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Richter im NSU-ProzessManfred Götzl, der Unbeirrte

Der Richter Manfred Götzl hat den NSU-Prozess über fünf Jahre zusammengehalten. Am Mittwoch wird nun das Urteil fallen.

Steht am Ende einer Herkulesaufgabe: Manfred Götzl Foto: dpa

München taz | Ein letztes Mal. Ein letztes Mal wird Manfred Götzl am Mittwoch in den Saal A101 des Münchner Oberlandesgerichts treten und den NSU-Prozess eröffnen. Mit seinem dreifachen „Guten Morgen“, für jede Prozesspartei einen, die Angeklagten, die Ankläger, die Nebenkläger. Wie schon 437 Mal zuvor. Diesmal aber wird Götzl danach die Worte aussprechen, auf die viele schon so lange warten: Mit welcher Strafe antwortet der Rechtsstaat auf die jahrelange Terrorserie des Nationalsozialistischen Untergrunds? Für wie lange wandert die Hauptangeklagte, Beate Zschäpe, hinter Gitter?

Für Manfred Götzl geht damit eine Herkulesaufgabe zuende. Denn der 64-Jährige allein war es, der diesen Prozess seit Mai 2013 zusammenhalten musste. Ein Prozess, der in einer ganz eigenen Dimension spielte. Mit einer Anklage über eine monströse Terrorserie mit zehn Morden, zwei Anschlägen und 15 Raubüberfällen. Mit fünf Angeklagten, 14 Verteidigern, 60 Opferanwälten. Und am Ende ganzen fünf Jahren Verhandlung. Götzl trug bei all dem das größte Risiko: Entweder er verkündet am Ende ein historisches Urteil – oder alles platzt. Nun wird der Mittwoch, der Urteilstag, Götzls großer Auftritt.

Dabei startete der Prozess für den Franken, einen zweifachen Vater, mit einem Debakel. Bei der Presseakkreditierung kam kein einziges ausländisches Medium zum Zuge – trotz neun migrantischer Mordopfer. Das Bundesverfassungsgericht verordnete eine neue Akkreditierung, der Prozessauftakt musste verschoben werden. Und Götzl, dem der Ruf des Peniblen vorauseilte, stand düpiert da.

Dann aber machte Götzl sofort klar, wer das Sagen im Saal A101 hat: er, und nur er. „Unterbrechen Sie mich nicht!“, raunzte der Richter Anwälte an, mit Zornesröte im Gesicht. Auch bei Zeugen konnte er laut werden: „Späße können Sie sich sparen!“ Seine Befragungen aber exerzierte Götzl penibel, machte Notizen, blätterte in den Akten, hakte nach – über Stunden konnte das so gehen. Seine vier Mitrichter ließ Götzl dabei allenfalls Aktenpassagen vorlesen. Sonst sprach nur er, arbeitete Detail um Detail der Anklage ab. Und zeigte sich zäh: Keinen einzigen Prozesstag meldete sich Götzl krank.

Ihm eilt der Ruf voraus, auf Härte zu setzen

Ab Jahr zwei des Prozesses aber wurde Götzl ruhiger, vorsichtiger. Nun musste er das Verfahren tatsächlich vorm Platzen retten. Beate Zschäpe hatte sich von ihren drei Pflichtverteidigern losgesagt, auch das Anwältetrio wollten hinschmeißen. Es wäre das Ende des Prozesses gewesen. Götzl aber beließ die Verteidiger im Mandat – und gewährte Zschäpe noch einen vierten: den Münchner Mathias Grasel. Das Verfahren lief weiter.

Mehr noch: Im Dezember 2015 brach Zschäpe auch ihr jahrelanges Schweigen. Die Morde seien alleiniges Werk ihrer Untergrundkumpanen, ließ sie ihren Anwalt erklären. Götzl hakte auch hier nach, stellte dutzende Fragen. Zschäpe antwortete nur schriftlich, nach wochenlangen Beratungen mit Grasel – Götzl ließ es zu. Weil er, wo immer er die Chance sieht, der Wahrheit ein Stückchen näher zu kommen, diese ergreift.

Auch zuletzt fuhr Götzl weiter auf Sicherheit. Schon im Frühjahr 2017 wollte er die Beweisaufnahme im Prozess schließen. Dann aber ließ er immer neue Beweisanträge zu, sogar zuletzt noch, kurz vor den Schlussworten der Angeklagten. Selbst als die Verteidiger ihn mit Befangenheitsanträgen überzogen, gewährte Götzl ihnen viel Zeit, um diese auszuformulieren. Sollte er innerlich gebrodelt haben: Äußerlich wahrte Götz nun stoische Contenance. Seine Devise offenbar: Nur keinen Fehler machen, die eine Revision anfüttern könnten. Eine Neuauflage des Prozesses, es wäre ein Fiasko. Und für Götzl auch eine persönliche Kränkung: Bisher wurde nur eines seiner Urteile gekippt.

Wie aber wird Götzl Zschäpe verurteilen? Der Richter ließ es sich im Prozess nicht direkt anmerken. Bei den Plädoyers ihrer Verteidiger fertigte er nur ungerührt seine Notizen, auch bei den persönlichen Schlussworten Zschäpes vergangene Woche. Aber: Götzl eilt der Ruf der Härte voraus. So verurteilte er etwa 2009 den Wehrmachtsoffizier Josef Scheungraber für die Ermordung von 14 Zivilisten in Italien 1944 zu lebenslanger Haft.

Zweifel an der Anklage ließ er nicht erkennen

Und im NSU-Prozess ließ Götzl zumindest nicht erkennen, dass er an der Anklage zweifeln würde. Die sieht Zschäpe als gleichwertige Mittäterin an allen NSU-Terrortaten – obwohl sie an keinem Tatortort gesehen wurde. Die Bundesanwaltschaft pokerte damit durchaus hoch und setzte auf Indizien. Götzl hätte das vor Prozesseröffnung runterstutzen können. Aber er ließ die Anklage genau so zu.

Am Mittwoch nun – fünf Jahre später – wird Götzl offenlegen, was er selbst von Zschäpes Beitrag zum NSU-Terror hält. Die Angeklagte sollte sich nicht zu viel erhoffen.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wurde diese widerliche Lobeshymne auf jemanden der durchaus seinen eigenen Anteil am desaströsen Prozessverlauf hatte und sich als Helfer der Verhinderung weiterer Aufklärung hervorgetan hat, vom eigenen Sekretariat geschrieben?

  • Ich habe etwa ¼ aller Verhandlungen hier in München selbst verfolgt.



    Die Zeugen die VRiOLG Manfred Götzl aus dem rechten Dunstkreis vernommen hat, ergaben keinerlei Anhaltspunkte auf die Täterschaft der Angeklagten.



    Die offensichtlich rechten Zeugen beriefen sich in ihren Zeugenaussagen konsequent auf Erinnerungslücken, verweigerten störrisch die Auskunft oder verhöhnten das Verfahren. Ohne dass Richter Manfred Götzl dafür Strafen verhängte oder Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage einleitete.



    So bleiben wichtige Fragen offen.



    Woher kam das Waffenarsenal?



    Wer hat das Adressmaterial mit 10.000 Adressen von potenziellen Mordopfern gesammelt? Es ist unmöglich, in der freien Zeit diese Datensätze mit entsprechenden Tatortbeschreibungen, verteilt in der gesamten BRD selbst zu erstellen.



    Und wieso sind die staatlich bezahlten „Verfassungsschützer“ V-Leute heute noch ohne Anklage und werden weiter vom Staat fürstlich bezahlt?



    Wieso wurden von Behörden die Aussagegenehmigungen für die V-Leute verweigert?



    Und wieso hat Beate Zschäpe nicht freiwillig einen Lügendetektor – Test angeboten?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...sicherer Job.

  • Wenn ich das richtig erinnere, war es doch dieser Richter, der die Versuche insbesondere der Nebenkläger, die Rolle des Verfassungsschutzes und/oder anderer Behörden mit in das Verfahren einzubeziehen, erfolgreich abgeschmettert hat. Damit bleibt doch der bitte Beigeschmack, dass das Verfahren durchaus wenig zur Klärung der wahren Umstände beigetragen hat.

  • Wen interessiert schon wie streng der Richter jetzt ist, wenn von Vornherein eine vollständige Aufklärung durch den Verfassungsschutz und seinen geschwärzten Seiten erfolgreich verhindert wurde. An Aufklärung ist von staatlicher Seite niemandem gelegen, sondern nur jetzt möglichst bald abzuschließen und es zu vergessen.

  • Na Servus

    “Wenn Autoritärstrukturierte Autoritärstrukturierte



    Autoritärstrukturierte - nennen!;)((“

    Hübsch. Tucho hätte seine helle Freude gehabt.



    Normal.

    unterm——



    Schnipsel (da nicht dabei - aber auch schön!;)



    www.textlog.de/tuc...nipsel-spruch.html



    &



    Sicher Geschichte - aber das Echo zu “Deutsche Richter“ - ist auch nach dem -



    Prinzing-Desaster/Stammheim - bis heute noch nicht verklungen!



    Im Journaille-Raum wie in den Köpfen! Na Mahlzeit*!*



    www.textlog.de/tuc...tsche-richter.html



    &



    de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Prinzing



    &



    www.zeit.de/1977/0...e-prinzing/seite-2



    &



    www.zeit.de/1977/0...heim-ohne-prinzing



    “…wurde Prinzing wegen Befangenheit ausgeschlossen und durch den



    Beisitzer Eberhard Foth ersetzt.“ Mit eklatanten Folgen!



    Der - wie klassisch newahr - in Wahrheit nicht in der Lage war!



    Den Stammheimprozeß geordnet zu Ende zu führen!



    &



    Es ist kein Geheimnis - daß Prinzing “ausgesucht“ worden war! (gesetzlich. Richter*¿*)



    “…Weil ihm noch kein Urteil 'gelupft' worden war!“



    &



    www.spiegel.de/pan...taat-a-479638.html

    kurz - “…Für Manfred Götzl geht damit eine Herkulesaufgabe zuende…“



    Hamses auch mal etwas kleiner*?*



    Dank im Voraus.

  • Ich kenne Manfred Götzl und sein Team vom Landgericht noch. Sein Team hat er zum größten Teil mit zum OLG Senat genommen. Mir ist kein einziges Urteil von Götzl bekannt, dass nicht mindestens den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprochen hat. Die Angeklagten werden allesamt antragsgemäß abgeurteilt. Als andere wäre ein Wunder. Zschäpe wird dann noch im Gerichtssaal die Revision zum BGH erklären und wenige Wochen später wird der BGH die Revision mit einem üblichen Textbaustein als unbegründet zurück weisen. Fertig!

  • Hoffen wir mal der Richter wird beim Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen und Zschäpe zu Lebenlanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilen. Ich sehe nicht wie man weniger rechtfertigen könnte.