine flutgefährdete Insel umgesiedelt. Nun geht in den Flüchtlingscamps die Angst um.
Die erst in den letzten Jahrzehnten entstandene Insel wird regelmäßig von Wirbelstürmen und Überschwemmungen heimgesucht. Weitere Umsiedlungen sollen folgen.
Seitdem geht in den Flüchtlingslagern unter den Völkermord-Überlebenden, die schon von jahrzehntelanger Verfolgung in Myanmar traumatisiert sind, die Furcht um. „Oh, mein Volk! Wo sind deine Zukunft und Ziele?“, klagt der Flüchtling Arfaat auf Twitter.
Auf Bhashan Char leben die Rohingya nicht wie im Camp in Bambushütten, sondern in Massenunterkünften aus Beton. Unklar ist nach wie vor, welche Unterstützung die Flüchtlinge auf der Insel bekommen, wo Medienberichten zufolge 350 Millionen Dollar investiert wurden.
Regierung: Flüchtlinge genießen Privilegien
Bangladeschs Premierministerin Sheik Hasina hatte gesagt, die neuen Anlagen auf der Insel seien besser als das, was selbst vielen Bangladeschern zur Verfügung stehe.
Offiziell argumentiert Bangladesch damit, die Lager mit der Umsiedlung entlasten zu wollen. Seit mehr als drei Jahren leben eine Million aus Myanmar geflüchtete Rohingya in mehreren dicht besiedelten Flüchtlingslagern entlang der Grenze.
Die anfängliche große Gastfreundschaft ist Spannungen gewichen. Mehrere Rückführungsaktionen nach Myanmar sind kläglich gescheitert. Die Regierung in Dhaka fühlt sich zunehmend vorgeführt. Aktuell wird ein Stacheldrahtzaun um die Lager errichtet.
Die Umsiedelung habe „ein unnötiges Schlaglicht auf Bangladeschs Umgang mit den Rohingya geworfen, während die wahren Täter der Verbrechen (Anm. d. Red.: Myanmars Militärs) weiter frei herumlaufen“, schreibt C R Abrar vom Thinktank Refugee and Migratory Movements Research Unit in Dhaka in der Zeitung Daily Star.
Schon im Sommer hatte Bangladesch mehrere Hundert Rohingya auf Bhashan Char angesiedelt, nachdem diese einen Fluchtversuch aus den Lagern unternommen hatten.
Unglaubwürdige Versprechen
Wenig später traten mehrere dieser Flüchtlinge in einen Hungerstreik. Das Leben auf Bhashan Char erschien ihnen so ausweglos, dass sie lieber wieder zurück in die Camps auf dem Festland wollten. Amnesty International berichtete von sexueller Gewalt durch Sicherheitskräfte auf der Insel.
Am Tag der Umsiedlung letzte Woche kursierten in den sozialen Medien Bilder von schluchzenden Flüchtlingen, die unter Aufsicht von Bangladeschs Elitepolizeieinheit RAB Busse bestiegen. Mahadi Muhammad von der französischen NGO Action Contre la Faim twitterte: „Als Mitarbeiter einer Hilfsorganisation fühle ich mich geschockt und traurig diese Bilder zu sehen. Als Bangladescher denke ich, wir könnten eine Umsiedlung freundlicher, geplanter und strukturierter durchführen.“
Doch nicht alle Umgesiedelten mussten gezwungen werden. Flüchtlinge berichten der taz, dass Bangladesch denjenigen, die freiwillig gingen, versprochen habe, bei einer Rückkehr nach Myanmar priorisiert zu werden. „Ein falsches Versprechen“, erklärt ein Mullah im Lager.
„Umsiedlungen kann es nur dann geben, wenn die Entscheidung freiwillig erfolgt und auf ausreichend Informationen beruht“, erklärte UNO-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi auf Twitter.
Die Vereinten Nationen waren nach eigenen Angaben nicht in die Umsiedlungspläne und die Auswahl Umzusiedelnder involviert. Ebenso wenig die Flüchtlinge selbst. „Uns fragt nie jemand, was wir denken oder wollen“, sagt Sawyeddullah frustriert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles