Robert Habeck über Glyphosat: „Mehr als genug Gründe für ein Verbot“
Der Grünen-Chef und scheidende Kieler Umweltminister Robert Habeck fordert ein Glyphosat-Verbot und eine Gesamtstrategie für den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittelden.
taz: Herr Habeck, der Einsatz von Glyphosat ist in Schleswig-Holstein auf öffentlichen Flächen seit 2016 verboten. Warum?
Robert Habeck: Eine der Hauptursachen für das Insektensterben liegt in dem massiven Einsatz von Pestiziden. Eins der günstigsten und das mit Abstand am häufigsten angewandte Pestizid ist Glyphosat. Daher ist für mich klar: Wir müssen uns dafür einsetzen, dass das Glyphosat-Zeitalter endlich endet. Und das nicht nur aus Gründen des vorsorglichen Anwender- und Verbraucherschutzes – also der Frage, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht und ab welcher Dosis, sondern eben auch und gerade für die Artenvielfalt und das Ökosystem. Aber diese Entscheidung ist leider keine Ländersache.
Deshalb dürfen Privatleute weiter Gift spritzen?
Immerhin gibt es bereits einige Einschränkungen sowohl für Hobbygärtner als auch Landwirte. Gerade nicht sachkundigen Anwendern sind die Grundregeln zum Schutz der Oberflächengewässer oft nicht bekannt. Allzu häufig finden unerlaubte Anwendungen mit glyphosathaltigen Herbiziden auf befestigten Wegen und Plätzen statt, wodurch insbesondere bei nachfolgenden Regengüssen eine unmittelbare Gefahr von Einträgen in die Abwassersysteme besteht. Fehlanwendungen können durch Kontrollen nach dem Pflanzenschutzrecht nur unzureichend geahndet und eingedämmt werden. Wer im Haus-und Kleingartenbereich tatsächlich Unkraut beseitigen möchte, sollte zur Jätekralle oder Hacke greifen.
Es gibt den Begriff des „chemischen Pflügens“ – ist das nicht blanker Zynismus?
Ja, ganz klar. Gerade im Frühjahr wenn die Felder einmal totgespritzt werden, bevor sie bestellt werden, sieht man, was für eine Chemiekeule Glyphosat ist. Statt Beikräuter zu hacken, werden sie einfach weggespritzt. Dabei wird ein Großteil der Pflanzenwelt abgetötet.
48, ist seit Januar 2018 Vorsitzender der Grünen – zusammen mit Annalena Baerbock. Zuvor war er Umweltminister in Schleswig-Holstein. Nach der Bundestagswahl 2017 war er einer der grünen Unterhändler während der Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition.
Warum ist es rechtlich so schwierig, den Verkauf eines Umweltgiftes zu verbieten?
Bereits in der letzten Legislaturperiode haben wir die Anwendung von Glyphosat in Schleswig-Holstein beispielsweise an Straßenrändern, Feldrainen, Wegrändern, Böschungen, Betriebsflächen, Garagenzufahrten und Stellplätzen verboten. Leider können wir landesseitig aber kein Verkaufsverbot durchsetzen, sodass trotz Anwendungsverbot glyphosathaltige Pestizide in Baumärkten angeboten werden. Wir setzen uns daher mit Nachdruck weiter dafür ein, dass Anwendung und auch der freie Verkauf unterbunden werden.
Glyphosat gefährdet Menschen, den Artenschutz, ganze Ökosysteme. Reicht das nicht?
Seit den 80er-Jahren haben wir einen dramatischen Verlust an Arten, beispielsweise an Insekten und in der Folge auch an Singvögeln. Eine der Hauptursachen dafür liegt im massiven Einsatz von Pestiziden – zum Beispiel Glyphosat. Aus meiner Sicht liegen mehr als ausreichend Gründe für ein Verbot von Glyphosat vor. Zudem brauchen wir grundsätzlich eine Gesamtstrategie, um den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln weiter einzudämmen.
Wann endet das Glyphosat-Zeitalter?
Wir müssen leider feststellen, dass weder die EU-Kommission noch das Bundeslandwirtschaftsministerium bisher den Mut haben, Glyphosat endlich zu verbieten. Gerade da liegt aber die Verantwortung. Der Bundesrat hat sich übrigens auf unseren Vorstoß hin bereits 2013 für ein Verbot ausgesprochen. Die Zeichen scheinen auf höherer Ebene aber noch nicht angekommen zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen