Roboter als Hilfskraft in der Pflege: „Wollen wir singen?“
Forscher untersuchen, wie Roboter in der Altenpflege eingesetzt werden können. Dafür ist vor allem eines nötig: mehr Akzeptanz.
Roboter Pepper – zwei Arme, zwei Beine, 1,20 Meter groß, runder weißer Kopf mit zwei großen Glubsch-Augen, ein Display vor der Brust – hat wie immer gute Laune. Er wendet sich denen zu, die ihn ansprechen. „Wollen wir singen?“ Schon kommt die Melodie „Hoch auf dem gelben Wagen“. Ein Volkslied, das nur noch die Alten kennen. Dann sind Lockerungsübungen dran: Arme ausbreiten, langsam drehen und alle mitmachen. Zuletzt noch ein Quizspiel: In welcher Stadt fuhr die erste U-Bahn? Bitte den Bildschirm berühren. So wird es im Altersheim der Zukunft zugehen.
Der Wirtschaftsinformatiker Felix Carros und sein Team haben den Roboter an der Uni Siegen auf diese Tätigkeiten programmiert. „Es geht uns dabei primär um die Aktivierung der alten Menschen“, erklärt Carros. „Es handelt sich um keine pflegerische Tätigkeit.“ Pepper und seine Kollegen eignen sich nicht als Service-Roboter für die Kernaufgaben in den Pflegeheimen der Nationen. Aber sie können dort mit ihrem Entertainment-Angebot dafür sorgen, dass die menschlichen Betreuer mehr Zeit haben für die schweren Aufgaben und die schweren Fälle, etwa Demenzkranke.
Roboter mit Seele
Und von der realen Situation in den Altersheimen steuert alles auf die Robotik zu. Neuen Schätzungen zufolgen fehlen 36.000 Pflegekräfte in Deutschland; auf 100 offene Stellen kommen nur 21 Bewerber. Lösungen sind gefragt. In Japan, einer Gesellschaft mit einem noch höheren Anteil alter und pflegebedürftiger Menschen, ist die Pflegerobotik schon weiter fortgeschritten. Dort ist aber auch das sozio-technische Umfeld für neuen Technologien ein anderes, bemerkt Carros. „Die Menschen dort glauben, dass auch Maschinen eine Seele haben können.“ Keine abwehrende Angst, mehr Wesensverwandtheit ist die Folge.
In ihrer Forschungsgruppe „Anwendungsnahe Robotik in der Altenpflege“ (AriA) wollen die Wissenschaftler in Testläufen und Gesprächen mit Pflegefachkräften, Pflegebedürftigen und Angehörigen herausfinden, welche Anwendungen für den Roboter entwickelt werden sollten und wie sie ankommen. Dabei arbeiten die deutschen Forscher auch mit der japanischen Waseda-Universität in Tokio zusammen.
Dort wird untersucht, wie die Akzeptanz der Menschen gegenüber Robotern im Alltagsleben noch erhöht werden kann, wenn diese zum Beispiel spirituelle Musik oder religiöse Symbole aus dem japanischen Kulturkreis benutzen, um die Menschen besser zu erreichen. „Wir müssen noch viel gemeinsam forschen, bis die Roboter uns semi-autonom oder sogar in Teilbereichen voll-autonom in der Pflege unterstützen können“, sagt Rainer Wieching, der Projektleiter am Fachbereich Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der Universität Siegen. Es gehe in der Zukunft dann viel mehr auch um ethische, rechtliche und soziale Fragestellungen und nicht nur um die technische Robotik-Programmierung.
Auch andere Forscher-Teams sind unterwegs. In Bayern hat jetzt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen, das bisher Roboterforschung für Weltraumeinsätze durchführt, eine Kooperation mit der Caritas abgeschlossen, die in Garmisch-Partenkirchen mehrere Einrichtungen der Altenpflege betreibt. Ziel sind Szenarien für die robotische Assistenz der Zukunft im Pflegebereich. Das Land Bayern unterstützt das Projekt mit 6 Millionen Euro. „Wir wollen, dass Bayern in der wichtigen Zukunftsbranche der Roboterassistenzsysteme eine Vorreiterrolle einnimmt“, erklärte CSU-Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell